Leipziger
Herbstmesseabzeichen 1941 |
Am
9. August 1941 berichtete das Eibenstocker
Tageblatt in einer kurzen Meldung aus Adorf, dass zur Herbst-Mustermesse das
Messeabzeichen von der heimischen Perlmutterindustrie hergestellt wurde.
Erstmalig wurde eine längliche Form aus Altmetall gewählt, in die Perlmutter
in unterschiedlichen Farben eingelegt wurde. |
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Diese
Tatsache war lange in und um Adorf, dem Zentrum der deutschen
Perlmutterwarenindustrie, unbekannt. In diesem Zusammenhang stellt sich die
Frage, warum die Meldung hierüber bisher nur im Eibenstocker
Tageblatt gefunden wurde. Die Recherchen zum Thema „Messeabzeichen“ zeigten sehr
schnell, dass das Messeabzeichen kein Souvenir, sondern Teil eines sich
ständig entwickelnden Systems war. In einer Meldung vom 7. Februar 1941, ein Datum, zu dem die
Entscheidung über das Abzeichen zur Herbstmesse 1941 bereits längst gefallen
war, lesen wir dazu unter der Überschrift „Leipzig bringt leuchtendes
Messeabzeichen“ folgendes: „Regelmäßig zweimal im Jahr öffnet die Reichsmesse Leipzig
für Tausende von Ausstellern und Zehntausende von Einkäufern ihre Pforten,
die alle ein Messeabzeichen tragen. Auch jetzt werden wieder alle
Vorbereitungen für diese einzigartige Veranstaltung getroffen, die im
Frühjahr vom 2. bis 7. März stattfindet. Stets bringen Aussteller der
einzelnen Branchen auf der Reichsmesse etwas Neues, stets überraschen sie
alle ihre Besucher und machen für den weitschauenden in- und ausländischen
Kaufmann die Reise nach Leipzig zur geschäftlichen Pflicht. Auch diesmal
werden auf der Reichsmesse Leipzig wieder rund 6.500 Aussteller mit ihren
Mustern vertreten sein. Wie die Reichsmesse selbst immer in fortschreitender
Entwicklung steht, so ist auch ihre Leitung darauf bedacht, von Messe zu Messe den
Messeabzeichen stets ein neues Gesicht zu geben, damit sie ein kleines
Spiegelbild der großen Wirtschaftsschau werden, zu deren Besuch sie
berechtigen. In den vergangenen Jahren gab es Messeabzeichen aus Porzellan (Meissner Porzellan, Herbstmesse 1934), Pappe,
Leichtmetall, Bernstein, Glas, Holz und Leder, und jedes von ihnen hat seine
Werbeaufgabe erfüllt. Zur kommenden Messe im Frühjahr werden die
Messeabzeichen besonders interessant sein. Sie sind aus Kunstharzpreßstoff
hergestellt, der zur Hälfte aus Leuchtfarbe besteht. Bei Tag sehen die
Abzeichen weiß aus, und nur das „MM“ in der Mitte hebt sich schwarz ab,
während bei Nacht das große Rund der Plakette sehr stark leuchtet. Diese
Leuchtkraft, so versichert die ostpreußische Herstellerfirma, soll etwa sechs
Monate anhalten. Der Versand der neuen Messeabzeichen ist im vollen Gange.
Die große Anzahl, in der sie angefordert werden, beweist das rege Interesse
des In- und Auslandes an der bevorstehenden Reichsmesse Leipzig im Frühjahr.“ Das leuchtende Messeabzeichen für die Frühjahrsmesse 1942 hatte
für die Besitzer nur einen Sammlerwert, da die Messen ab 1942 kriegsbedingt
eingestellt wurden. Das Messeabzeichen ist nicht nur ein kleines Spiegelbild der
großen Wirtschaftsschau. Es hatte über die Jahre eine Vielzahl ständig
angepasster Funktionen. Es diente als Zugangsberechtigung zu den Messehäusern, als
Voraussetzung für ermäßigte Fahrscheine bei der Bahn und diverse Rabatte und
Vergünstigungen. Im Straßenbild zeigten die Träger des Abzeichens deutlich
die Bedeutung des Messeplatzes Leipzig für den nationalen und internationalen
Handel. Die Anzahl der verkauften Abzeichen diente als Beleg für die Anzahl
der Summe an Ausstellern und Besuchern/Einkäufern. Hierzu ergaben Recherchen
folgende Zahlen: |
u 1921 Herbstmesse
: Zu
Beginn 85.000 Stück, am Messemontag
bereits 100.000 Stück
u 1922 Frühjahrsmesse : ca.
200.000 Stück für Geschäftsleute und Ehrenkarten... u 1927 Herbstmesse
:
148.000 Stück für Geschäftsleute und Ehrenkarten... u 1938 Frühjahrsmesse : Zur
Eröffnung bereits 150.000 Stück Die recherchierten Preise
für die Messeabzeichen und den damit berechtigten Leistungen variierten
entsprechend und müssen auch immer im historischen Kontext gesehen werden. u 1920 Herbstmesse
:
15,- M Vorverkauf, danach 20,-M, ab Messedonnerstag
10,- M u 1922 Herbstmesse
:
Vorverkauf 25,- M, danach 50,- M u 1923 Herbstmesse
: bis
11.8.1923 20.000,- M, danach 1,- Friedensmark u 1924 Frühjahrsmesse: Vorverkauf 3,- M, danach 6,- M u 1924 Herbstmesse
:
Vorverkauf 5,- Goldmark, danach 10 Goldmark u 1925 Frühjahrsmesse: Vorverkauf 3,- M, danach 5,- M und
zur Messe 10,- M,
in der zweiten Messehälfte ermäßigte Preise u 1926 Frühjahrsmesse: Vorverkauf 5,- M bzw. 3,- bei
Rückgabe des vorjährigen Messeausweises inkl. Abzeichen, in Leipzig
Tageskarten möglich u 1928 Frühjahrsmesse: Vorverkauf 3,- M, danach 5,- M, in
Leipzig höherer Preis u 1929 Herbstmesse
:
Vorverkauf 3,- M, danach 5,- M, in Leipzig höherer
Preis, in Leipzig auch verbilligte Tageskarten möglich |
Zum
Leidwesen der Messeveranstalter wurden noch gültige Messeabzeichen von vielen
Messebesuchern, die die Messe vor Abschluss verließen, unkompliziert
„entsorgt“. Diesen Umstand machten sich viele Leipziger zunutze und
„stürmten“ an den letzten Messetagen preiswert die Messehäuser. Dies förderte
nicht immer das kaufmännische Messegeschäft. Im
Jahr 1925 gab es von Werbefachleuten die Idee, für Einzelhändler,
Großhändler, Fabrikanten Laien u.a. Gruppen unterschiedliche Abzeichen
anzufertigen. Damit sollte gewährleistet werden, dass der Verkäufer gleich
auf den ersten Blick sehen kann, wer Interesse an seinen Produkten hat. Diese
Idee wurde aus mehreren Gründen als nicht praktikabel angesehen. In
Bezug auf das eingangs erwähnte Messeabzeichen aus Adorf ergeben sich aus den
oben genannten Hintergründen einige Fragen. In
den Jahren 1940/41 lag die einst blühende Perlmutterwarenindustrie in Adorf
durch die große Abhängigkeit von Rohstoffimporten aus dem Ausland und durch
eingeschränkte Exportmöglichkeiten durch den Krieg danieder. Die einstige
Industrie war nur noch ein Handwerk unter vielen. War
die Möglichkeit der Fertigung des Messeabzeichens für die Herbstmesse 1941
ein Ergebnis des Besuches von Beauftragten der Landesregierung im Jahre 1938
in Adorf? Dieser Besuch diente der Prüfung von Möglichkeiten für das
„Wiederaufblühen dieses alten Handwerks voller Kunstsinn und Geschmack.“
Hatten sich die Stadt Adorf oder die Perlmutterwarenproduzenten von Adorf für
die Erstellung des Abzeichens beworben? Auf
verschiedenen Onlineplattformen werden diese Messeabzeichen heute gehandelt. |
Foto
Perlmutter- und Heimatmuseum Adorf |
Die
damalige längliche Gestaltung beweist durchaus eine gelungene Verbindung
zwischen Kunstsinn und Geschmack und könnte durchaus auch heute noch zum
Einsatz kommen. Auf dem Abzeichen ist zu erkennen, dass die Leipziger Messe
damals den Namen „Reichsmesse Leipzig“ trug. Anhand der verschiedenen
angebotenen Abzeichen ist ersichtlich, dass die Perlmuttereinlage immer eine
andere Farbe bzw. Schattierung besitzt, eine Tatsachen,
die bei Verwendung eines Naturproduktes auch nicht anders sein kann. |
Foto Perlmutter- und Heimatmuseum Adorf |
Auf
der Rückseite des Abzeichens wird auf den Termin für die nächste Messe
hingewiesen. Die Frühjahrsmesse 1942 fand, wie oben bereits erwähnt, nicht
mehr statt, da man sich in Deutschland darauf konzentrierte, neue Märkte mit
militärischer Gewalt und nicht nicht durch
friedlichen Handel zu gewinnen. Weiterhin
finden wir hier eine Nummer, die bei jedem angebotenen Abzeichen
unterschiedlich ist. Es
gibt Abzeichen, die mit einer dazugehörigen Ehrenkarte angeboten werden und
eine niedrige vierstellige Nummer aufweisen. Andere haben eine Nummer kurz
vor der 90.000. Die oben aufgeführten Zahlen für die erforderlichen
Messeabzeichen für Besucher und Ehrengäste lassen vermuten, dass durchaus
eine Gesamtmenge von 100.000 -150.000 Stück produziert werden musste. Bei
Stückzahlen von 100.000 -150.000 stellt sich die Frage, durch wen die
Abzeichen in dieser Größenordnung gefertigt wurden? Das Prägen des Abzeichens
sollte nicht das Problem gewesen sein. Es musste aber für jedes Abzeichen
eine Perlmuttereinlage passend zugeschnitten, bearbeitet und eingeklebt
werden. Hierzu sind gewisse Grundkenntnisse und Fähigkeiten erforderlich. Gab
es hier eine Arbeitsteilung mit entsprechenden Firmen in Markneukirchen, die
Erfahrung bei der Herstellung von Abzeichen in großen Mengen hatten? Gab
es mehrere Auftragnehmer für die Herstellung der Perlmuttereinlagen? War dies
eine ganz normale Tätigkeit für Heimarbeiter? Gab es für diesen Auftrag eine
Extramaterialzuteilung für das stark reglementierte Importmaterial? Wegen
Material- und Personalmangel konnten die nur noch auf sehr geringem Niveau
existierenden Adorfer Perlmutterwarenfirmen
eigentlich einen solchen Auftrag allein nicht stemmen. Laut obigen Text vom
7. Februar 1941 wurden die ersten Abzeichen bereits ein Jahr vor Messebeginn
verkauft. Das bedeutet, dass der Auftrag für diese Abzeichen ca. 1 ½ Jahre vor Messebeginn vergeben
wurde und es eine Fertigung und Auslieferung über einen längeren Zeitraum
gegeben hat. Ein
kritischer Blick auf die jeweiligen Abzeichennummern
lässt vermuten, dass diese per Hand mit unterschiedlichen Schlagzahlen bzw.
Wechselwerkzeugen eingeschlagen wurden. Ist dies gleichzeitig ein Hinweis auf
mehrere Produzenten mit eigenem Nummernkreis? Ob
die Adorfer Perlmutterwarenfirmen Louis Nicolai KG.
und G. & Max Rauh wie 1940 auch 1941 an der
Messe teilgenommen haben, konnte noch nicht belegt werden. Ich
vermute, dass die Fa. Präwema bzw. ihre
Vorgängerfirma aus Markneukirchen an diesem Auftrag beteiligt gewesen sein
könnte. Ich schließe dies daraus, dass die Zeitung „Neue Zeit“ vom 18.
Februar 1951 unter der Überschrift „Geprägt, geschnitten und dann gelocht“
darüber berichtet, dass die Präwema 316.000
Messeabzeichen für dieses Jahr lieferte. Eventuell erinnerte man sich an den
Auftrag für das Abzeichen 1941. Auch
für die Jubiläumsmesse 1965 kam das Messeabzeichen aus der Präwema in Markneukirchen. Diese beiden Abzeichen sind
gleichfalls im Internet als Abbildung und zum Kauf zu finden. Ist
jemanden aus alten Erzählungen etwas zu diesem Auftrag für das Adorfer Perlmutterwarenhandwerk bekannt? Das Perlmutter-
und Heimatmuseum Adorf würde sich über ergänzende Informationen freuen. Klaus-Peter
Hörr September
2024 |