Gesangsverein Lyra Adorf i.V.

 

Schaut man in das Adressbuch von Adorf i. V. des Jahres 1925 stellt man unter der Rubrik „Vereine“ fest, dass die Einwohner von Adorf in den „goldenen“ 20er Jahren des 20. Jahrhunderts sangesfreudige Bürger waren.

Mit den Gesangsvereinen Liederkranz, Lyra, Harmonie, Sängerlust, der Freien Sängervereinigung, der Sängervereinigung der Lokomotivführer, dem Kirchenmusik- und Konzertverein sowie dem Katholischen Kirchenchor Caecilia sind hier allein 8 Gesangsvereine und Chöre aufgeführt. Wir können davon ausgehen, dass auch in anderen Vereinen gesungen wurde. Allein der Name „Klub Fidele Brüder“ dürfte dies bestätigen. Was wissen wir heute noch von diesen Vereinen?

In der Jubiläumsausgabe des Adorfer Grenzboten vom 24. September 1934 finden wir neben der Geschichte des Gesangsvereins Liederkranz und des Kirchenmusikvereins zu Adorf i.V. auch interessante Informationen zur Geschichte des Gesangsvereins Lyra.

Die Gründungsgeschichte wird vom damaligen Vereinsvorsitzenden Adolf Hoyer wie folgt beschrieben:

 

„Am 11. September 1885 fanden sich im Schützengarten, anläßlich des Abschießens der Schützengesellschaft folgende Herren zusammen: Louis Piering, Seilermeister, Fritz Galsterer, Buchbindermeister, Ernst Neumeister, Schieferdecker, Albin Schreckenbach, Sticker, August Schreckenbach, Sticker, und Robert Liebel, Schuhmachermeister. Es wurde beschlossen, im Hotel Ruderisch eine Kegelpartie zu spielen. Bei dieser Gelegenheit wurden einige Lieder wild gesungen. Da es ihnen scheinbar Freude bereitete, so entschlossen sie sich, einen neuen Gesangsverein zu gründen. Am 24. September wurde der Verein im damaligen Feldschlößchen unter dem Namen „Lyra“ aus der Taufe gehoben. 1. Vorsteher war Herr Lehrer König…“

So einfach war das damals. Das Hotel Ruderisch war das spätere Hotel Victoria.

 

In ihrer ersten Singstunde waren bereits 20 Sänger anwesend. Begonnen wurde mit dem Einstudieren der „Lorelei“ von Heinrich Heine.

 

„Ich weiß nicht was soll es bedeuten
Daß ich so traurig bin;
Ein Märchen aus alten Zeiten,
Das kommt mir nicht aus dem Sinn…“

 

Hier sieht man gleich den hohen Anspruch, den die Sänger an ihr Repertoire stellten. Dass die Mitglieder des Vereins ernsthaft ans Werk gingen, beweist die Tatsache, dass sie sich zweimal die Woche zur Singstunde trafen. Ihren ersten öffentlichen Auftritt hatten sie am 10. Januar 1886 zum Stiftungsfest des Gewerbevereins. Bereits am 22. August des gleichen Jahres gaben sie im „Daheim“ in Bad Elster ihr erstes öffentliches Konzert. Laut Information der Stadtverwaltung Bad Elster war das damalige „Hotel Daheim“ das heutige „Central-Hotel“ in der Johann-Christoph-Hilf-Straße.

Ab Oktober 1886 wurde Geld für eine Vereinsfahne gesammelt. Die Fahnenweihe erfolgte am 17. August 1890 mit 600 Gästen. Unter der Maßgabe, dass es zu keiner Beeinträchtigung des öffentlichen Verkehrs komme, durfte der Verein für seine Fahnenweihe auch die öffentlichen Straßen nutzen.

Ob diese Fahne der im Perlmutter- und Heimatmuseum hängenden Fahne des Gesangsvereins Liederkranz ähnelte?

Im März 1889 zählte der Gesangsverein Lyra bereits 60 Mitglieder.

 

Seine Aktivitäten beschränkte der Verein nicht nur auf Adorf und die nähere Umgebung. Er beteiligte sich an den Bundessängertreffen in Schleiz, Reichenbach und Treuen und pflegte stets enge Kontakte zu anderen Gesangsvereinen von Adorf und des gesamten Vogtlandes.

Nach 23 Jahren legte am 1. Mai 1910 Leonhard Bang sein Amt als Vorstand nieder. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Verein bereits 98 Mitglieder.

An der Feier zum 25jährigen Jubiläum nahmen Vereine aus Asch, Selb, Oelsnitz, Erlbach und Schöneck teil.

Am 4. Mai 1911 hatte der Gesangverein die Ehre, Sr. Majestät König Friedrich August ein Ständchen zu singen. Sr. Majestät war von diesem Ständchen so angetan, dass er sich anschließend in leutseliger Weise mit den Herren Hessel, Krippner und Kohle unterhielt.

1913 führte der Gesangsverein die Operette „Die Schlacht im Teutoburger Wald“ mit großem Erfolg auf.

Der 1. Weltkrieg unterbrach das regelmäßige Singen. Dieses wurde 1919 wieder unter Leitung des 1916 gewählten ersten Vorstehers Adolf Hoyer aufgenommen. Im Adressbuch von 1942 wird Adolf Hoyer weiterhin als Vorstand des Vereins aufgeführt. Im Adressteil verschiedener Jahrgänge ist er aber nie als Einwohner von Adorf zu finden. Hatten sich die Sänger ihren Vorsitzenden aus einem anderen Ort „geborgt“? War er eventuell ein Bogenmacher aus Markneukirchen?

Die Jahre der Inflation gingen nicht spurlos am Verein vorüber. Die Sänger hatten nicht das Geld, um sich ein Glas Bier bei den Proben zu teilen. Im Jahr 1923 waren die Mitgliederzahlen auf 63 aktive und 50 passive angestiegen.

1925 nahmen 18 Sänger      am Sängerfest in Dresden teil. 1928 fuhren sogar 32 Sänger erstmalig zu einem Deutschen Sängerfest nach Wien.

 

Dresden 1925, Sammlung Perlmutter- und Heimatmuseum Adorf

Wien 1928, Sammlung Perlmutter- und Heimatmuseum Adorf

 

Sammlung Klaus-Peter Hörr

 

Dies muss ein so nachhaltiges Erlebnis gewesen sein, dass sie im Februar 1929 einen Faschingsabend unter dem Motto „Eine Nacht in Grinzing“ veranstalteten.

 

Die wirtschaftliche Situation des Jahres 1932 erlaubte es nicht, zum Deutschen Sängerfest in Frankfurt/Main mit einer ähnlich starken Mannschaft wie 1928 nach Wien zu fahren. Nach Frankfurt fuhren 2 Sänger mit dem Rad und erregten beim Festumzug mit Rad und Fahne begeistertes Aufsehen.

 

 

 

 

Beide Fotos Sammlung Perlmutter und Heimatmuseum Adorf

 

 

 

Hierfür benötigten sie sicherlich nicht nur einen langen Atem, sondern auch stramme Waden. Wer waren diese zwei radelnden Sänger?

Wie ging es nach 1934 mit dem Verein weiter?

Was wurde aus den umfangreichen Vereinsunterlagen, aus denen Adolf Hoyer 1934 in seinem Artikel zitierte?

Ob es gelingt, die Vereinsgeschichte bis zum Ende des 2. Weltkrieges fortzuschreiben?

Steffen Dietz vom Perlmutter- und Heimatmuseum würde sich über entsprechendes Material bzw. Informationen freuen.

 

Klaus-Peter Hörr

August 2024