Dr. med. Konrad Martin Geyh

 

Zu den bedeutenden Persönlichkeiten der Stadt Adorf zu Beginn des 20. Jahrhunderts gehörte der Arzt Dr. med. Konrad Martin Geyh. Im Heft 49 des Grimmaischen ECCE (Fürstenschule in Grimma) wurde dem ehemaligen Schüler dieser Einrichtung im Jahre 1928 folgender Nachruf gewidmet.

 

 

„Konrad Martin Geyh wurde am 15. Mai 1868 als Sohn des Schuldirektors Dr. Friedrich Hermann Geyh in Waldheim geboren, 1876 wurde sein Vater Pfarrer in Quesitz bei Markranstädt, 1882 – 87 besuchte er das Moldanum in Grimma. Nach guter Abgangsprüfung studierte er Medizin in Leipzig. Dann kam er als Assistenzarzt an das Krankenhaus in Braunschweig. 1895 ließ er sich als Arzt in Adorf i. V. nieder und verheiratete sich am 19. August 1896 mit Margarete geb. Müller. Außer der Witwe hinterließ er einen Sohn Martin, der jetzt die Praxis des Vaters übernommen hat, und eine Tochter Charlotte, die verheiratet ist mit Fabrikant Hawraneck in Markneukirchen.

Geyh war ein tüchtiger, fleißiger, gewissenhafter Arzt, der allgemein geschätzt wurde. Im ärztlichen Vereinsleben betätigte er sich immer sehr lebhaft; war zuletzt Vorsitzender des ärztlichen Bezirksvereins. Bei Ausbruch des Weltkrieges wurde er als Stabsarzt zum Chefarzt des Reservelazaretts Plauen ernannt; nach Schluß des Krieges kehrte er als Oberstabsarzt in die Heimat zurück. Neben einer ausgedehnten Praxis widmete er sich bis zu seinem Tode den Bestrebungen des Roten Kreuzes und war bis zuletzt Kolonnenarzt der freiwilligen Sanitätskolonne in Adorf. Geyh’s Wunsch war immer, ohne Krankenlager zu sterben; dieser Wunsch ging in Erfüllung; Geyh starb ohne Kranksein plötzlich am 1. Juni 1928 in Unterwürschnitz, einem Dorf bei Adorf; als er sich zur Untersuchung über einen im Bett liegenden Kranken beugte, überraschte ihn eine Herzschwäche, die den sofortigen Tode veranlaßte.

Das Leichenbegräbnis gestaltete sich zu einer großen Trauerkundgebung der Behörden und Einwohner Adorfs als Zeichen der großen Beliebtheit, die Geyh überall genoß; auch eine ungewöhnlich große Zahl von Aerzten aus der näheren und weiteren Umgebung gaben das letzte Geleite; Militärverein und Sanitätskolonne waren gleichfalls  erschienen. Nachdem der Ortsgeistliche im Trauerhause die Leichenrede gehalten hatte unter Zugrundelegung von Psalm 121,1,  sprach am Grabe, in das Mannschaften der Sanitätskolonne den Sarg versenkten, der stellvertretende Vorsitzende des ärztlichen Bezirksvereins Dr. Stockmann, Erlbach i. V., im Namen der Kollegen Worte des Dankes unter Niederlegung eines Kranzes. Im Auftrage des Landesvereins vom Roten Kreuz in Sachsen sprach dann der stellvertretende Bezirksinspizient Sanitätsrat Dr. Bauer, Markneukirchen (G. 1878), unter Benützung der Inschriften am Ehrenmal im Hofe von St. Augustin 2. Tim. IV, 8 und 2. Tim. II, 5 und dankte dem treuen Kameraden für deine Tätigkeit als Kolonnenarzt. Nachdem noch Oberstudienrat Schröter von der Realschule Oelsnitz im Auftrag der akademischen Sängerschaft einen Kranz niederlegte, widmete der Kolonnenführer Baron dem Verstorbenen in längerer Rede ehrende Worte der Anerkennung und des Dankes.

Mit Geyh ist nicht nur ein guter Arzt, sondern auch ein gut deutscher Mann dahingegangen. R. i. p. (Ruhe in Frieden)

Freundliche Mitteilungen des obengenannten Herrn Sanitätsrats Dr. Bauer, die die Frau Witwe durch folgende ergänzt hat und die auch erwähnenswert sind:

 

Martin Geyh sen. war das älteste von drei Geschwistern und wurde von seinem Vater für das Progymnasium in Grimma vorbereitet, aus dem er dann in die Fürstenschule übertreten konnte. Dieser und seinen Mitschülern hat er immer große Anhänglichkeit bewiesen. An den solennen (festlichen) Feiern daselbst nahm er teil, wenn es irgend ging, ganz begeistert kam er 1927 von einer Zusammenkunft mit den ehemaligen Klassenkameraden zurück. Als Student der Medizin trat er dem „Paulus“ bei. Erst nach seiner Approbation diente er ein halbes Jahr als „Einjähriger“ im 5. Thüringischen Infanterieregiment zu Jena im Jahre 1893, 1894 vom 1. Juli an war er einjährig –freiwilliger Arzt beim 3. Feldartillerieregiment 32 in Riesa, vom 1. April 1892 bis 30. September 1893 Assistenzarzt am Diakonissenhause Marienstift in Braunschweig unter Professor Dr. Franke, darauf 1895 ¼ Jahr externer Hilfsarzt an der Königl. Frauenklinik zu Dresden unter Geh. Rat Professor Dr. Leopold (A.1860), worauf er sich, wie oben angegeben, am 15. August 1895 in Adorf i. V. als praktischer Arzt niederließ.

 

Adressbuch Adorf 1896

 

Adressbuch Adorf 1925

 

Adressbuch Adorf 1942 mit Witwe und Dr. med. Geyh jun.

 

Seine Ehe mit Frau Margarete geb. Müller aus Dohna, mit der er sich in seinem Vaterhause verlobt hatte, war die 32 Jahre hindurch eine außerordentlich glückliche und daher bedeutete es für die Gattin einen furchtbar schweren Schlag, als man ihn, der sich kurz vorher mit einem Kuß und liebevoller Umarmung von ihr verabschiedet hatte, aus Unterwürschnitz entseelt heimbrachte.“

 

Ein solcher über 90 Jahre alter Nachruf mit dieser Vielzahl von Details zum Leben und Wirken einer Person ist für einen Familienforscher und Interessenten für Regionalgeschichte ein besonderer Fund. Dieser bietet bei Interesse eine Vielzahl von Ansatzpunkten für weitergehende Recherchen.

Zum Beispiel veröffentlichte am 22. Januar 1924 das Versorgungsgericht in Zwickau, dass Dr. med. Martin Geyh in Adorf i.V. als Gerichtsarzt ausgewählt wurde. Heute berufen die Gerichte in Sachsen keine eigenen Gerichtsärzte mehr.

Meine erste „Begegnung“ mit Dr. med. Martin Geyh hatte ich vor vielen Jahren im Historischen Archiv des Vogtlandkreises. In einer Akte bezüglich Umbenennungen von Straßen und Umnummerierungen der Häuser fand sich nachfolgender Brief von Dr. med. Martin Geyh vom 1.2.1936 an Bürgermeister Dönitz.

 

Sehr geehrter Herr Bürgermeister!

 

Hierdurch möchte ich Sie höflichst bitten, dafür Sorge zu tragen, dass in der Adolf Hitler Straße (heute Lange Straße) recht bald die Hausnummerierung ordnungsgemäß durchgeführt wird. Es ist jetzt bei Nacht völlig unmöglich, ein Haus der Nummer nach zu finden. So hat z. B. das Haus des Böttcher Herr (August Max) – Ecke Bergstr. die Nummer 7 u. das Haus des Flaschenhändlers Luck auf der entgegengesetzten Seite der Straße die Nummer 1. Nr. 5 befindet sich neben dem Degenkolbschen Hause. Man weiß also wirklich nicht aus noch ein, wenn man die Bewohner nicht kennt. Auch in der Mehlthau herrschen ähnlich undurchsichtige Verhältnisse.

 

Mit deutschem Gruß

Ihr ergebener Martin Geyh

 

(Quelle HAV Stadt Adorf Nr. 2141)

 

Entsprechend des Datums handelt es sich hierbei um ein Schreiben von Dr. med. Geyh jun.

Als Familienforscher kann ich Dr. med. Geyh mit seinem Anliegen gut verstehen. Nicht nur einmal wunderten wir uns über den häufigen Wohnungswechsel einzelner Personen in früheren Zeiten. Erst später erkannten wir Schritt für Schritt, dass so manche Anschriftenänderung  lediglich verwaltungstechnisch bedingt war.

 

Klaus-Peter Hörr

Januar 2022