Gewerbeverein zu Adorf Januar
1858 – 15. März 1936 |
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Wie alles begann |
Vor über fünf Jahren
skizzierte ich auf Basis der mir vorliegenden Daten eine Geschichte des
Gewerbevereins zu Adorf für die Jahre 1858-1936. Diese Geschichte finden Sie
unter http://gewerbeverein-adorf.de/history/Gewerb.htm. Durch die
Erschließung neuer Quellen ist es nun möglich, den Beginn der Geschichte des
Vereins etwas detaillierter darzustellen.
Dies möchte ich in diesem separaten Text tun. |
Am 27. November 1858
berichtete „Der Grenz-Bote“ aus Adorf in nachfolgender Meldung über eine
Versammlung, die die Bildung eines Gewerbevereins zum Ziel hatte. |
„Am 20. Nov. fand im Gasthofe zum Löwen eine Versammlung statt, die
den Zweck hatte, einen Gewerbeverein in das Leben zu rufen. Es handelte sich
hauptsächlich um Beantwortung der Frage: „Wollen wir einen Gewerbeverein,
oder keinen?“ Zuerst wurde hervorgehoben, was gegen die Gründung eines
solchen Vereins zu sprechen schien. Was vom objectiven
Standpunkte dagegen angeführt werden könnte: daß
Adorf vielleicht kein Gewerbe habe; oder keines, das eines Vereins bedürfe;
oder daß der Verein sich nicht würde mit schon
längst bestehenden Vereinen werde messen können, war leicht zu widerlegen
durch Hinweis darauf, daß Adorf nicht ohne Gewerbe
ist; daß es auch solche hat, die vereinte Kräfte
bedürfen; daß jeder Gewerbeverein seine Kinderstube
gehabt hat. Auch die subjektiven Gründe gegen die Begründung eines derartigen
Vereins, welche man in behaglicher Genügsamkeit und in der Furcht vor den
Opfern an Geld, Zeit und Mühe finden könnte, wurden abgewiesen mit Hinweisung
auf unsern christlichen, humanen und staatlichen Standpunkt, der die
Wirksamkeit für die Mitbürger durch jene doch immer nur kleinen Opfer zu dem
einen oder anderen allgemeinen Zwecke zur Freude machen muß. Für Gründung eines Gewerbevereins wurde zuerst im Allgemeinen
angeführt, daß Vereinigung die Mittel liefere,
Manches auszuführen, was dem Einzelnen unmöglich ist; sodann insbesondere, daß ein Gewerbeverein manchem sinkenden Gewerbe und
mancher schlummernden oder verborgenen Kraft aufhelfen könne; daß ganz besonders ein Adorfer
Gewerbeverein begründet werden müsse, weil eine fremde Stadt (Chemnitz)
wohlwollend dazu gemahnt; weil darin eine Stütze des sinkenden Gewerbelebens
und von edlen Grundsätzen getragenen und edlen Zwecken dienenden geselligen
Lebens erkannt werden müsse. Nach langer Debatte constituierte sich der
Gewerbeverein, jedoch vorläufig ohne Anschluß an
den Chemnitzer, und wählte Direktorium und Comite.
Die Statuten werden nächsten Mittwoch zur allgemeinen Besprechung vorliegen. Wir hoffen, daß dieses Unternehmen reiche
Früchte für das gewerbliche und gesellige Leben tragen wird.“ |
Nach der
Veröffentlichung dieser Meldung sah sich die Redaktion der Zeitung
„Der Grenz-Bote“ veranlasst, einen
redaktionellen Artikel über die generelle Bedeutung der Gewerbevereine am 11.
Dezember 1858 zu veröffentlichen. Man verwies darauf, dass man bereits im
ersten Jahr des Bestehens des Blattes auf die Bedeutung von
Gewerbevereinen aufmerksam gemacht hat. |
Gewerbevereine „Mit wahrhafter Freude haben wir in No.
48. des Grenzboten die Nachricht gelesen, daß in
Adorf sich ein Gewerbeverein gegründet habe. Wenn auch der Anstoß dazu von Außen gekommen, die erste Aufforderung vom Centralverein in Chemnitz ausgegangen ist, so ist doch
rühmend anzuerkennen, daß diese Aufforderung
Anklang gefunden hat. Um so bedauerlicher ist es, daß derartige Aufforderungen in Neukirchen keinen so
guten Boden zu finden scheinen, welche Stadt doch hinsichtlich ihrer Gewerbthätigkeit sich einen ziemlichen Ruf erworben hat. Woran, fühlt man sich veranlaßt zu fragen,
woran liegt es, daß hier so wenig Interesse an einem derartigen Vereine, so wenig Eifer für Gründung
eines solchen und Theilnahme an demselben gefunden
wird? Mangel an zur Leitung des Vereins befähigten Persönlichkeiten ist es gewiß nicht. Wer dieses behaupten wollte, würde der Stadt
ein Armuthszeugnis geben, dass sie weit hinter
viele andere, kleinere, weniger gewerbthätige
Städte stellen würde, denn es gibt viele Städte und Ortschaften, welche die
Hälfte weniger Einwohner, weniger Gewerbefleiß haben, in denen aber dennoch
ein Gewerbeverein blüht. Der Grund muß demnach in
etwas anderem gesucht werden, und wir glauben nicht
zu irren, wenn wir denselben einerseits in einer gewissen Furcht vor dem Mißlingen des Versuchs, andererseits in dem Verkennen des
Zwecks und Nutzen eines derartigen Vereins suchen. Furcht vor dem Mißlingen des Versuchs
sollte aber, selbst wenn sie noch so gerechtfertigt erscheint (wir brauchen
nur an den schlechten Besuch der Gewerbschule zu
erinnern), die zur Gründung und Leitung Befähigten nicht abhalten. Alles Gute
macht sich nur langsam Bahn, aber wenn auch ein Baum nicht auf den ersten Hieb
fällt, so fällt er doch nach fortgesetzten Streichen. Aehnlich wird es gewiß mit dem Gewerbeverein
werden. Klein wird der Anfang sein, gering die Zahl der Männer, welche in der
ersten Zeit fest bei demselben ausharren, später aber wird der große Nutzen doch
anerkannt werden. Wenn auch jetzt der Indifferentismus noch so groß ist, der
Verstand dringt doch zuletzt durch! Durch den regen Eifer von der einen Seite wird der Zweck und Nutzen
der Gewerbevereine immer mehr zu Tage kommen und werden dem Vereine neue
Freunde und Anhänger zuwachsen. Was ist nun der Zweck und der Nutzen der
Gewerbevereine? werden manche fragen? Wenn gleich
wir nun bereits in dem ersten Jahrgange des Grenzboten uns kurz darüber
ausgesprochen haben, so durfte es doch bei der veränderten Gestalt des
Blattes gerechtfertigt erscheinen, nochmals darauf zurück zu kommen. Zweck der Gewerbevereine ist hauptsächlich: Erhöhung des
vaterländischen Gewerbefleißes im Allgemeinen und insbesondere Fortbildung
der Gewerbetreibenden des Orts und Förderung ihrer Gewerbthätigkeit.
Ganz richtig hat man bei der Berathung über
Gründung eines Gewerbevereins in Adorf hervorgehoben, daß
eine Vereinigung die Mittel liefern, Manches auszuführen, was dem Einzelnen
unmöglich sei, daß manchem
sinkendem Gewerbe und mancher schlummernden Kraft aufgeholfen werden
könne. Aber dieses wird eben hauptsächlich durch Fortbildung erreicht und
hierzu soll der Gewerbeverein den einzelnen Mitgliedern behilflich sein. In
allen Sachen ist ein Fortschritt bemerkbar, wenn aber alles fortschreitet,
kann der gewerbliche Bürgerstand, die Masse, der Kern der städtischen
Bevölkerung nicht zurückbleiben. Während sonst das Beharren beim gewahrten
Alten, bei den vom Vater oder Meister mechanisch erlernten Fertigkeiten
genügt haben mag, erscheint jetzt ein gemeinschaftliches Fortschreiten als
ein zeitgemäßes und zugleich unabweisbares Erfordernis. Dieser eigne Geist
des rastlosen Fortschreitens, einmal angeregt mit dem ganzen, dem
industriellen und politisch sozialen Leben immer inniger verschmolzen, möchte
nicht so leicht einem neuen Stillstehen Platz machen. Es ist ein unermüdetes Fortgehen und Fortbilden nothwendig,
um nicht von andern sich in Industrie und Handel überflügeln zu lassen, nicht
zurück zu bleiben, und, als dessen natürliche Folge, zu verkümmern und
unterzugehen. Der gewerbliche Betrieb ist insbesondere zu einer solchen Höhe
gesteigert, daß, um noch eifern zu können, es einer
steten Vervollkommnung in Form und Stoff der Produkte bedarf, daß dieserhalb die immer
steigenden Fortschritte in der Gewerbskunde, wie in deren Grund- und
Hilfswissenschaften von den bildungsfähigen, zum Fortschreiten geeigneten, gewerbtreibenden Bürger gekannt und benutzt werden
müssen. Hierzu sollen die Gewerbevereine behilflich sein, und können es, wenn
sie mit vereinten Kräften sich Bücher und andere Sammlungen anschaffen,
welche der Einzelne nicht erhalten kann. Es bedarf ferner für die zum Fortschreiten im Fache geeigneten
selbstständigen Gewerbetreibenden jener Vereinigung zur Förderung des
praktischen Gewerbefleißes und dergl., denn so wie alle Verhältnisse besser
gedeihen, wofern ein Mittelpunkt für sie besteht,
von welchem aus sie geleitet werden, so ist auch ein Gleiches zu Gunsten des
städtischen Gewerbebetriebes erforderlich. Zu einem solchen Centralpunkte des gewerblichen Lebens des Orts ist ein
Gewerbeverein trefflich geeignet, ihm ist es dann anheim
gegeben, sich der gewerblichen Interessen anzunehmen, alle dazu
dienlichen Vortheile zur Sprache zu bringen und die
Ausführung des als rathsam Erkannten einzuleiten.
Das gemeinschaftliche Anschaffen von Schriften und daher das zeitig mögliche
und mit billigen Kosten ausführbare Erfahren neuer Erfindungen und
Vorschläge, das Besprechen und Prüfen derselben in den Zusammenkünften, die
leichte Vereinigung zu Anträgen und gemeinschaftlichen gewerblichen
Unternehmungen, Unterstützung Hilfsbedürftiger und so noch ähnliche Vortheile derartiger Vereine gewähren einen hohen, noch
viel zu wenig beachteten Nutzen für städtische Gewerbetreibende.“ |
Mit den obigen recht undiplomatischen Worten
in Richtung Markneukirchen fragt die Redaktion der Zeitung, warum dort nicht
endlich auch ein Gewerbeverein gegründet wird. Ob solche Worte ursächlich
dafür waren, dass das Verhältnis zwischen beiden Städten manchmal etwas speziell
war? Die nachfolgenden Argumente in Bezug auf permanente Notwendigkeit von
Aus- und Weiterbildung der in den Gewerbebetrieben tätigen Mitarbeiter ist
bis heute aktuell. Diese Argumente waren für die Gewerbetreibenden in
Markneukirchen 1858 noch nicht so überzeugend. Die Gründung eines
Gewerbevereins dauerte dort noch bis zum 27. September 1872. Mit der Gründung
des Gewerbemuseums im Jahre 1884, heute Musikinstrumenten-Museum
Markneukirchen, schuf sich das Musikinstrumentengewerbe zusammen mit der Stadt Markneukirchen
genau das, was laut oben aufgeführten Artikel kein einzelner Unternehmer
weder damals noch später leisten
konnte. Was wird der Grund dafür gewesen sein, dass der erfolgreiche Anstoß
für die Gründung des Gewerbevereins in Adorf grade aus Chemnitz gekommen ist?
Gab es besondere geschäftliche oder persönliche Beziehungen von Adorf nach
Chemnitz? |
Der Gewerbeverein
Adorf hielt sich nicht lange mit der Vorrede auf und veranstaltete mit
einigen Gästen aus der Umgebung vom 24. bis 31. Juli 1859 in Adorf eine erste
gewerbliche Ausstellung. Hierüber berichtete „Der Grenz-Bote“ am 6. August
1859 wie folgt: |
Bericht über die gewerbliche Ausstellung in Adorf Der
Gewerbeverein zu Adorf veranstaltete vom 24. bis 31. Juli 1859 eine
Ausstellung gewerblicher Arbeiten und demselben von Damen überlassenem
Geschenken im Saale der Bürgerschule. Am Tage vor der Ausstellung wurde der
Saal von einer Anzahl Damen mit Blumen und Guirlanden
reich geschmückt und darnach von der hierzu erwählten Deputation die Ausstellung
der eingesandten Gegenstände vorgenommen. Außer Adorf, welches in
gewerblicher Beziehung Klarinetten und Flöten der Herren Instrumentenmacher
Wunderlich und Zenker, ein Werkzeug zur Instrumentenfabrikation von Herrn
Schmiedemeister Zöphel, Tuche von den Herren Degenkolb und Geipel, Nähwaaren
von den Herren Wapler und Jehring,
Prachteinbände von Herrn Buchbinder Kolbe, Schuhwaaren
von den Herren Möckel und Schaller, einen Nähtisch von Tischlermstr.
Bräcklein, ein Dukatenbüchlein ec. von Herrn Thorn,
Seilerwaaren von Herrn Piering,
Sattlerwaaren von Herrn Hendel, Lichte u. s. w. von
Herrn Seifensieder Schopper, Zinnwaaren von Herrn
Roßbach, Gürtlerwaaren von Herrn Ebner, Kürschnerwaaren von Herrn Neumeister, Korbwaaren
von dem erblindeten Junker, Drechslerwaaren von den
Herren Höfer und Kreul, Webwaaren
von den Herren Geipel und Penzel, Fleischwaaren von
Herrn Klarner, Backwerk von Herrn Paulus ec.
vorführte, waren vertreten Elster mit Oelgemälden
von den Herrn Lithographen Berndt u. Comp., Klingenthal
mit Stickereien, Klöppelein ausgelegten Holzwaaren von Herrn Stecher ec., Leubetha
mit Papier aus der Fabrik der Herren Klinger, mit Garnen aus der Fabrik des
Herrn Thomas, Morgenröthe durch ein gußeisernes Bildnis Sr. Maj.
des Königs Johann von Herrn Walther, Neukirchen mit Sattlerwaaren
von Herrn Jülich, Asch durch einen Brillantstock von Herrn Thorn. Die
Eröffnung begann am 24. Nachmittags 3 Uhr, nachdem
sich vorher ein zahlreiches Publikum aus Adorf und Umgegend eingefunden
hatte, mit einer Ansprache des Vorstands vom Gewerbeverein. Zum
Schlusse sang die Versammlung das Lied: „Dem König segne Gott!“ Die ganze
Ausstellung beschloß eine Verloosung,
wozu 1.000 Loose abgesetzt waren, worauf 415 Gewinne der verschiedensten Art
fielen.“ |
Dem aufmerksamen Leser
wird nicht entgangen sein, dass man bei dieser Ausstellung noch nicht von
ausgestellten Perlmutterwaren berichtete. Dies ist ein Zeichen dafür, dass
sich dieser Gewerbezweig 1859 noch in den Kinderschuhen befand. Wo werden die oben
genannten Ausstellungsstücke abgeblieben sein? So manches Ausstellungsstück
wäre heute ein willkommenes Exponat im Heimatmuseum. |
Die oben erwähnte Eröffnungsrede ist
gleichfalls erhalten geblieben. Herr Schlegel gibt mit ihr einen
umfangreichen Einblick in die damalige Zeit. |
Rede bei Eröffnung der Gewerbeausstellung am
24. Juli 1859 im Schulsaale zu Adorf v. Org. Schlegel „Verehrteste Anwesende! Unser lieber Gewerbeverein, obwohl noch
jung, hat uns dennoch schon manche angenehme Stunde bereitet. Bald hörten wir
belehrende Vorträge der Mitglieder des Vereins, bald Aufsätze aus bildenden
Schriften, bald entspann sich ein freundliches Gespräch, was zum Denken
anregte, bald bot er uns eine unschuldige, Freude bald regte er an zu einer That der Liebe – allemal aber führte er die verschiedenen
Glieder aus ihren Abgeschiedenheit zu einem geselligen Verbande,
wie Adorf seit vielen Jahren keinen mehr gehabt hat, der aber gewiß wohlthätig auf
gegenseitige Liebe und Achtung, Anregung und Ausbildung Einfluß
haben muß. Aber dies Alles erreicht doch nicht diejenige Wirkung unseres
Gewerbevereins, welche wir heute vor uns sehen. Am heutigen Tage zeigt sich
uns eine unerwartet schöne Frucht unsrer gemeinsamen Aussaat. Die festlichen
Gesänge, die freundlichen Blicke, die reichlichen Gaben, dieser zahlreiche
Verein, der Schmuck der Blätter und Blumen: Alles dies versetzt uns jetzt in
eine erhebende und wohlthuende Stimmung. Und welchen Namen trägt diese für uns so ungewohnte Erscheinung? Was
ist hier Neues eingezogen in diese Räume? Es ist – eine Ausstellung. Ausstellungen sind aber verschieden nach den ausgestellten
Gegenständen und verschieden nach Umfange und Pracht. Erlauben Sie mir, daß ich in letzterer Hinsicht nur auf Drei hinweise. Der erste ist die, welche wir so eben in einem begeisternden Hymnus
haben preisen hören, ist die, welche vor ungezählten Jahren ein Meister
schuf, wie Keiner auf Erden weilt, die täglich neue Pracht und neue
Herrlichkeiten den staunenden Zuschauern vorgeführt, von der der große Meister
selbst sagt: Und siehe da, es ist Alles sehr gut! Ausgestellt ist hier der
große Teppich, den wir Himmel nennen, und an welchem Millionen Perlen in
strahlendem Glanze leuchten; ausgestellt hier die blumenreiche Wiese, das
köstliche Gewand der Felder, der himmelanstrebende Berg, die Frucht des
Baumes; ausgestellt ist hier der Komet mit seinem zuckenden Flammenschweife,
der den weiten Himmelsplan zu decken strebt, und das Würmlein, dessen zarte
Gliedmaßen nur das bewaffnete Auge erkennen kann; ausgestellt sind hier
schwarze Donnerwolken mit goldstrahlendem Saume, und Bänder, die den Himmel
in erhabenem Farbenbogen mit der Erde verbinden; ausgestellt sind hier der
farbige Wilde und der gebildete Weiße und Alles, was Leben und Odem hat. Unbeschreiblich kleiner, als die so eben
angedeutete sind freilich die Ausstellungen, welche unsre größten Städte in
steinernen und Glaspalästen vorführen. Und doch vereinigt sich hier Alles,
was die Kunst der Künstler vermag; da ringen die bedeutendsten Kräfte der
gebildeten Menschheit aus der alten und neuen Welt mit einander um den Preis,
die im letzten April eröffnete, in voriger Woche geschlossene Ausstellung in
Paris ist von 3 Millionen Menschen besucht gewesen. Welche Arbeiten mögen
sich da dem Blicke der verwöhnten Großstädter
dargeboten haben, um bei den mannigfachen, täglichen Gelegenheiten zum Sehen
noch solchen Reiz auszuüben! Wieder unbeschreiblich kleiner; als die vorgenannten Ausstellungen
ist die dritte, nämlich unsere Adorfer. Nur Kräfte
der Einen Stadt, der niedlichen, haben sie, mit wenig Beihilfe der
Nachbarschaft zu Stande gebracht. Was können wir von ihr erwarten? einen so
erstaunlichen Riesen mit Helm und Panzer und vielem Troß,
wie er für Neuyork, Paris und London passend ist? O
nein, dies nicht – einem lieblichen Kinde nur ist sie vergleichbar, um das
sich heute seine Pathen und Freunde in festlichem
Schmuck versammelt haben, dem sie ein Blümchen, eine Gabe ihrer Hand, die
Liebe ihres Herzens zubringen. Wenden wir unsre Blicke nun noch vom Allgemeinen auf diese unsre Adorfer Ausstellung insbesondere. So niedlich aber auch
diese Ausstellung ist, so veranlaßt sie uns doch zu
mancherlei Betrachtungen. Die erste ist folgende: In diesem Saale werden alljährlich die
Prüfungen der Schüler unserer Stadt abgehalten. Eine Prüfung offenbart die
Kräfte derselben. Heute haben wir ebenfalls einen Prüfungstag. Und wahrlich,
wir müssen bekennen, daß unser Adorf uns in
derselben viele Kräfte männlichen und weiblichen Geschlechts offenbar gemacht
hat, die sehr geschickt sind in Verarbeitung der verschiedenartigsten Stoffe;
die geniale Ideen haben und nach den ewigen Gesetzen
der Kunst in schöner Form und lieblichen Farbentönen diese Ideen für das Auge
und den Tastsinn vernehmbar zu machen, und in die Wirklichkeit einzuführen
verstehen. Heute erkennen wir auch, was an sich weniger bedeutende Kräfte
vermögen, wenn sie sich mit anderen zu guten Zwecken verbinden. Das hat der
Herr so geordnet, daß nicht Ein Mensch Alles
vermag. Erst in ihrem Vereine strebt die Menschheit
in ihrer Hoheit und Vollendung da. Die Eine Kraft leistet Vortreffliches in
Nadelarbeiten und nichts in der Bearbeitung der Metalle, während wieder der
geschickteste Metallarbeiter ganz unbrauchbar zu jenem sein kann. Wenn aber das
Starke mit dem Zarten sich verbindet, dann zeigt sich die menschliche Kraft
in ihrer Vielseitigkeit. Heute sehen wir dies deutlich an unserm Verein, der
durch ordnende und wirkende, männliche und weibliche, jüngere und ältere
Kräfte das Alles, was wir hier neu vor uns sehen, zu Stande gebracht hat. Zu solchen Unternehmungen, wie unsre Ausstellung, gehört aber auch
opferfreudiger Gemeinsinn. Und er hat sich hier glänzend bewährt. Kein
einziges Versprechen ist als Lockmittel der Einladung zur Theilnahme
beigefügt, kein Gewinn in sicherer Aussicht gestellt worden und dennoch
solche Freudigkeit, … auch die Stunde der Muße dem Vereine
opfert! Rührend ist es, daß auch ein des
Augenlichts Beraubter hier nicht fehlen wollte, sondern seine Gabe der Liebe
und Kunst dargebracht hat. Exercitien des
Gemeinsinns wären gewiß nicht das unterste
Erziehungsmittel zu wahrem Volksadel. Wir lernen aus dieser Ausstellung
offenbar auch erkennen, daß in Adorf noch viel
Gemeinsinn zu finden ist. Pflegen wir diese köstliche Pflanze, lassen wir sie
nicht ersterben, versengen von der Gluth des
Egoismus, der Habsucht, die immer fragen: Welchen Nutzen habe ich davon? Aus dieser Betrachtung ergibt sich aber auch manche Anregung für den
Willen, für gewerbliches Schaffen und Wirken. Denn keine Prüfung ohne Segen,
sie mag Mängel aufdecken oder das Gegentheil
aussprechen müssen. – Nach den Beweisen aus der Statistik ist uns Allen die
niederschlagende Gewißheit geworden, daß Adorf in gewerblicher Hinsicht seit einer Reihe von
Jahren in stetem Rückschreiten begriffen war. Zu neuer gewerblicher Thätigkeit fordert dringend unsre gewerbliche Ausstellung
auf. Damit soll nicht gesagt sein, Adorf möge den goldnen
Boden des Ackerbaus verlassen – nein, es soll ihn fortpflegen als die Quelle
seines Wohlstandes, worauf Adorf von der gütigen Natur und von der die
Schätze der Welt vertheilenden Vorsehung ganz
besonders angewiesen worden ist. Da aber der hiesige Ackerbau weder die jetzt
umfänglichere Bevölkerung vollständig beschäftigen, noch einzig ernähren kann,
so bleibt ziemlich die Hälfte unserer Stadt auf den Betrieb des Gewerblichen
hingewiesen. Nicht nur zu neuer Thätigkeit in der
bisherigen Weise fordert die Ausstellung auf, auch zu immer vollendeter Thätigkeit. Arbeiten, welche früher die menschliche Hand
allein ausführte, sind jetzt der Maschine zugewiesen. Aber die Maschine wird
stets nur geistlos arbeiten. Es bleiben demnach für die Zukunft der
menschlichen Hand nur die Arbeiten, welche entweder des denkenden Geistes als
steten Leiters bedürfen, oder solche, welche nicht in großer Menge Bedürfnis
werden, so daß die Kosten der Anfertigung für sie
passender Maschinen auf zu wenige Verkaufsexemplare vertheilt
werden und demnach die Herstellung durch Menschenhand billiger sein wird. Zu der neuen, vollendeteren Gewerbethätigkeit muß auch noch
erweiterte Gewerbethätigkeit sich gesellen. Der
Absatz nach außen hin soll sich mehren, der Geschäftskreis sich erweitern,
und was jetzt noch von andern Ortschaften abhängig ist, nach und nach auf
eigene Füße zu stehen kommen. Und zu Allen wird der Tieferblickende in einem
Gewerbeverein und in Ausstellungen Anregung erkennen; denn neue Ausstellungen
sind unmöglich ohne neue Thätigkeit; und da nur das
Künstliche hier ausgestellt wird, so regen sie an zu vollendeterer
Thätigkeit und da das Bessere mehr Absatz findet,
zu erneuter Thätigkeit. Endlich noch ein Wort über das, was wir in dieser Stunde fühlen.
Zunächst können wir nicht das Gefühl der Beschämung unterdrücken, daß von manchen Seiten so viel Zweifel gegen die Kräfte
der Stadt und den Muth zu irgend einer That ausgesprochen werden konnten, als gäb es hier weder Einsicht, noch Sinn für Schönes, noch
Gemeinsinn. Was eine Stadt aus sich selbst macht, das ist sie. Um so größer muß unsre Freude
sein, daß solche beschämende Urtheile
so sehr beschämt worden sind. Wie schöne Kunstprodukte sind hier vor unsern Blicken ausgebreitet von dem nur der Kunst
dienenden Bilde des Königs an, bis zu den netten Gegenständen, welche im
Hauswesen nützen! Im Namen des Vereins spreche ich Allen meinen herzlichen Dank aus,
welche diese schöne Ausstellung ermöglichen halfen; Dank der hochgeehrten
Schulinspektion, welche so bereitwillig diese freundlichen und sicheren Räume
dem Vereine zu Benutzung überließ; Dank den Damen welche die Ausschmückung
des Saales mit Kränzen und Guirlanden, diesen
schönen Sinnbildern des Vereins, des Vereinsfriedens, des Vereinswirkens mit
so viel Sinn für das Schöne, Geduld und Beharrlichkeit ausführten, oder Werke
ihrer fleißigen Hand und ihres sinnenden Geistes dem Vereine als Geschenke
überließen, Dank allen den Herren, welche durch ihre Mitwirkung die Ehre der Adorfer Gewerbethätigkeit in
ein schönes Licht zu stellen suchten; Dank den lieben Sängern, die durch ihre
Harmonie dem Feste die rechte Weihe gaben; Dank Allen, die heute uns mit
ihrer Gegenwart beehren und mild beurtheilen, das
noch nicht groß gezogene Kind. So erkläre ich denn nun im Auftrage des Vereins die Ausstellung für
eröffnet mit dem Wunsche, daß sie ein Samenkorn
sei, woraus sich, wenn wir es ferner pflegen, ein Baum entwickelt, der immer schönre Blüthen und Früchte
trägt, der auch denen zum Nutzen gereicht, die kein Sinnen, keine Mühe, kein
Opfer gescheut haben, um diese Ausstellung möglich zu machen, möge allen
Anwesenden noch lange Jahre die Erinnerung an diese Festfeier eine angenehme
sein! – Angefangen haben wir sie mit einem Lobgesange auf den Meister aller
Meister, und König aller Könige. Wir schließen diese Eröffnungsfeier mit
einem Hinblick auf den König, dessen wohlgelungenes Bild umkränzt vom Laube
deutscher Eichen hier vor uns aufgestellt ist, den Gott uns verordnet hat zum
Schirmherrn unseres Landes, unserer Stadt, unserer Gewerbe und stimmen in der
Sachsen Lied: Den König segne Gott, den er zu Heil uns gab, ihn segne Gott!“ |
Die erste Ausstellung gewerblicher Arbeiten
muss ein solcher Erfolg gewesen sein, dass im nächsten Jahr erneut zu einer
Gewerbeausstellung aufgerufen wurde. |
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Der Gewerbeverein engagierte sich nicht nur
für die gewerbliche Entwicklung seiner Mitglieder, sondern auch für das Gemeinwesen in der Stadt. So
rief er im April 1859 zu einer Baumpflanzaktion auf kommunalem Grund auf.
Eine Aktion, die auch heute in vielen Kommunen in unterschiedlichster Form
durchgeführt wird. Die damals gepflanzten Bäume hätte heute ein stolzes Alter
von 165 Jahren. Ob der eine oder andere von ihnen noch im Stadtbild zu finden
ist? |
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Klaus-Peter Hörr April 2024 |