Fleischerei Paul Adler, Markt 6, Adorf
Die Fleischerei Paul Adler am Markt 6 in Adorf befand
sich in einem der ältesten Häuser von Adorf. Im Torbogen lesen wir die
Inschrift G.W.G. und die Jahreszahl 1768.
Der 12. Juli 1768 war einer der schrecklichsten Tage
in der Adorfer Stadtgeschichte. An diesem Tag breitete sich um 5 Uhr
nachmittags ein Feuer vom Hause des Tuchmachers Johann Georg Schopper über die
gesamte Innenstadt aus und vernichtete 176 Häuser inklusive Hintergebäude.
Heute kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob das Haus mit der Jahreszahl
1768 kurz vor dem Brand erbaut oder gleich nach dem Brand als eines der ersten
wieder aufgebaut wurde.
Die Initialen G.W.G. ordnet
Heimatforscher Siegfried Thomä dem Vater des ab 1790 amtierenden und 1823
verstorbenen Adorfer Bürgermeister Gottlieb Heinr. Gruber zu. Unterstützt wird
diese These durch die Tatsache, dass in den Wählerlisten von 1836 dieses
Grundstück einem Gruber gehörte. Erhard Günther, Sohn des Oberlehrers und
Organisten Bruno Günther schreibt in seinem Artikel über die Geschichte der
Adorfer Apotheke folgendes zum Haus Markt 6.
„D.
Heinrich August Gruber war von 1804 bis 1808 in Adorf Stadtarzt und ließ von
einem Provisor die neue Apotheke betreiben. Seine Apotheke, die sich wohl im
Gruberschen Haus am Markt befand (jetzt Fleischermeister Adler) ging 1809 mit
dem Inventar in den Besitz seines Schwagers Christian Friedrich Bienert über.
Gruber zog nach Johanngeorgenstadt und wurde dort Bergarzt und Stadtvogt. Nach
dem Kirchenbuch wurden am 20.6.1809 in Adorf getraut der “kunsterfahrene und
examinierte Apotheker allhier Christian Friedrich Bienert, einziger Sohn des
Salomo Gottlob Bienert, kgl. sächs. Generalaccisinspektor zu Oederan und Juris
Practici in Freiberg und Juliane Hernriette Gruber.Am 28.8.1818 kaufte Frau
Juliane Henriette Bienert, geb. Gruber das Hausgrundstück von ihrem
Schwiegervater. Bienert war fast 20 Jahre als Apotheker in Adorf tätig, er zog
von hier nach Zwickau und 1836 nach Berggießhübel.“
In den Adorfer Adressbüchern von 1896/1904/1914 wird
Landwirt Max Heerbeck als Eigentümer aufgeführt.
Eduard Paul Adler ist kein Nachkomme einer der
alten Adorfer „Adlerfamilien“. Er wurde am 28. Januar 1896 in Lauterbach bei
Oelsnitz als Sohn von Eduard und Anna Ida Adler geboren. Da die Mutter von
Gerhard Adler, Marie Adler geb. Heerbeck aus Adorf stammt, besteht aber über
diesen Zweig eine familiengeschichtliche Verbindung nach Adorf.
Am 31. März 1913 legte er mit 17 Jahren in Adorf die
Gesellenprüfung als Fleischergeselle erfolgreich ab.
Wie es damals üblich war, ging es nach erfolgreicher
Gesellenprüfung auf die Wanderschaft. Sie
führte ihn nicht sehr weit fort von der Heimat. Die erste Station war
bei Fleischermeister Heinrich Claus in Greiz. Seine weitere Wanderschaft führte
ihn über Pohlitz, wieder nach Greiz und über
Plauen zu den Fleischern Alfred Stöß und Theobald Martin in Adorf und
endete am 9. September 1916 wegen der Einberufung zum Heeresdienst bei Hermann
Liebender in Bad Elster. Seine jeweiligen Meister bescheinigten ihm durchweg
eine ehrliche, fleißige und gute/sehr gute Arbeit. Am 1. März 1918 kehrte er im
Gegensatz zu vielen anderen Adorfer Soldaten aus dem Krieg zurück. Er legte die
Hände nicht in den Schoß und begann eine Meisterausbildung, die er am 22.
Februar 1921 im Alter von 25 Jahren erfolgreich abschloss.
Wie damals üblich, wurde die erfolgreiche Ablegung der
Meisterprüfung in der Zeitung bekanntgegeben.
Im Adressbuch 1925 von Adorf finden wir Paul Adler
noch als Landwirt unter der Anschrift Markt 6 und Alfred Stöß unter gleicher
Anschrift als Fleischermeister. Es ist zu vermuten, dass Paul Adler bei seiner
Tätigkeit bei Fleischer Stöß die Tochter des Hausbesitzers und Landwirts Max
Heerbeck kennenlernte und später heiratete. Im Jahre 1927 übernahm Paul Adler
das Fleischereigeschäft von Alfred Stöß, bei dem er auf seiner Wanderschaft
auch gearbeitet hatte.
Am rechten Bildrand erkennt man noch einen Teil des
Firmenschildes der Fleischerei Alfred Stöß.
Wie viele andere Handwerker waren damals auch die Fleischer
in Innungen organisiert.
Im Jahre 1896 werden im Adorfer Adressbuch 14
Fleischer aufgeführt. 1904 waren es 13. Nicht selten betrieben die Fleischer
gleichzeitig auch eine eigene Landwirtschaft und/oder auch eine Gastwirtschaft.
Da wusste jeder woher das Fleisch und die Wurst kam. Betreffs Bio- und
Ökofleisch gab es damals noch keine Diskussionen.
Wer kennt heute noch die Namen der damaligen
Mitglieder der Fleischerinnung auf obigem Bild? Noch sehen wir einige jüngere
Fleischer in den zwei hinteren Reihen. 2-3 Jahre später werden auch sie an den
Fronten des zweiten Weltkrieges gekämpft oder für ihre Kameraden gekocht haben.
Die Fleischerinnung traf sich nicht nur zum
Gruppenfoto mit anschließendem gemütlichem Zusammensein. Sie beschäftigte sich
als Interessenvertreten der Mitglieder neben der beruflichen Qualifizierung
auch mit ganz praktischen Fragen. Auf der 1. Sonder-Fach u. Kunstausstellung
wurde 1932 nachgewiesen, dass Fleischer wahre Künstler sind bzw. sein können.
Ob es Fotos von den Aspikarbeiten und
Gewürzmalereien gibt? In der Innung erfolgte auch eine Abstimmung zu den
Preisen oder den Öffnungszeiten. Speziell die gemeinsame Festlegung der
Verkaufspreise dürfte heute die Wettbewerbshüter auf den Plan rufen.
16. Juli 1932
4. Februar 1916
29. September 1922
Wie damals üblich, musste in vielen Gewerken die ganze
Familie mithelfen. Das schloss die Kinder durchaus ein.
Oben sehen Sie deutlich, wie Sohn Gerhard Adler
bereits in jungen Jahren den Ochsen mit starker Hand am kurzen Strick führt.
Später wurde so manches Tier aus dem Bayerischen bis nach Adorf getrieben.
Hatten die Landwirte dort andere Rassen oder bessere Rinder als im heimischen
Adorf?
Vielleicht lag es auch daran, dass die regelmäßigen
Viehmärkte in Adorf noch nicht wieder das Niveau der Zeiten vor dem 1.
Weltkrieg hatten. Am 13. Oktober 1925 fand in Adorf der erste Viehmarkt nach dem
letzten am 16. November 1915 statt.
Unten ein Foto anlässlich des Stadtfestes 1953. In der
Mitte Paul Adler, links Erich Puchta und rechts Fleischer Hans Burkhard aus der
Goesmannstraße.
Wie früher sehr oft praktiziert, trat Gerhard Adler in
die Fußstapfen seines Vaters und erlernte bis 1944 den Fleischerberuf.
1968 kam Gerhard Adler nach mehreren beruflichen
Stationen außerhalb Adorfs zurück in seine Heimatstadt und übernahm die am
Markt 6 befindliche Konsum-Fleischerei als Verkaufsstellenleiter. Nach der
Wende übernahm die Sächs. Fleisch- und Wurstwaren GmbH Reichenbach das
Geschäft. Bis 1993 war es die Löblein SFW GmbH Reichenbach und danach die
Fleischerei Lutz aus Kulmbach. Im Jahre 1993 ging Gerhard Adler in Rente. Nach
der Fleischerei Lutz folgte die Fleischerei Jacob und zeitweise der Schlosser
Fleischer. Heute wird der Gewerberaum als Lager genutzt.
Wirft man heute vom Markt aus einen kurzen Blick auf
das Haus, wird einem kaum etwas an die ehemalige Fleischerei erinnern. Bei
einem Blick in das Innere des Hauses begegnet uns aber auf Schritt und Tritt
dessen Geschichte. Die Haken für die Schweine- und Rinderhälften berichten in
Vollmondnächten über die schweren Lasten die sie zu tragen hatten. Werkzeug und
Pfannen hängen aufgeräumt an der Wand als ob sie darauf warten wieder gebraucht
zu werden. Die Waage ist einsatzbereit und auf ihr liegt das alte
Familienrezept für das Würzen des Hackepeters. Ein Blick ins Regal verrät, dass
hierfür nur erstklassige Gewürze von Carl Hartung aus Gera zum Einsatz kamen.
Der Räucherofen kann sofort angeheizt und bestückt zu
werden. Das gute Speckfett wurde nicht ohne Grund in größeren Behältern
verkauft.
Vielen Dank an Herrn Gerhard Adler und Frau Marleen
Müller für die Bereitstellung des umfangreichen Materials für diesen Bericht.
Klaus-Peter Hörr, Dezember
2017