Gebirgsverein Adorf und Umgebung

 

In der breiten Vereinslandschaft von Adorf gehörte der 1880 gegründete Gebirgsverein mit einer über 50jährigen Geschichte zu den traditionsreichsten Vereinen von Adorf. Seine Aktivitäten waren nicht nur auf die Mitglieder beschränkt sondern strahlten auch stark auf die gesamte Stadt und Umgebung aus.

 

Die Geschichte des Vereins lässt sich kaum besser als mit der Festrede zum 50. Stiftungsfest im Jahre 1930 durch Organist Günther beschreiben.

 

 

Hochverehrte Festversammlung!

 

Der Verband der vogtländischen Gebirgsvereine hatte die Freude, in diesem Jahre eine Anzahl Brudervereine zu ihrem 50. Jubiläum beglückwünschen zu können. In demselben heimatbegeisterten Jahre 1880, wie der vogtländische Touristenverein in Plauen, der Verkehrs- und Verschönerungsverein in Netzschkau, der Naturverein Falkenstein und der Gebirgsverein „Sommerfrische“ Schöneck, sind auch die Gebirgsvereine zu Adorf und Markneukirchen entstanden.

Ihr Geburtstag fällt in eine Zeit, als nach der Einigung aller deutschen Stämme mit dem wirtschaftlichen Aufschwung überall in unseren vogtländischen Städten eine Menge gemeinnütziger Vereinsgründungen einsetzte, die sich durch ihre edlen Bestrebungen und dank der für alles Gute und Schöne sich begeisternden Männer und Frauen bis auf den heutigen Tag erhalten haben.

50 Jahre! Ein ereignisvoller Abschnitt in der Geschichte unseres Volkes, unserer Stadt, wie auch unseres Vereins, der uns zu einem Rückblick reizt, um heute Rechenschaft abzulegen, was er erlebt und erreicht hat.

Die fünf umfangreichen Aktenbände des Vereins haben mich überzeugt, wie in jener erhebenden Zeit des nationalen Aufschwunges nach dem Krieg 1870/71 durch gleichgesinnte Freunde die heilige Flamme des deutschen Nationalgefühls genährt wurde, die Liebe zur Heimat und zum Vaterlande immer mehr erstarkte und besonders die Wanderfreude überall erwachte, mit dem Stab in der Hand die geeinigten deutschen Gaue zu durchstreifen.

Ich kann es mir deshalb nicht versagen, Sie, hochverehrte Anwesende, in folgendem mit der Vereinsgeschichte etwas näher bekannt zu machen, ist es doch zugleich ein Stück Ortsgeschichte. Erwarten Sie aber nicht , daß ich Sie mit trockenen Zahlen überschütte und mich zu sehr in Einzelheiten verliere, die wohl in einer gedruckten Festschrift, die sich unser Verein leider aus finanziellen Gründen versagen mußte, angebracht wären.

Angeregt durch die Gründung anderer Gebirgs-, Verschönerungs- und Touristenvereine im Vogtlande und Erzgebirge, versammelte sich am 7. August 1880 im Hotel Schumann, dem jetzigen Fremdenhof Viktoria, unter dem Vorsitz des Eisenbahn-Betriebsingenieurs Ernst Prasse eine Anzahl angesehener Bürger unserer Stadt zur Gründung eines Gebirgsvereines.

 

 

Die 1. Niederschrift unterzeichneten: Bürgermeister Kämnitz, Postmeister Jentzsch, Controlleur Petzold, Buchbindermeister Aug. Geilsdorf, Bruno Rudert, die Fabrikanten F. A. Schmidt, Oskar Schmidt, Louis Nicolai, Chr. A. Kolbe, Rich. Bammler, Pfarrer Luther, Apotheker Eberhardt, Schuldirektor Arnold, Sekretär Aug. Künzel, Kaufmann W. Weniger, Straßenmeister Kreutz und die Gastwirte Schumann, Ed. Höfer, Joh. Fröba und Arnold Becker. Der Verein hat also die Freude, noch drei von den ältesten Gründern begrüßen zu können.

Dem im Jahre 1877 gegründeten Gebirgsverein für die sächs.-böhm. Schweiz folgte 1878 der Erzgebirgsverein. Die segensreiche Tätigkeit des letzteren, die durch die Aufschließung der Gebirgsgegenden, durch Anbringung von Orientierungstafeln, durch Veröffentlichung von Artikeln über das Gebirge und seine hervorragenden Punkte in einer Verbandszeitung, besonders aber durch Errichtung von Aussichtstürmen großes Interesse erweckt hatte, veranlaßte die neugegründete Adorfer Gruppe, sich dem Erzgebirgs-Verein anzuschließen.

Zu den fast zu gleichen Zeit von Plauen ausgehenden Bestrebungen, auch einen Verband der damals bestehenden vogtländischen Vereine Plauen, Greiz, Reichenbach, Auerbach, Falkenstein und Schöneck herbeizuführen, verhielten sich die Adorfer anfangs passiv, obgleich sie eine Vorstandssitzung im Oktober 1880 in Oelsnitz besuchten und auch bei der Gründung des vogtländischen Verbandes, der dann sogar in Adorf erfolgte, anwesend waren. Erst zwei Jahre später erfolgte der Austritt Adorfs aus dem Erzgebirgsverein. Im Dezember d. J. werden es also 48 Jahre, seitdem unser Verein dem Verband die Treue gehalten hat.

Unter der zielbewußten Leitung des ersten Vorsitzenden Prasse ging der junge Verein frisch ans Werk. Wenn sich auch an der 1. Wanderung am 5. September nach dem Hohen Stein nur 5 Herren beteiligten, so war wenigstens der Anfang gemacht worden. Um so eifriger waren die Monatsversammlungen besucht. Zur Erschließung der näheren Umgebung wurden nach verschiedenen Richtungen Wegweiser angebracht, auf der Arnsgrüner Höhe eine Ruhebank mit einem Schutzdach aufgestellt, von hier aus mit dem Elsterer Verschönerungsverein und der Badeverwaltung der sogen. Kirchsteig nach dem Staatsbad in einen besseren Zustand versetzt und markiert. Ein Lieblingsgedanke Prasses war die Errichtung eines hölzeren Aussichtsturmes, des nach ihm genannten Ernst-Turmes auf der Remtengrüner Höhe auf Kosten des Vereins. Die auf dem Berndtschen Grundstück errichtete Warte verursachte dem Verein eine Ausgabe von über 600 Mark, aber sie blieb in der Folgezeit ein Sorgenkind des Vereins, schon nach seiner Vollendung mußte auf Einspruch der Behörde das Gebälk noch weiter verstärkt werden, um Wind und Wetter zu trotzen. Spätere Reparaturen erforderten weitere, nicht unbedeutende Opfer, so daß man 1890 das Eigentumsrecht des Vereins aufgab und der Turm nach und nach dem Verfall entgegenging. Vor kurzem ist er wieder neu erstanden dank der Opferfreudigkeit des jetzigen Besitzers.

Einen gleichen Mißerfolg hatte der Verein mit der Errichtung des Julius-Turmes auf der Bergener Höhe, zu dessen Bau der frühere Gutsbesitzer Julius Roßbach in Bergen freiwillig Grund und Boden und das Bauholz bewilligte, der Gebirgsverein zu Adorf aber Herstellungs- und Unterhaltungskosten übernahm. Wer von Arnsgrün aus die im Westen zwischen Gettengrün und Weidigt sich erhebende Bodenwelle erblickt mit den Bäumen drauf, sei daran erinnert, daß auch hier einmal eine Aussichtswarte stand.

Es ist bewundernswert, was der Gebirgsverein in den ersten Jahren seines Bestehens alles schuf. Leider ging Prasse, der sich durch seine Energie wie durch sein freundliches Wesen viele Freunde erworben hatte, Ende März 1882 aus Adorf fort. Aus Dankbarkeit ernannte man ihn zum 1. Ehrenmitgliede.

Sein Nachfolger war der bisherige Schriftführer Schuldirektor Arnold, ein temperamentvoller Herr, auch bekannt als Commandant der neugegründeten Freiw. Feuerwehr.

In die damalige Zeit fällt der Ausbruch eines Feuers im alten Gasthof zum „Blauen Engel“, am 14. Februar 1882 durch das die ganze südliche Vorstadt an der Elsterstraße und der größte Teil der am Pfortenberg liegenden Häuser vernichtet wurde. Das Ereignis gab dem Verein Gelegenheit zur Anpflanzung der jetzigen Anlagen.

Zur gleichen Zeit begann man mit der Erbauung eines Fußsteiges, der sich an der Karlsgasse auf dem Gelände längs der Eisenbahnstrecke der Linie Reichenbach – Eger bis nach Mühlhausen hinzieht und noch heute im Volksmund der Gebirgsvereinsweg nach Bad Elster genannt wird. Welche Schwierigkeiten mit den Grundstücksbesitzern, besonders aber mit der Eisenbahnbauverwaltung, zu überwinden waren, davon gibt das umfangreiche Aktenmaterial des Vereins ausführlich Kenntnis. Schwierigkeiten mußten noch einigemale überwunden werden, als später der Verbindungsweg von der Staatsstraße aus, an der Eisenbahn vorüber, über die Talwiese, die die Stadt Adorf ankaufte, nach der Staudenmühle eröffnet wurde, wozu sich die Erbauung einer Holzbrücke über die Elster notwendig machte und dann auch die Anpflanzung schattenspendender Bäume kam. Daß in den letzten Jahren endlich der Wunsch in Erfüllung ging, unweit des Eisenbahnviaduktes den Mühlhausener Bach bequemer zu überschreiten und eine bessere Verbindung mit dem von der Badeverwaltung geschaffenen Hindenburgweg herbeizuführen, hat in unserer Bevölkerung große Freude hervorgerufen. Mancher ist gewiß schon den prächtigen Fußweg gegangen, wenn die lästige Staubplage oder die Gefahren des überhandnehmenden Kraftwagenverkehrs ihn dazu zwangen, und er hat dem Gebirgsverein, dem er früher angehörte, aus nichtssagenden Gründen den Rücken gekehrt. Nicht verschweigen wollen wir die Undankbarkeit, die sich öfters in der Zerstörung jugendlicher Rohlinge oder ungebildeter Menschen zeigte, die, die Schöpfungen des Vereins mißachtend, Wegweiser und Bänke demolierten.

 

Sammlung Perlmutter- und Heimatmuseum Adorf

 

Vergessen wir nicht, die Anregungen zu erwähnen, die vom Gebirgsverein ausgingen und von ihm zum Teil auch ausgeführt wurden, z. B. die Bepflanzung des Birkenwäldchens hinter dem Bahnhof, die Errichtung eines Picknickplatzes im „Alten Hause“, Schaffung besserer Zugverbindungen, Aufstellung einer Orientierungstafel, Vorarbeiten zur Fassung der Elsterquelle, Vogelschutz, Herausgabe eines Führers und einer Orientierungskarte, Aufstellung von Ruhebänken an allen schöneren Aussichtspunkten, Feststellung eines Wanderplanes. Die notwendige Verbindung der Mehlthau mit der Bahnhofstraße, die des Fußweges nach Siebenbrunn, die Bepflanzung des Marktes mit Linden, Errichtung eines Stadtbades, einer Eisbahn, sind Wünsche aus der ersten Zeit des bestehenden Vereins.

Unvergeßlich bleiben den älteren Mitgliedern die herrlichen Stiftungsfeste des Vereins mit den abwechslungsreichen Programmen, besonders die Feier des 25jährigen Jubiläums mit seinem großzügig angelegten Trachtenfeste in den Räumen des Schützenhauses und der wohlgelungene Maskenball 1907.

 

 

 

 

Auch an außerhalb des Vereines liegenden Ereignissen nahm der Verein innigen Anteil. Wir denken an die Beteiligung bei der Weihe unseres Rathauses, bei der Enthüllung des Mosendenkmals in Marieney, bei der Kirchweihe, und als unser Kriegerdenkmal geschaffen wurde. Gerne und freudig hat der Verein immer aus seinen beschränkten Mitteln dazu beigetragen, alles für die Heimat, eingedenk des schönen Wortes aus Archibald Douglas: „Der ist in tiefster Seele treu, der die Heimat so liebt wie du“!

Großen Beifall fand der Verein durch seine regelmäßigen Wanderungen in die nähere und weitere Umgebung und darüber hinaus. Die Wanderbücher legen davon beredtes Zeugnis ab, sie nennen uns die Namen der Führer und die mit Wanderpreis geehrten Mitglieder. Sie sind zugleich Erinnerungen an gemeinsam verlebte Stunden und an die dabei geknüpften Bande der Liebe und Freundschaft. Erfreulich ist noch zu berichten, daß die gemeinnützigen Bestrebungen auch immer freundliche Anerkennung und Unterstützung der Stadtvertretung fanden, die Amtshauptmannschaft bereitwilliges Entgegenkommen zeigte, auch die umsichtige Verbandsleitung bei Lösung größerer Aufgaben ihrer Mithilfe uns zuteil werden ließ und der unermüdliche Oberwegmeister des Verbandes uns gerne mit seinem bewährten Rat betreute.

 

Juni 1909

April 1911

 

Oktober 1912

März 1914

Juni 1914

 

 

August 1926

 

 

„Wer die Jugend hat, hat die Zukunft!“ Es ist ein erfreuliches Zeichen, daß der Verein in der neuesten Zeit auch Jugendpflege treibt. Mit Freuden vertrauen wir unsere Kinder den Führern unserer Jugendgruppe an, wir wisssen sie in guten Händen, wenn sie unsere Heimat durchwandern und Einkehr halten in den Herbergen des deutschen Jugendherbergeverbandes, oder sich einem gesunden Sport hingeben. So sieht sich unser Verein neben seiner sonstigen Tätigkeit am Ausgang des ersten Halbjahrhunderts vor neue Aufgaben gestellt, auch mitzuhelfen an der Ertüchtigung unserer deutschen Jugend.

 

 

 

 

Juni 1912

 

 

Juni 1913

 

Juli 1917

Lassen sie mich, verehrte Anwesende, meine Rede schließen zunächst mit der Bitte:

Helfen Sie mit, das Schwererrungene zu erhalten, was unsere Väter geschaffen haben. Der Heimatgedanke marschiert, verhelfen Sie ihm zum Siege!

Und noch zuletzt Worte des Dankes allen, die bis jetzt dem Verein treu geblieben sind, insbesondere unseren drei noch lebenden Gründern, herzlichen Dank aber auch über das Grab hinaus denen, die den Wanderstab aus der Hand legen mußten und in eine bessere Heimat wanderten, die den Verein kürzere oder längere Zeit geleitet haben oder als jeweilige Stellvertreter der Vorsteher, als Schriftführer und Kassierer, als Wegemeister, Ausschußmitglieder, Führer und Führerinnen die Aufgaben des Vereins förderten.

 

Den Vorsitz im Verein führten im Laufe der Jahre von:

 

1880-1881   Eisenbahn-Betriebsingenieur  E. Prasse

1882-1885   Schuldirektor H. Arnold

1886-1887   Kantor Walther

1888-1889   Schuldirektor Dennhardt

1890             Fabrikant L. Nicolai

1891-1892   Bahnhofsinspektor Lauterbach

1893             Postmeister Heyer

1894-1895   Bahnhofsinspektor Richter

1896-1902   Fabrikant Louis Horlbeck

1903-1904   Rechtsanwalt Hofmann

1905-1906   Postmeister Grießbach

1907-1912   Fabrikant Louis Horlbeck

1913-1927   Oberlehrer Max Stauch

1928-            Postinspektor Arthur Kurze

 

Ehrenmitglieder des Vereins sind:

 

1)Eisenbahn-Betriebsingenieur Prasse (1882)

2)Schuldirektor Dennhardt (1891)

3)Oberlehrer A. Kaiser (1903)

4)Eisenbahnbeamter i. R. R. Rühle (1919)

5)Fabrikant Louis Horlbeck (1926)

6)Oberlehrer Max Stauch (Ehrenvors. 1928)

 

„Frisch auf!“ ins zweite Jahrhunderthalbjahr hinein!

 

Über den weiteren Verlauf der Jubelfeier berichtete der Adorfer Grenzbote wie folgt:

 

„Der Gebirgsverein ehrte seine alten Gründer, wie auch das treuverdiente Ausschußmitglied Kretzschmar, durch Überreichung goldener Ehrennadeln.

Im Namen der Stadt übermittelte herzliche Glückwünsche dem Jubelverein Bürgermeister Dönitz, Landmesser Rudolph-Plauen im Auftrage des Verbandes vogtländischer Gebirgsvereine und des Touristenvereins Plauen, Oberlehrer Apitzsch für den Brüchnerschen Verschönerungsverein Oelsnitz, Friedensrichter Ficker für den Gebirgsverein Markneukirchen, Oberlehrer Wittig im Auftrage des Netzschkauer Brudervereins. Schützengesellschaft, Turnverein e. V., Militärverein I und „König Albert“ sowie die M.-G. V. Liederkranz, Lyra, Harmonie hatten A. Kretzschmar, Kaufmännische Vereinigung und Stenographen-Verein Richard Jurk mit der Uebermittlung von Glückwünschen und Geschenken betraut, wofür der Vorsitzende allen für die Geburtstagsgebinde, darunter eine kunstvoll gearbeitete Guitarre, ein Fotoalbum und Bücher, den besten Dank aussprach.

 

Mit dem vorzüglich gespielten und äußerst humorvollen vogtländischen Schwank: „Kuraschewasser“ des Dialektdichters Willy Rudert-Falkenstein, schloß der erhebende Festabend.

Den Ausklang fand das Stiftungsfest am Sonntag in einem  solennen (festlich) Festball mit Ueberraschungen auf dem Gebiete Terpsichores (tanzfreudiges) durch Ballettmeister Beck und Tochter aus Plauen mit modernen und Charakter-Tänzen.“

 

Organist Bruno Günther hatte für seine Festrede fünf Aktenordner mit Dokumenten der Vereinsgeschichte ausgewertet und die Höhepunkte in seine oben wiedergegebene Rede verarbeitet. Wo werden diese fünf Ordner abgeblieben sein? Sind sie Bestandteil des Archivs der Stadt Adorf geworden? Sicherlich waren in ihnen noch eine Vielzahl von interessanten Details zur Vereins- und Stadtgeschichte enthalten. Regelmäßig wurde auch im Adorfer Grenzboten über geplante und durchgeführte Veranstaltungen berichtet. Hier zwei Beispiele über durchgeführte Wanderungen.

 

15. Juli 1909

Gestern Abend hatte der Gebirgsverein bei schönem Wanderwetter einen Abendausflug nach der Carolaruh unternommen, woran sich die Mitglieder nebst Angehörigen in erfreulich starker Zahl beteiligten. Man benutzte erstmalig den vom Gebirgsverein gebauten für den Fußgängerverkehr bestimmten Weg, der bei der Eisbahn die Verbindung zwischen der Elsterstraße und dem alten am Bahngleis hinführenden Fußweg herstellt. Nach einigen Stunden geselligen Zusammenseins in der Carolaruh trat man allerseits bestens befriedigt den Heimweg an. So angenehm das Vorhandensein des neuangelegten Gebirgsvereinswegs vom Publikum empfunden werden wird, so bedauerlich ist es, daß der Weg vielfach, besonders den aus Jugelsburg kommenden Leuten, Veranlassung gibt, das Neudelsche Wiesengrundstück in schonungsloser Weise zu betreten und zu überschreiten, um zu dem Gebirgsvereinsweg zu gelangen. Es sei vor solchem Tun an dieser Stelle gewarnt, da für künftig eine schärfere Aufsicht angeordnet worden ist, sodaß unangenehme Folgen aus der Nichtbeachtung des Verbots entstehen können.“

 

Über den Gebirgsvereinsweg entlang der Eisenbahnlinie nach Mühlhausen wurde schon oft geschrieben, und dies bis in die heutige Zeit. In der Zwischenzeit ist er professionell als asphaltierter Radweg ausgebaut. Leider hat man dabei einige Vorschriften unterschiedlich interpretiert. Im Ergebnis dessen „schmücken“ aktuell Verkehrsschilder den Einstig in diesen Weg mit dem Hinweis, dass dort das Radfahren verboten ist. Mir ist nicht bekannt, dass die Einhaltung dieses Verbotes jemals kontrolliert worden ist. Eine „never ending story“.

 

18. Mai 1911

„Obwohl das Wetter zu einer Wanderung nicht gerade das allergünstigste war, hatten am Sonntag doch ca. 30 Mitglieder des Gebirgsvereins der Einladung des Vorstandes über den Hohen Stein nach dem Gasthaus „Schau mal eini“ gefolgt. Die Partie nahm einen sehr befriedigenden Verlauf und dürfte den Teilnehmern in angenehmer Erinnerung bleiben. – Jetzt ist die Baumpflanzung zu beiden Seiten des neuen Gebirgsvereinsweges bei der Eisbahn beendet. Über 100 junge Bäumchen hat Herr Paeßler aus den Erträgnissen der vorjährigen Geldsammlung beschaffen und an dem genannten Wege anpflanzen können, wo sie sich im Laufe der kommenden Jahre zu kühlen Schattenspendern entwickeln mögen.“

 

Über den Turmbau in Remtengrün berichtete ich im März 2020 im Adorfer Stadtboten.

Unten ein von Peter Walther koloriertes Foto von diesem Turm. Ja, laut diesem Foto kann man durchaus zu der Ansicht kommen, dass die Standfestigkeit nicht zwingend auf längere Zeit gewährleistet war. Im Juni 1899 wird im Leipziger Tageblatt und Anzeiger wie folgt über diesen Turm berichtet:

 

 

„Der vor längerer Zeit vom Gebirgsverein Adorf im Orte Remtengrün erbaute und im Laufe der Zeit baufällig gewordene Aussichtsthurm ist vom Restaurateur Berndt daselbst neu errichtet und am Sonntag dem öffentlichen Verkehr übergeben worden.“

 

Vom Juli 1890 gibt es auch eine Information darüber, was aus dem oben beschriebenen Julius-Turm in Bergen geworden ist. Aus Adorf wurde damals wie folgt berichtet:

 

„Rittergutsbesitzer  Roßbach auf Bergen und zu Obergettengrün und dessen verw. Frau Mutter haben in diesen Tagen den vom Erzgebirgszweigverein Adorf vor acht Jahren an der von Bergen nach Gettengrün führenden Straße inmitten einer Kieferngruppe erbauten Aussichtsturm einer umfassenden Wiederherstellung auf eigene Kosten unterziehen lassen und dadurch ihrem entschlafenen Vater und Gatten, dem zu Ehren der Bau „Juliusturm“ genannt ist, einen schönen Beweis ihrer Liebe und Dankbarkeit dargebracht. Der Turm, 600 m über dem Spiegel der Ostsee stehend, gewährt einen herrlichen Ausblick auf über 30 Ortschaften, zahlreiche Berge und ausgedehnte Waldungen und Fluren.“

 

Mit der Zeit wurde auch dieser Holzturm baufällig und stand vor dem Abriß. In der Nacht vom 31.7. zum 1.8.1894 erledigten dies Wind und Regen.

 

Im Vorfeld einer geplanten gemeinsamen Wanderung des „Brüchnerschen Verschönerungs- und Touristen-Vereins Oelsnitz i. V.“ und des Gebirgsvereins Adorf i. V. schieb Albert Kretzschmar aus Adorf am 23. März 1931 unter dem Titel „Der ehemalige Juliusturm auf dem Herrnspöhl“ bei Bergen einen vorbereitenden Artikel, in dem er auch auf die Geschichte des zwei Meter tief gegründeten und über fünf Absätze 25 Meter hohen Turm eingeht. Dort können wir wie folgt lesen:

 

„… Der Julius-Turm wurde damals vom Gebirgsverein Adorf erbaut. Das im weiten Umkreise beste Holz hierzu stiftete der damalige Rittergutsbesitzer Julius Roßbach von Bergen. 17-18 Fuhren waren dazu nötig! Sein Sohn Hugo, im 70. Lebensjahre stehend, lebt heute noch; durch dessen Sohn Walter wurde das am 4. Februar 1930 durch Brand zerstörte Rittergut inzwischen zum größten Teile wieder aufgebaut.

Die Aussicht vom Turme war eine umfängliche und anmutige: Fast genau östlich Remtengrün, Siebenbrunn, Markneukirchen. Den Hintergrund des Hohen Stein hatten wir schon erwähnt, weiter Eubabrunn, Wernitzgrün, und in der Ferne die nordböhmischen Terrassen, Ober- und Untergettengrün, Roßbach, Thonbrunn, Juchhöh, Hainberg, bewaldete Höhen des Fichtelgebirges und des Frankenwaldes, Mißlareuth, der Stelzenbaum und Thüringer Vorberge, hinter dem „hohen Kreuz“ Untermarxgrün, der Kulm, Unterlosa, Kemmlerturm, Voigtsberg, Obermarxgrün, Großfriesen, Droßdorf, Lottengrün, Tirpersdorf, Pillmannsgrün und Bergen bei Falkenstein, Weidigt, Teile von Freiberg, Ober- und Unterwürschnitz, die Türme der Kirchen von Marieney und Würschnitz, dann Saalig, Schilbach, Schöneck, Eschenbach, Gunzen und Teile von Breitenfeld und Wohlhausen, in der Schönecker Richtung der Auersberg.

Warum ich wohl all das so peinlich genau aufführe? Als der damalige Schuldirektor Arnold von Adorf im September 1880 die Turmweihe vollzog, glaubte kein Mensch an ein so baldiges Ende des Turmes. Und doch stürzte er 1896 (diese Angabe ist widersprüchlich) , wie mir versichert wurde: durch nicht rechtzeitige Erneuerung der unteren Teile und infolge starker Stürme, ein. Aber es soll und muß vom Standpunkt eines richtigen Naturfreundes aus auf diesem herrlichen Aussichtspunkt immer wieder hingewiesen werden, denn es lohnt sich wahrhaftig, bei einigermaßen besseren Zeiten dort wieder eine Aussichtswarte zu errichten. Der jetzige Besitzer wird, wie seine Vorgänger, dem begreiflichen Wunsche nicht hinderlich sein. Der damalige Besitzer der Pelzmühle war der Zimmermeister und ein gewisser Richter sein Gehilfe beim Turmbau.

Nachdem wir hinter den Zollhäusern den Weg abwärts nach der Pelzmühle und nach dem „Waldfrieden“ und entweder bis Hagers Restaurant oder beim größten Wacholder des Vogtlandes vorüber zur Höhe des alten Standes des Turmes wandern, kommen wir am Rittergut, Schule und Kriegerehrenmal der Gemeinde Bergen vorüber zur Straße abwärts nach Weidigt, zum Sammelplatz beider Vereine…“

 

Besonders die Beschreibung des Ausblickes vom ehemaligen Standort über das Vogtland und angrenzende Gebiete ist sehr interessant. Ob heute noch der gleiche Blick möglich ist? Oder ist dieser wie bei vielen Aussichtspunkten durch den Wuchs von Bäumen und Sträuchern eingeschränkt? Ein Blick auf mir zur Verfügung stehenden Landkarten konnte bisher den ehemaligen Standort nicht eindeutig klären. Eventuell treffen wir uns ja im Frühjahr zwischen Bergen und Gettengrün bei der Suche nach dem wunderbaren Ausblick. Ob es gelingt, ein Foto vom Juliusturm zu finden? Mit Sicherheit wurde er damals schon mehrfach fotografiert und wartet in einem Familienalbum oder einer Bilderschachtel auf seine Wiederentdeckung.

 

Laut einer Zeitungsmeldung vom 23. März 1902 wurde der Besitzer des Rittergutes Bergen bei Adorf, Herr Roßbach, wegen des Verdachtes des Viehschmuggels festgenommen. Das rückt den Turm in ein ganz anderes Licht. Nutzten den Turm damals auch die vielen Viehschmuggler oder auch Zollbeamte für ihre entgegengesetzten Ziele?

 

 

Wie wird die weitere Entwicklung des Gebirgsvereins Adorf verlaufen sein? Mein Material endet im Dezember 1935 mit einem Bericht über die damalige Hauptversammlung im Hotel „Goldener Löwe“ unter dem Vorsitz von Postinspektor Kurze. Der Bericht endet mit dem Hinweis auf einen fröhlichen Abschluss des Abends und dem Aufruf dem Verein beizutreten. Ob sich der Verein analog des Gewerbevereins Adorf im Jahre 1936 auflöste oder aufgelöst wurde? Einen Hinweis hierzu könnte ein Blick in den letzten Ordner des Vereins geben. Laut dem Historischen Archiv des Vogtlandkreises gibt es dort eine Akte zum Gebirgsverein Adorf für den Zeitraum 1919-1936. Bei Gelegenheit werde ich in diese Akte schauen und dann sicherlich sehen, ob und wie die Geschichte des Vereins im Jahre 1936 endete.

 

Klaus-Peter Hörr     

Februar 2023