Bürgermeister Otto Emil Freytag

*14. September 1835 Plauen, † 16. November 1917 Leipzig

 

 

Otto Emil Freytag wurde am 14. September 1835 als zweites von sechs Kindern von Wilhelm Anton Freytag und seiner Ehefrau Emilie geb. Lange in Plauen geboren. Im Adressbuch von Plauen des Jahres 1854 wird sein Vater als „franz. Sprach- und Gymnas.-Lehrer“ in der Herrengasse A. 80 aufgeführt.

Am 17. April 1855 wurde Otto Emil Freytag an der Universität Leipzig in der Fachrichtung Jura immatrikuliert.  In Leipzig war er Mitglied der am 2. Mai 1855 gegründeten Studentenverbindung „Landsmannschaft Plavia“.

Das Adressbuch von Plauen aus dem Jahre 1863 führt ihn als Raths-Actuar, wohnhaft in der Herrenstraße A 72. Ob er im Rathaus für den Bereich Kultur zuständig war? Im August 1862 zeichnete er in einer Bekanntmachung betr. des Voigtländischen Sängerfestes als Schriftführer des Festausschusses. Das Fest mit 1.500 Sängern aus 59 Vereinen fand in einer extra hierfür für 5.000 Menschen errichteten Sängerhalle statt.

 

 

Am 3. Februar 1863 berichtet die Constitutionelle Zeitung/Dresden aus Adorf, dass in der Sitzung des Bürgerausschusses der Stadt Adorf am 24. Januar 1863 der Rechtskandidat, frühere Rathsactuar und jetzige Hilfsarbeiter bei D. Schaffrath in Dresden zum Bürgermeister der Stadt Adorf gewählt wurde.

Im gleichen Blatt vom 29. März 1863 wird berichtet, dass die bereits als erfolgt gemeldete feierliche Einweisung des neugewählten Bürgermeisters nicht stattfinden konnte. Als neuer Termin wurde der 15. April 1863 genannt. War dies ein schlechtes Omen?

Sein Amt führte er nur kurze Zeit aus. Über die Zeit als Kommunalpolitiker in Adorf ist mir nach Auswertung meines Materials wenig bis nichts bekannt. Hierzu müsste man sich näher mit dem Archivmaterial der Stadt Adorf beschäftigen.

 

Am 28. Februar 1866 zeigt Otto Emil Freytag an, dass er sein Bürgermeisteramt in Adorf freiwillig niedergelegt und sich in Leipzig als Advocat und Notar niedergelassen hat.

 

 

Am 8. März 1866 wird veröffentlicht, dass er hierzu vom sächs. Justizministerium zum Advocaten ernannt und verpflichten wurde.

 

Rechtsanwalt Otto Emil Freytag zeigt am 4. Januar 1868 seine Verlobung mit Fräulein Aurelie Kirsch, Tochter des Herrn Dr. med. Kirsch in Wiesbaden an. Am 30. Juli 1868 wurde die Ehe in Wiesbaden geschlossen.

Sie hatten mit Laura Gertrud und Eduard zwei gemeinsame Kinder.

 

Seine anwaltliche Tätigkeit, die er ab den 1870er Jahren zusammen mit seinem Bruder Bernhard in Leipzig ausübte, war sehr umfangreich. Dies sieht man an der Vielzahl von Gerichtsberichten, an denen er seine Mandanten anwaltlich vertrat. In vielen Fällen trat er als Konkursverwalter aber auch als Strafverteidiger auf.

Spektakulär war sein Auftreten im „Leipziger Hochverratsprozess“ 1872 gegen August Bebel, Wilhelm Liebknecht sowie Adolf Hepner. In diesem verteidigte Otto Emil Freytag den Angeklagten Wilhelm Liebknecht und sein Bruder die Angeklagten Bebel und Hepner.

 

Immer wieder ist es interessant zu lesen, wie aktiv Anwälte neben ihrer anwaltlichen Tätigkeit in verschiedensten Vereinen und Gremien sind. Für Otto Emil Freytag fand ich nachfolgende Beispiele:

·      1880 Vorsitzender des Arbeiter-Fortbildungsvereins Leipzig

·      Vorstand Leipziger Anwaltskammer

·      1889 Hüttenwart der Lenkjöchlhütte.

Die Lenkjöchlhütte befindet sich auf 2603 m im hinteren Ahrntal bei Kasern.

Laut Wikipedia war er weiterhin:

·      1866 Mitbegründer und Ausschussmitglied der Sächsischen Volkspartei,

·      1867 - 1869 Vorstandsmitglied des Verbandes deutscher Arbeitervereine

·      1868 Mitbegründer des „Demokratischen Wochenblattes“.

 

Anlässlich seines 70. Geburtstages schreibt der sozialdemokratische „Vorwärts“ am 5. Oktober 1905.

 

Einer von den Alten. Rechtsanwalt Otto Emil Freytag in Leipzig beging dieser Tage unter großen Ehrungen seiner Berufsgenossen seinen 70. Geburtstag. Otto Emil Freytag, der Vorsitzende des Leipziger Anwaltsvereins und seit einer langen Reihe von Jahren Vorstandsmitglied der sächsischen Anwaltskammer, gehörte in den Jahren 1877 bis 1883 auch der Zweiten Kammer des sächsischen Landtages an, in die er als Vertreter des Wahlkreises Stollberg Land von der Sozialdemokratie gewählt wurde. Er war der erste sozialdemokratische Landtags-Abgeordnete. Nach Verhängung des kleinen Belagerungszustandes über Leipzig trat er vom politischen Leben mehr und mehr zurück. Er galt jederzeit als ein überaus schneidiger Verteidiger in Strafsachen und ist vielfach in politischen Prozessen hervorragend tätig gewesen. Vom Anwaltsverein wurde ihm anläßlich seiner Geburtstagsfeier ein namhaftes Kapital als Grundstock zu einer Otto-Emil-Freytag-Stiftung überreicht, deren Zinsen zur Unterstützung hülfsbedürftiger Angehöriger der Leipziger Rechtsanwaltschaft verwendet werden sollen. Die Leipziger Anwälte veranstalten zu Ehren Freytags ein Festmahl.“

 

Ob die „Otto-Emil-Freytag-Stiftung“ noch heute hilfsbedürftige Anwälte in Leipzig unterstützt?

 

Anlässlich seines goldenen Anwaltsjubiläum berichtete das Leipziger Tageblatt am 26. Januar 1916 über seine fünfzigjährige anwaltliche Tätigkeit.

 

„Wie wir schon kurz mitteilten, beging gestern der in weiten Kreisen bekannte und angesehene Rechtsanwalt und Notar Otto Emil Freytag das 50jährige Anwaltsjubiläum. Im Vogtlande geboren, widmete er seine Arbeitskraft zunächst seiner engeren Heimat und war zunächst drei Jahre lang Bürgermeister in Adorf i. V. Seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft beim damaligen Bezirksgericht Leipzig erfolgte am 25. Januar 1866. Sein Anwaltsjubiläum ist auch zugleich ein Jubiläum seiner Kanzlei, die sich ebenfalls seit 50 Jahren im Hause Nikolaistraße 17 „Amtmannshof“ genannt, in dem er auch seit dieser Zeit seine Wohnung noch innehat, unverändert befunden hat. Rechtsanwalt Freytag war 20 Jahre lang Mitglied und stellvertretender Vorsitzender der Sächsischen Anwaltskammer und jahrzehntelang Vorsitzender des Leipziger Anwaltsvereins. In jüngeren Jahren war seine Tätigkeit als Verteidiger auch außerhalb Leipzigs bekannt und gesucht. Besonders den ärmeren Bevölkerungsklassen stand er mit Rat und Tat zur Seite. Ganz besonders hervorragend war seine Tätigkeit als Verwalter des Konkurses über das Vermögen der Leipziger Bank.

 

Von einer Verleihung des Titels „Geheimer Justizrat“ wurde aus diesem Anlass abgesehen, weil der Jubilar auf Titel und Auszeichnungen verzichtet habe.

 

Knapp zwei Jahre später verstarb der ehemalige Bürgermeister von Adorf, Otto Emil Freytag, in Leipzig.

 

Sein Nachfolger im Amt des Adorfer Bürgermeisters wurde Friedrich August Hitzschold.

 

Klaus-Peter Hörr

Dezember 2022