Laut
Geschäftsanzeige im Adorfer Adressbuch aus dem Jahre 1914 wurde die Fa.
Crosinsky & Eisenack 1880 gegründet. Was nicht ersichtlich ist, ist die
Tatsache, dass die Firma in diesem Jahr nicht in Adorf/Vogtl. sondern in Berlin
gegründet wurde.
Das
genaue Gründungsdatum können wir aus einer Meldung des Adorfer Grenzboten vom
25. März 1905 mit dem 1. April 1880 ableiten. Laut dieser Meldung war im Jahre
1905 Herr J. Crosinsky alleiniger Inhaber der Firma.
Bereits
1881 finden wir die Firma als Aussteller auf der Leipziger Messe. In diesem
Jahr stellte sie noch unter der Firmierung J. F. Crosinsky aus. Am 22. Oktober 1881 berichtet die „Handels
und Gewerbezeitung“ über den Neueintrag der Firma Crosinsky & Eisenack
(Joh. Fried. Crosinsky u. Oscar Arth. Eisenack) in der Prinzessinnenstr. 18 in
Berlin mit der Geschäftsbranche „Hartgummi- und Perlmutterwarenfabrik“. Aus
heutiger Sicht erscheinen diese beiden Geschäftszweige nebeneinander zumindest
ungewöhnlich. Vielleicht waren es aber auch zwei verschiedene Standbeine, die
eine gewisse Sicherheit im Geschäftsbetrieb ermöglichten.
Nach
1883 fand ich das Unternehmen in den Ausstellerverzeichnissen der Leipziger
Messen über mehrere Jahre unter der neuen Firmierung. Die Angebotspalette
differenziert je Veröffentlichung etwas. Ursache hierfür können die in den
entsprechenden Jahren unterschiedlich nachgefragten Erzeugnisse oder auch der
zur Verfügung stehende Platz bei den Veröffentlichungen gewesen sein. Die
breite Angebotspalette des Unternehmens zeigte sich besonders im
Ausstellerverzeichnis für die Michaelismesse 1901/Neujahrsmesse 1902 in Leipzig
mit folgenden Sortimenten:
Bäder- und Bazarartikel aus Perlmutter:
Portemonnaies, Schiffchen, Feuerzeuge, Ascheschalen, Schmuckkasten, Nippsachen,
Broschen, Heiligenartikel, Schnallen, Stockgriffe, Tafelgeräte, Haarschmuck u.
s. w..
Am
21. Juni 1893 wird im Deutschen Reichsanzeiger vermeldet, dass am 12. Juni 1893
in Adorf unter Fol. 134 die Fa. Crosinsky & Eisenack – Zweigniederlassung
der in Berlin bestehenden gleichnamigen Firma eingetragen wurde. Als Inhaber
wird Johann Friedrich Crosinsky in Berlin genannt. Bedeutet das, dass Herr
Eisenack zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Miteigentümer war?
Ab
diesem Jahr taucht die Firma regelmäßig in entsprechenden Firmen- und
Lieferantenverzeichnissen sowie Adressbüchern unter Adorf bzw. Perlmutterwaren
auf. Je nach Quelle wird entweder nur der Standort Adorf oder auch Berlin mit
Niederlassung Adorf genannt.
Die
Errichtung einer Niederlassung in Adorf ist ein guter Beleg für die gezielte
Auswahl von Standorten für Unternehmen. Sie richtet sich u. a. nach der
Verfügbarkeit von Rohstoffen, Arbeitskräften, der Nähe zu Märkten oder auch der
bewussten Nähe zu den Mitbewerbern, Dienstleistern oder Lieferanten.
Ende
des 19. Jahrhunderts war Adorf bereits das Zentrum der deutschen
Perlmutterwarenindustrie. Grundlage hierfür waren am Anfang die
Elsterperlmuscheln und später die Importe aus bayrischen Gewässern. Auch
nachdem der Einsatz der einheimischen Muscheln keine Bedeutung mehr hatte und
fast ausschließlich importierte Meeresmuscheln und Meeresschnecken zum Einsatz
kamen, konnte sich der Standort Adorf im Vogtland behaupten. Durch die größere
Sortenvielfalt der Meeresmuschel und -schnecken kam es zu einer immer breiteren
Erzeugnisvielfalt. Eine Ausnahme bildete die Perlmutterknopffertigung. Diese in
Adorf zu etablieren wurde öfter von Kunden gefordert. Die praktische Umsetzung
verlief aber nie erfolgreich. Diese Produktgruppe unterscheidet sich erheblich
von den anderen Erzeugnissen aus Adorf.
Im harten Wettbewerb konnte hier nur der bestehen, der mit einer
spezialisierten Ausrüstung und Mitarbeitern mit großen Stückzahlen einen festen
Kundenkreis beliefern konnte. Diese Voraussetzungen waren in Adorf so nicht
gegeben.
In
den ersten Jahren nach der Gründung der Niederlassung in Adorf wird als Anschrift
die Elsterstraße angegeben. Zu jener Zeit war dies postalisch voll ausreichend.
Die Verwendung von Hausnummern oder Brandkatasternummern zur genauen Bestimmung
des Standortes war nicht notwendig. Jeder, für den es wichtig war, wusste wo
jemand wohnte oder zu finden ist bzw. hatte einen Mund zum Fragen. In einer
Bauakte fand sich der Hinweis, dass die Perlmutterfirma Crosinsky &
Eisenack ihr Mietverhältnis zum 30. Juni 1909 nach 16 Jahren bei Herrn Eduard
Schink in der Elsterstraße kündigte (Mittelhaus).
Die
Bedingungen dort waren nicht sehr gut, weshalb das Gewerbeamt vor einer
weiteren Nutzung der Räumlichkeiten durch die Firma C. W. Lots erst einmal eine
Umgestaltung entsprechend der aktuellen Bestimmungen forderte. Heute würde man
sagen, dass der alte Mieter Bestandsschutz genoss.
Es
kann vermutet werden, dass die Firma Crosinsky & Eisenack wegen dieser
Bedingungen in der Elsterstraße das Mietverhältnis kündigte und in die
Goesmannstraße umzog. Die Angaben im Adressbuch von 1914 sind leider etwas verworren. Als Firmenanschrift wird hier sowohl die
Goesmannstraße 16 als auch die Elsterstraße 2 bzw. 9 genannt. Eventuell gab es
zu diesem Zeitpunkt auch mehrere Standorte in Adorf.
Die
Entwicklung des Standortes Adorf lässt sich gut an den Mitarbeiterzahlen laut
der Dissertation von Herrn Ulrich Hahnemann aus dem Jahre 2001 mit dem Titel
„Die Geschichte der Sächsischen Knopfindustrie“ ableiten. Sie sieht wie folgt
aus:
Jahr |
1898 |
1900 |
1904 |
1908 |
1910 |
1912 |
1914 |
1915 |
1916 |
1917 |
Beschäftigte |
47 |
32 |
42 |
44 |
56 |
58 |
49 |
13 |
16 |
17 |
Die
Anzahl der Fabrikarbeiter widerspiegelt die allgemeine Entwicklung dieser
Branche mit ständig wechselnden Geschäftsbedingungen. Größere Schwankungen gab
es in der Regel bei den beschäftigten Heimarbeitern. Besonders deutlich sehen
wir die Auswirkungen des 1. Weltkrieges in den Jahren 1915 bis 1917.
Laut
Unterlagen der Gewerbeinspektion Plauen der Jahre 1912/1913 soll die Fa. Crosinsky
& Eisenack zu dieser Zeit neben 47 Fabrikarbeitern 83 ständige Heimarbeiter
beschäftigt haben. Im Ausstellerverzeichnis zur Michaelis-Messe 1901 in Leipzig
werden für die Fa. Crosinsky & Eisenack 300 Arbeiter angegeben. Aus dem o.
a. Zahlenwerk ist zu schließen, dass hierbei sicherlich die Arbeiter in Berlin
mit eingerechnet wurden.
Wie
andere Perlmutterwarenproduzenten ließ sich auch die Firma Crosinsky &
Eisenack einige besondere Artikel im Muster-Register des Amtsgerichts für
mindestens 3 Jahre schützen. So geschehen laut Veröffentlichung im Deutschen
Reichsanzeiger vom 9. September 1896. Hier wurden insgesamt 14 Artikel per
Eintrag geschützt.
Inwieweit
es eine Arbeitsteilung zwischen den Firmen/Standorten in Berlin bzw. Adorf
gegeben hat, ist mir nicht bekannt. Es könnte so gewesen sein, dass die
Geschäftsleitung und der Vertrieb in Berlin angesiedelt war
und in Adorf ein Teil der Produktion inkl. des Versandes erfolgte. Dagegen
spricht, dass in den Adressbüchern von 1904 und 1914 Fabrikant Johann Crosinsky
als Einwohner in Adorf genannt wird. Der regelmäßige Hinweis auf die
Niederlassung in Adorf kann bedeuten, dass man darauf hinweisen wollte, dass
die Erzeugnisse bzw. ein Teil derer aus dem Zentrum der deutschen
Perlmutterwarenindustrie in Adorf gekommen sind.
Der
Firmenstandort in Berlin wird dafür verantwortlich sein, dass die Fa. Crosinsky
und Eisenack auf geschäftlichen Feldern tätig war bzw. Vertriebskanäle nutzte, in
denen anderen Adorfer Firmen nicht präsent waren. So finden wir einen Eintrag
der Firma in dem in Berlin erschienenen „Kolonialen Handels- und Verkehrs-Buch“
aus dem Jahre 1901. Auf der Berliner Gewerbeausstellung 1896 in Berlin war sie
als einziger Austeller dieser Branche vertreten. In der Fachpresse wurde die
Fa. Crosinsky und Eisenack im Gegensatz zu den anderen Adorfer Firmen auch als
Lieferant von Perlmutter als Rohware genannt. Hierzu wendete man mit Sicherheit
das von J. F. Crosinsky unter Patentschrift No. 65011 ab 17. März 1892
geschützte Verfahren (Verfahren und Maschine zum Dünnschleifen von Perlmutter)
an. Diesen Prozess zu mechanisieren brachte gegenüber der Handarbeit einen
erheblichen Vorteil.
Am
20. Januar 1918 verstarb Fabrikant Johann Friedrich Crosinsky. Diese Tatsache,
und sicherlich auch die gesamte wirtschaftliche Situation im letzten
Kriegsjahr, führten zur Firmenschließung in Adorf.
Am
8. Januar wurde per Anzeige im Adorfer Grenzboten das letzte Inventar zum
Verkauf angeboten.
Auf
den Leipziger Messen findet wir das Unternehmen
mindestens bis 1924 weiter als Aussteller unter der Produktgruppe
Perlmutterwaren.
Im
Reichstelefonbuch des Jahres 1934 wird die Fa. Crosinsky & Eisennack noch
in Berlin aufgeführt. Im Jahre 1938 fehlt ein entsprechender Eintrag. Dies
lässt vermuten, dass dieses Unternehmen ihr 60jähriges Firmenjubiläum nicht
mehr gefeiert hat.
Unten
zwei Aufnahmen aus der Sammlung von Peter Jacob. Zum Zeitpunkt der Aufnahme
Mitte der 1930er Jahre befand sich im ehemaligen Gebäudekomplex der Fa. Crosinsky &
Eisenack das sogenannte Beamtenheim (im Bild links).
Bei
Johannes Lenk lesen wir hierzu folgendes:
„Das in unmittelbarer Nachbarschaft zur
Goesmannschen Stickerei stehende und mit seiner Vorderfront zur
August-Bebel-Straße zeigende Gebäude gehörte zu den Perlmutterwarenfabriken der
1980 in Berlin gegründeten Firma Crosinsky & Eisenack. 1918 erwarb die
Textilosewerke und Kunstweberei Claviez AG beide Fabrikgebäude. In der
ehemaligen Goesmannschen Stickerei stellten fortan 200 Frauen und Mädchen
Stechteppiche her, das sind z. B. auf Knüpfteppichstühlen erzeugte Teppiche aus
Kokosmaterial. Außerdem wurde im gleichen Gebäude ein „Beamtenheim“ für
Angestellte der Firma geschaffen, zu dem u. a. ein saalartiger
Gesellschaftsraum sowie ein Spiel- und Bibliothekszimmer gehörten.
Das Gebäude beherbergte während der
Kriegsjahre bis 1945 einen Kindergarten. In dieser Zeit wurden unter der Obhut
der NS-Frauenschaft verstärkt Kindergärten eröffnet, da viele Frauen an den
Arbeitsplätzen der zum Kriegsdienst eingezogenen Männer eingesetzt wurden. In
den Räumen der Crosinskyschen Fabrik entstand eine Baumwollspinnerei. Beide
Gebäude wurden 1946 im Zuge der Enteignung verstaatlicht und 1949 zu
Wohnzwecken umgebaut. In der einstigen Baumwollspinnerei wurde 1988 der
zahnärztliche Bereich des Stadtambulatoriums untergebracht. Fünf Zahnärzte
hatten hier ihre Behandlungsräume. Zwei von ihnen übernahmen 1991 diesen
Behandlungstrakt und eröffneten nach umfangreichen Investitionen am 21.
November 1991 als privat niedergelassene Zahnärzte ihre Praxen.“
Oben
zwei Fotos aus dem Jahre 2005 vom Komplex der ehemaligen Goesmannschen Fabrik
und Beamtenheim. Auf dem linken Bild erkennt man eindeutig die Fassade aus der
eingangs gezeigten Geschäftsanzeige.
Aus
dem Bericht von Johannes Lenk ist für mich nicht klar hervorgegangen, ob die
Fa. Crosinsky & Eisenack das Gebäude in der Goesmannstraße selbst errichtet
hatten oder ob es einmal Teil der Goesmannschen Stickerei war. Um dies zu
klären, müsste man einmal einen Blick in die Bauakten im Stadtarchiv werfen.
Sollten
Sie noch Informationen zu dieser Adorfer Firmengeschichte haben, würden wir
diese gerne an dieser Stelle ergänzen. Was bisher leider fehlt, sind
Erzeugnisse, die dieser Firma zugeordnet werden könnten.
Klaus-Peter
Hörr
April
2019