Perlmutterwarenfabrikant
Heinrich Adler (*15. Dezember 1852 Tachau/Böhmen,
† 29. September 1925 Tachau/Böhmen) Tachau, Galtendorf, Bärnau, Adorf und Wales |
Der
Perlmutterwarenfabrikant Heinrich Adler gehörte zu den Fabrikanten, die im
böhmisch- sächsisch-bayerischen Grenzgebiet Ende des 19. Jahrhunderts und im
ersten Drittel des 20. Jahrhunderts diesem Industriezweig bedeutende Impulse
gaben. Sein besonderer Schwerpunkt lag hierbei auf der
Perlmutterknopfherstellung, die in Adorf immer eine untergeordnete Rolle
spielte. Kurz vor der Annexion des Sudetenlandes im Jahre 1938 durch
Deutschland verlagerte sein Sohn Rudolf das nun von ihm fortgeführte
Unternehmen nach Wales und legte so den Grundstein dafür, dass das
Unternehmen bis Ende der 1980er/ Anfang der 1990er Jahre als Knopffabrik
überlebte. Zur Familiengeschichte
von Heinrich Adler finden wir im Ahnenforschungsportal „ancestry“
einen Stammbaum. Heinrich Adler wurde als
sechstes Kind von Jacob und Theresia Adler geb. Hirsch am 15. Dez. 1852 in Tachau/Böhmen geboren. Josef Schön bezeichnet in der
„Geschichte der Juden in Tachau und Umgebung“
Heinrich Adler als den eigentlichen Begründer der Perlmutterindustrie in Tachau. Es ist davon auszugehen, dass Heinrich Adler ein
Kind jüdischer Eltern war. Am 17. Juni 1881
heiratete er Elvira Fanny Buchsbaum und hatte mit ihr in 11 Ehejahren sieben
Kinder. Nach dem Tod seiner Frau heiratete er am 11. März 1894 in Wien die in
Konya/ Türkei geborene Marie Monath. Mit ihr hatte er weitere fünf Kinder. Eine mit Dezember 1992
datierte Familien- und Firmengeschichte von T. Adler aus Aberthin, beschreibt die Anfänge der Firma
Heinrich Adler und die weitere Entwicklung bis in die 1990er Jahre. Bei T. Adler handelt es
sich nach meiner Auffassung um Thomas Adler (1928-2015), einem Enkel von
Heinrich Adler. Laut dieser
Familiengeschichte war die Familie Adler seit Mitte des 18. Jahrhunderts in Tachau ansässig und betrieb dort ein Speditions- und
Eisenwarenhandelsunternehmen. Im Jahre 1888 kaufte Henry (Heinrich) Adler die
in Liquidation gegangene Firma Zweig-Frankfurter & Co. Diese
Perlmutterknopffirma hätte 1871/1872 ihren Sitz von Wien nach Tachau verlegt. Sie war mir bisher nur aus Graslitz/Böhmen bekannt. |
Zeitungsanzeige „Der Grenzbote - Wochenblatt für
Adorf und Neukirchen“ vom 15. Oktober 1879 |
Im Jahre 1883 wurde eine
Zweigniederlassung der Firma Zweig-Frankfurter & Co. in Schöneck/Vogtl. in das Handelsregister eingetragen.
Zeichnungsberechtigt waren Ludwig Zweig und Jonas Frankfurter aus Wien sowie
Arth. Korompay aus Graslitz. Mit diesem Schritt wurde
auf die hohen Einfuhrzölle auf Perlmutterwaren reagiert. Heinrich Adler
modernisierte das Unternehmen in Tachau und machte
es unabhängig von den Exporthäusern in Wien. Er stützte seinen Vertrieb auf
eigene Vertreter auf den relevanten Märkten. Neben den Perlmutterknöpfen
fertigte er auch Knöpfe aus diversen anderen Materialien. Eines seiner Hauptabsatzgebiete war England. Laut einer Anzeige vom
Dezember 1908 begann Heinrich Adler seine geschäftlichen Aktivitäten in der
Perlmutterbranche im Jahre 1889 mit 37 Jahren mit der Gründung seiner Firma
in Tachau. Im Jahre 1897 kamen Standorte in Galtendorf und Bärnau hinzu. Ein Bericht in der
Leipziger Monatszeitschrift für Textil-Industrie vom 22. Juni 1898 berichtet
darüber, dass Heinrich Adler seine Perlmutterknopffabrik in Tachau umbaut um dort eine Flachsspinnerei einzurichten.
Dies deutet darauf hin, dass er seine geschäftlichen Aktivitäten auf mehrere
Zweige ausrichtete. Im Adressbuch Adorf von
1904 findet sich eine Geschäftsanzeige, die darüber informiert, dass Heinrich
Adler die ehemalige Perlmutterwarenfirma J. K. Schneider in Adorf übernommen
hat und Perlmutterknöpfe und Perlmutterwaren anbietet. Weitere Standorte
waren damals weiterhin Tachau und Galtendorf in Böhmen und Bärnau
in Bayern. |
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Am 28. Oktober 1904
wurde sein Perlmutterwarengeschäft in das Handelsregister in Adorf
eingetragen. Seinen Standort hatte das Geschäft in Adorf am Pfortenberg
Brandkatasternummer 308. |
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Auf obigen Stadtplan
nach dem Brand von 1856 erraten wir die Nummer 308 über der 309. Von der
Elsterstraße aus gesehen ist es auf dem Pfortenberg das vierte Grundstück von
oben rechte Seite. Im Historischen Archiv
des Vogtlandkreises wird im Bestand Adorf 2604/Bd.29 darüber berichtet, dass im Jahre 1906 die
Motoren der Firma solch schreckliche Geräusche verursachten, dass selbst bei
geschlossenen Fenstern in der Schule nicht unterrichtet werden kann. Mit
diesen Motoren wurden sicherlich die Maschinen zum Schleifen, Drehen und
Bohren der Muscheln angetrieben. Um am Markt erfolgreich zu sein, besuchte Heinrich Adler auch die
Leipziger Messen. Ich fand die Firma in den Mess-Adressbüchern für die Oster-Vormesse und die Michaelismesse des Jahres 1905 als
Aussteller unter den Rubriken Perlmutter-Knöpfe und Perlmutterwaren. |
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Laut diesem Eintrag sieht es so aus, dass am Standort in Adorf nur
Perlmutterwaren und keine Perlmutterknöpfe gefertigt wurden. Der
Messeauftritt 1905 in Leipzig war der einzige, den ich finden konnte. Laut
der bereits zitierten Anzeige aus dem Jahre 1908 hat er sein Exportgeschäft
über Vertretungen im Ausland organisiert. Damit war der Messebesuch in
Leipzig eventuell für seine geschäftlichen Aktivitäten nicht erforderlich. Wie bei vielen anderen Firmen war die Perlmutterwarenfertigung am
Standort Adorf auch für Heinrich Adler nur ein zeitlich begrenztes
Engagement. Eine Anzeige vom 21. August 1907 informiert über den Verkauf des
kompletten Inventars und des gesamten Materials in Adorf. |
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Dies war aber nicht das Ende für das Perlmutterwarengeschäft von
Heinrich Adler. Eine Anzeige im Pilsner Tageblatt vom 2. Dezember 1908 zeigt, dass er
seine Aktivitäten an den Standorten Tachau, Galtendorf und Bärnau weiter verfolgte. Am 17. Novemberv 1912 wurde im Pilsner
Tageblatt gemeldet, dass „die
Perlmutterknopffabrikanten Steiner & Komp.,
Hermann Popp und Heinrich Adler in Tachau infolge
der trotz des schlechteren Geschäftsganges neuerlich erhöhten
Steuervorschreibungen beschlossen, ihre Betriebe einzustellen“. Das muss aber nur eine vorübergehende Entscheidung gewesen sein. Laut T. Adler verlief der geschäftliche Übergang im Jahre 1918 von
Österreich-Ungarn auf die neu gegründete Tschechoslowakei relativ geordnet
und schmerzlos. Dies betraf sowohl die Firmen in Tachau
und Galtendorf als auch im bayerischen Bärnau. Ein Handelsregistereintrag des Amtsgerichtes Weiden vom 28. August
1923 informiert darüber, dass die Firma „Heinrich Adler“ erloschen ist. Neu
eingetragen wurde die Firma „Heinrich Adler’s
Söhne“ Zweigniederlassung Bärnau mit
Hauptniederlassung Tachau. Gesellschafter sind
seine ältesten Söhne August und Ernst Jacob Adler. Ich vermute, dass sich der am 25. September 1925 verstorbene Heinrich
Adler zu diesem Zeitpunkt aus dem geschäftlichen Leben zurückgezogen hatte
und dieses den Söhnen übergab. |
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Laut T. Adler kam es um 1926/27 zu einer Vermögensaufteilung zw. den
Brüdern des verstorbenen Vaters Heinrich Adler. In diesem Zusammenhang wurde
der Standort Tachau verkauft. Sohn Rudolf Adler
erwarb die Fabriken in Galtendorf und Bärnau. Zusammen mit seiner Frau baute er den Standort Galtendorf kontinuierlich aus. Um 1930 waren
Perlmutterknöpfe weiterhin ein fester Bestandteil des breiten Sortiments. Am 7. Februar 1930 berichtet das Neue Wiener Journal, dass die seit
1898 bestehende „Perlmutterknöpfe- und Perlmutterwarenfabrik Heinrich Adler
& Sohn“ in Tachau um Einleitung des
Ausgleichsverfahrens ersucht. Die Passiva werden mit mehr als zwei Millionen Tschechenkronen angegeben. Weiterhin wird informiert,
dass das Unternehmen auch in Wien eine Filialfabrik besitzt und die größte
Perlmutterfabrik in der Tschechoslowakei sei, die bis vor kurzem in Summe
tausend Arbeiter beschäftigte. |
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Die „günstige Lage“ der Standorte Tachau und
Bärnau beiderseits der deutsch-tschechischen Grenze
weckte auch bei den Adlers Begehrlichkeiten um die wirtschaftliche Situation
des Unternehmens zu verbessern. Die „Innsbrucker Nachrichten“ berichteten am 1. Dezember 1932, dass
der deutsche Zoll den bekannten Perlmutterknopffabrikanten Rudolf Adler aus Tachau beim Schmuggel ertappte. Rudolf Adler soll seit
Jahren Perlmutterwaren aus der Tschechoslowakei zollfrei nach Deutschland
geschmuggelt und diese als deutsches Erzeugnis zu Lasten der einheimischen
Industrie verkauft haben. Nach Abschluss des Prozesses sollte die
Niederlassung in Bärnau geschlossen werden. Dies
erfolgte am 14. August 1935 durch das Amtsgericht Weiden. |
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Der bereits erwähnte
Rudolf Adler, geb. 1897, baute den Standort Galtendorf
zusammen mit seiner Ehefrau Marianne, geb. Elbogen,
Tochter eines Generals in einem österreichisch–ungarischen Sanitärkorps,
kontinuierlich aus. Im Jahre 1937 hatte sich die Fabrik gegenüber dem Stand
von 1927 verdoppelt. Man beschäftigte ca. 250 Vollzeitkräfte und ca. 150
Heimarbeiter. Die sich verschlechternde politische Lage in den
deutschsprachigen Gebieten der Tschechoslowakei veranlasste Rudolf Adler eine
Verlegung der geschäftlichen Aktivitäten ins Ausland zu planen. Bei diesen
Planungen unterstützte ihn der britische Konsul in Reichenberg/Liberec. Die
Wahl für den neuen Standort fiel auf Merthyr Tydfil in Südwales. Dort wurde die Firma „Welsh Products Limited“ gegründet. Kurz vor der Annexion
des Sudetenlandes durch Deutschland im Jahre 1938 war der Umzug der Firma
abgeschlossen. Obwohl der Standort in einem strukturschwachen Gebiet ohne
Traditionen in der Leichtindustrie lag, entwickelte sich das Unternehmen
erfolgreich. Im Jahre 1939 arbeiten in der dortigen Firma ca. 75 Mitarbeiter
und 40-50 Heimarbeiter, die Knöpfe aus unterschiedlichen Materialien auf
Karten nähten oder auch bemalten. Der Kriegsbeginn im September 1939 bremste
die weitere Entwicklung des Unternehmens. Nach dem Ende des Krieges wurde der
Ausbau des Unternehmens erfolgreich fortgesetzt. Im Jahre 1948 sollen 130
Personen und 50 - 80 Heimarbeiter beschäftigt gewesen sein. Im Jahre 1970
wurde der Pachtvertrag für die Immobilien um 21 Jahre verlängert. Ob die
Firma bis zum Ende des Pachtvertrages 1991 existierte, kann nicht mit
Bestimmtheit gesagt werden. Die „Western Mail“ vom 27. März 1995 berichtete
in einem kurzen Artikel, dass die Knopffabrik Welsh
Products nach Jahren des Verfalls abgerissen wird. Das Gebäude war eines der
ersten modernen Fabrikgebäude der Stadt. Einen Einblick bzw.
Überblick über die Firma „Welsh Products Limited“
bietet die Internetseite http://www.alangeorge.co.uk/welsh_products.htm (Stand
August 2022) Leider wird hier nicht
auf die kurzen Aktivitäten von Heinrich Adler in Adorf eingegangen. Die Familien- und
Firmengeschichte von T. Adler aus dem Jahre 1992 stimmt mit einigen Fakten
aus anderen Dokumenten, die Basis dieses Artikels sind, nicht in jedem Falle
zu 100% überein. Für die Grundaussage des Artikels sollte dies nicht
schädlich sein. Vielleicht können einige Punkte bei weitergehenden Recherchen
geklärt werden. Vielen Dank an Kerrie
Richards aus Australien, die mir den Text von T. Adler aus dem Jahre 1992 zur
Verfügung gestellt hat. Klaus-Peter Hörr September 2022 |