Vereinslokal Restaurant „Zur Alp“

 

Für die Zusammenkünfte und Vereinsveranstaltungen benötigte der Adorfer Gewerbeverein, wie alle anderen Vereine auch, entsprechende Räumlichkeiten. Dass ein Verein, wie z. Bsp. der Schützenverein mit dem Schützenhaus ein eigenes Domizil besaß, war eher die Ausnahme.

So traf man sich 1870 vor Pfingsten im Gasthaus Feldschlößchen.

 

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Zu den Stiftungsfesten lud man regelmäßig in das Schützenhaus ein. Dies lag an den erforderlichen Räumlichkeiten für die zahlreichen Mitglieder inkl. Ehefrauen und Gäste.

Den ersten Nachweis hierfür haben wir z. Z. für das Jahr 1879 mit der Anzeige im Adorfer Grenzboten zur Vorstandswahl und zum Stiftungsfest.

 

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Für die regelmäßigen Versammlungen, bei denen immer nur ein Teil der Mitglieder teilnahmen, nutzte man die verschiedenen Vereinszimmer in den Adorfer Gasthäusern. Für den Wechsel zwischen verschiedenen Gasthäusern war sicherlich auch das wirtschaftliche Interesse einzelner Mitglieder, die auch Wirte waren, verantwortlich.

So traf man sich z. Bsp. im Juni 1905 im Bahnhofsrestaurant oder im Oktober 1910 im Hotel zur Post.

 

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Sammlung Peter Jacob

 

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Im Januar 1908 lesen wir, dass der Gewerbeverein mit dem Restaurant „Zur Alp“ ein Vereinslokal besaß, in dem dann sicherlich bis auf die Stiftungsfeste die Vereinsversammlungen stattgefunden haben.

 

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Die Geschichte der Gaststätte „Zur Alp“ geht bis in das Jahr 1871 zurück und wurde bis Ende 1921 von Eduard Höfer bzw. seiner Witwe bzw. Töchtern betrieben.

Ab 5.1.1922 übernahm Ernst Reinel das Restaurant „Zur Alp“ von den Geschwistern Höfer. Auch nach dem Besitzerwechsel war es weiterhin das Vereinslokal des Adorfer Gewerbevereins.

 

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Wirtsleute Lina und Ernst Reinel, Sammlung Gaby Günther

 

 

Das Restaurant „Zur Alp“ gehörte zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Bezug auf den Bierverkauf nicht zu den Adorfer Spitzenadressen sondern lag mit durchschnittlich 20.000 l/Jahr in den  Jahren 1897-1914 eher im Mittelfeld. Hier bevorzugten die Gäste das Einfache bzw. Lagerbier.

 

 

 

 

Zur Alp

Eigentümer

Einfach

Lager

Böhmisch

Gesamtsumme in l

Summe in l

Summe in l

Summe in l

1897

Höfer, Eduard     

11.900

2.750

100

14.750

1898

Höfer, Eduard     

14.649

5.051

75

19.775

1899

Höfer, Eduard    

8.855

5.780

269

14.904

1900

Höfer, Eduard   

12.527

5.964

369

18.860

1901

Höfer, Eduard        

11.234

5.657

0

16.891

1902

Höfer, Eduard      

14.026

5.610

0

19.636

1903

Höfer, Eduard      

           k. A

            k. A.

            k. A.

 

1904

Höfer, Eduard       

15.751

4.708

0

20.459

1905

Höfer, Eduard        

15.624

4.655

98

20.377

1906

Höfer, Ed.       

18.973

5.829

0

24.802

1907

Höfer, Eduard    

18.269

6.481

0

24.750

1908

Höfer, Eduard       

16.434

8.753

0

25.187

1909

Höfer, Eduard       

15.976

7.012

0

22.988

1910

Höfer, Eduard      

12.874

8.635

0

21.509

1911

Höfer, Eduard

14.319

7.545

0

21.864

1912

Höfer, Karoline

12.390

9.277

0

21.667

1913

Höfer, verw.

11.392

11.060

0

22.452

1914

Höfer, verw.

8.496

12.307

0

20.803

 

Dies ist nicht verwunderlich, mussten sich die zahlreichen Mitglieder des Gewerbevereins täglich stark um ihr eigenes Gewerbe kümmern und ev. auch das eine oder andere Bier aus geschäftlichen Gründen in einem anderen Lokal trinken.

Die Freunde des Böhmischen Bieres trafen sich dagegen eher im Hotel Goldener Löwe.

 

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                                                                                                 Foto. Petra Kaiser    

Frau Else Schneider, Tochter vom Gastwirt Ernst Reinel, hat in ihren Erinnerungen interessante Ereignisse und Begebenheiten aus dem Alltag einer Adorfer Gastwirtschaft in der Zeit bis zum Ende des 2. Weltkrieges festgehalten, die ich nachfolgend wiedergeben möchte.

 

„Unsere Gaststätte war ein gutbürgerliches Lokal, wo viel Skat gespielt wurde. Außer Fabrikarbeitern verkehrten Geschäftsleute, sowie Angestellte vom Rathaus, Amtsgericht oder Finanzamt dort. Da neben der Gaststätte ca. 3 ha Landwirtschaft betrieben wurde, bot es sich an, ab und zu ein Schwein zu schlachten und zu vergastieren. Das war vielleicht ein Aufzug, als der Brühtrog hergerichtet und das Schwein im Haus abgestochen wurde. Im Waschhaus wurde der Kessel angeschürt, worinnen die Würste gekocht wurden. Hinterher fand sich die Nachbarschaft ein, um in Krügen Wurstsuppe zu holen. In der Schlafstube wurde Stroh ausgebreitet (das könnte man sich heute gar nicht mehr vorstellen), und darauf kamen die frischen Würste. Vater hatte da eigens für die Nachbarskinder, die Schäler für das Vieh brachten, kleine Würste zubereitet.

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Ein einträgliches Geschäft brachte auch die Hauskirmes, welche im Herbst abgehalten wurde. Dafür wurde extra ein Koch engagiert, um auserlesene Gerichte zuzubereiten, wie Gans, Ente, Zunge, Karpfen oder Feldhase.

 

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Dann kam das Bockbierfest mit Starkbierausschank. Das hatte den einen Nachteil, dass es durch zu reichlichen Alkoholgenuss bei den Gästen mitunter zu Schlägereien kam und manchmal die Polizei eingeschaltet werden musste. Ängstlichkeit kam bereits auf, wenn die Stühle polterten

 

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Damit auch die Frauen zu ihrem Recht kamen, wurde zweimal im Jahr ein Kaffeekränzchen abgehalten. Als Standardgebäck wurden Spritzkuchen, Windbeutel und Wachsstöckeln (Brezen) angeboten.

 

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Das einträglichste Geschäft bedeutete der Jahrmarkt, welcher zweimal im Jahr stattfand. Da unser Gasthaus in Marktnähe lag, bot es sich zur Einkehr an. Da wurde sogar ein Komiker gehalten und das in der Scheune lagernde Podium dazu herbeigeschafft.

 

C:\Users\Hörr\Andrea\Adorf\Adorfer Wochenblatt-Grenzbote\Adorfer Grenzbote Fotos von Anzeigen-Artikel\GH Zur Alp\1922-04-30 Zur Alp IMG_0873.JPG

 

Früher gingen die Leute schon deshalb ins Gasthaus, weil es noch kein Fernsehen gab und man eine Unterhaltung suchte. Trotzdem ein Wirtshaus neben dem anderen lag, hat das Geschäft so viel abgeworfen, dass eine Bedienung gehalten werden konnte. Die Kundschaft wollte ab und zu wieder ein anderes Gesicht sehen, und so war dauernder Wechsel nötig. Manche ließen sich betatschen, zum Ärger meines Vaters. Sobald sich das eine gefallen ließ oder gar einen Herrn mit auf ihr Zimmer nahm, wurde ihr gekündigt. So kam es vor, dass manche mitunter nur einen oder ein paar Tage im Dienst waren.

Als dann der Krieg kam, rentierte sich keine Bedienung mehr, und die Gaststube wurde ins Vereinszimmer verlegt, weil es in Küchennähe lag und kleiner war.

Die Rentabilität der Gaststätte baute sich auf Ansehen und Stammgäste auf. So wurde jeder Gast durch den Wirt mit Handschlag begrüßt. Der Vater trug, weil er Fleischer von Beruf war, stets eine schwarz-weiß gestreifte Bluse und darunter ein weißes Vorhemd mit Kragen, wo eine Fliege befestigt war. Da gab es Bügelfrauen, die eigens solche Wäsche stärkten und bügelten.“

Vielen Adorfern ist das Haus in der heutigen Hohe Straße 6 als Domizil der ehemaligen PGH Elstermoden bekannt. Wieviel Kleider, Röcke, Blusen, Anzüge oder Meter Gardinen werden  dort wohl genäht worden sein? Von den ungezählten Änderungen wollen wir gar nicht reden.

Heute betreibt Frau Ilona Stopp in diesem Haus eine Praxis für Krankengymnastik. Wo früher Eduard Höfer und Ernst Reinel für das Wohl der Gäste sorgten stehen heute moderne Therapiegeräte.

C:\Users\Hörr\Andrea\Adorf\Gewerbeverein\Zur Alp\Bilder Zur Alp\Ehemaliger Gastraum 1.jpg  C:\Users\Hörr\Andrea\Adorf\Gewerbeverein\Zur Alp\Bilder Zur Alp\Ehemaliges Vereinszimmer 1.jpg

Ehemaliger Gastraum                                                                     Ehemaliges Vereinszimmer, Fotos Petra Kaiser

 

Es ist zu wünschen, dass auch Frau Stopp wie einst Ernst Reinel und die PGH Elstermoden immer zufriedene Kunden/Patienten hat.

Wer nun glaubt, dass damit die Geschichte der „Alp“ beendet ist, der hat sich geirrt. Noch heute erwacht an manchen Tagen der Geist dieses traditionsträchtigen Restaurants. In einem gepflegten Ambiente (aber nicht bei einer Feuerzangenbowle) werden bei einer der letzten Flaschen Adorfer Bier die alten Geschichten längst vergangener Zeiten erzählt.

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4 Fotos Petra Kaiser/Kristina Becker

 

Vielen Dank an Frau Gaby Günther für die Bereitstellung von interessanten Informationen zur Geschichte des Restaurants „Zur Alp“ aus ihrem Familienarchiv.

 

Klaus-Peter Hörr

November 2017