Von der Restauration „Zur Staffel“
zum
Hotel und Restaurant „Zum Griechen“
Die „Staffel“ in Adorf gehört zu den ältesten Gaststätten in Adorf. Ob die Bezeichnung „Gaststätte“ zu jeder Zeit zu 100% korrekt war, kann ich nicht beurteilen. Laut Adressbuch von 1904 unterschied man zwischen Gasthöfe, Gastwirtschaften und Schankwirtschaften. Überlassen wir die korrekte Einordnung den Fachleuten am Stammtisch.
Die Akte 2607 Bd. 31 zur Staffel der Stadt Adorf im Historischen Archiv des Vogtlandkreises beginnt mit einem Schreiben vom 4. Juli 1876. Der erste Wirt war Ernst Guido Lots. Nach dem Erlernen des Fleischerhandwerks eröffnete er im Hause seines Schwiegervaters Tischlermeister Woldert eine Fleischerei und erhielt kurz darauf die Schankgerechtigkeit. Im Adressbuch von 1896 wird Guido Lots als Restaurateur und Hauseigentümer des Hauses Hohestr. 15 aufgeführt. Ab 1885 finden wir in den alten Akten eine Vielzahl von Protokollen zur Überprüfung der Bieranlagen. Das bedeutet, dass das deutsche Reinheitsgebot schon damals beim Bierbrauen nicht aufhörte.
Den Namen „Staffel“ soll die Gaststätte nicht aus dem Grund bekommen haben, weil das Bierglas von Gast zu Gast wie ein Staffelstab weitergegeben wurde, sondern von seiner Eingangstreppe, die im alemanischen Sprachgebrauch als Staffel bezeichnet wurde. Einzigartig ist heute der Umstand, dass sich die Eingangstreppe an der Giebelseite des Hauses zur Straße hin befindet. Im Perlmutter- und Heimatmuseum der Stadt Adorf kann man am alten Stadtmodell von 1629 sehen, dass dies früher eher die Regel war. Damals wurden die Steuern entsprechend der Häuserbreite an der Straßenfront berechnet. So baute man die Häuser damals in die Tiefe des Grundstücks. Das Rathaus hat zwar auch eine Treppe zum Markt, ist aber ein Eckhaus.
Mit seinen ausgeschänkten Biermengen lag die Staffel unter Guido Lots im Vergleich zu den anderen Gaststätten in Adorf Ende des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts eher im hinteren Bereich. Es ist ersichtlich, dass sich Jahr für Jahr die ausgeschänkten Mengen verringerten. Lager- und böhmische Biere spielten im Angebot eine untergeordnete Rolle. Ob diese Entwicklung ihre Ursache im Zugang über die „Staffel“ hatte? Nach dem Genuss einiger Gläser Bier könnte von dieser eine nicht unerhebliche Stolpergefahr ausgegangen sein.
Jahr |
Staffel-Wirt |
Einfach in l |
Lager in l |
Böhmisch in l |
Summe in l |
1897 |
Lots, Guido |
35.641 |
1.180 |
200 |
37.021 |
1898 |
Lots, Guido |
31.545 |
0 |
0 |
31.545 |
1899 |
Lots, Guido |
26.989 |
500 |
100 |
27.589 |
1900 |
Lots, Guido |
23.008 |
530 |
119 |
23.657 |
1901 |
Lots, Guido |
21.433 |
411 |
210 |
22.054 |
1902 |
Lots, Guido |
17.306 |
518 |
879 |
18.703 |
1903 |
Lots, Guido |
k.A. |
k.A. |
k.A. |
k.A. |
1904 |
Lots, Guido |
16.977 |
0 |
1.222 |
18.199 |
Am 30. September 1906 übernahm Richard Adler die Lots’sche Restauration und versprach, seine Gäste mit besten Speisen und Getränken zu versorgen und bot sein Gesellschaftszimmer geehrten Vereinen und Clubs an.
Seinen Ankündigungen ließ er Taten folgen. Vom regelmäßigen Bockbierfest mit schneidiger Damenbedienung über das Kaffee-Kränzchen bis zum Zickelbraten reichte sein Angebot.
Nach der Übernahme der Gaststätte durch Richard Adler stieg der Bierkonsum seiner Gäste wieder an. Woran mag das gelegen haben? Wechselte er die Biersorten, war die Köchin besser oder die Bedienung flotter? Eventuell gewann er auch mehr Vereine oder Clubs für sein Gesellschafts- bzw. Vereinszimmer. Auf alle Fälle waren seine Gäste wieder hauptsächlich Freunde des Einfachen. Erstaunlich, dass Elise Adler nach dem Tode ihres Mannes bis zum Beginn des ersten Weltkrieges den Bierverkauf wieder erhöhen konnte. War sie die flottere Wirtin?
Jahr |
Name |
Einfach in l |
Lager in l |
Böhmisch in l |
Summe in l |
1905 |
Adler, Richard |
19.574 |
207 |
1.529 |
21.310 |
1906 |
Adler, Richard |
25.445 |
2.910 |
0 |
28.355 |
1907 |
Adler, Richard |
21.206 |
2.355 |
571 |
24.132 |
1908 |
Adler, Richard |
20.210 |
2.609 |
625 |
23.444 |
1909 |
Adler, Richard |
15.544 |
2.270 |
527 |
18.341 |
1910 |
Adler, Richard |
17.000 |
1.235 |
353 |
18.588 |
1911 |
Adler, Richard |
14.905 |
2.158 |
0 |
17.063 |
1912 |
Adler Richard |
13.553 |
1.710 |
0 |
15.263 |
1913 |
Adler, verw. |
17.115 |
3.317 |
0 |
20.432 |
1914 |
Adler, verw. |
15.580 |
2.280 |
0 |
17.860 |
Warum Richard Adler in den städtischen Unterlagen für die Erfassung der verkauften Biermenge zur Berechnung der entsprechenden Steuer bereits 1905 auftaucht, kann heute nicht mehr geklärt werden.
Im September 1920 informiert der Adorfer Grenzbote über die Geschäftsübernahme des frisch renovierten Gasthauses „Zur Staffel“ durch den aus Mehltheuer stammenden Richard Bellmann.
Auch für ihn war die Bockbierzeit eine wichtige Zeit. Der echte Bockbierfreund kam natürlich mit zünftiger Bockbiermütze. Zu Ostern traf man sich zum Frühschoppenkonzert.
Bei Richard Bellmann wurde nicht nur Bier getrunken und gut gegessen. Die alten Akten berichten auch von Anzeigen wegen unerlaubten Glückspiels und zeitweiliger Rücknahme der Schankerlaubnis. Unsere Großväter und Urgroßväter hatten es in den sogenannten „Goldenen Zwanzigern“ nicht einfach. Sie konnten nicht lange überlegen, ob sie ein Bier trinken gehen oder nicht. Die Preise stiegen vom 6. August 1922 bis zum 31. August 1931 in astronomische Bereiche. Möge dies heute und in Zukunft den Freunden des Gerstensaftes erspart bleiben.
Aus den Nachrufen zum Tode von Richard Bellmann im Jahre 1925 erfahren wir, dass er beim Pfeifenklub Rauchlust ein hohes Ansehen genoss und Mitglied des Konzertinavereins Germania war.
Nach dem Tod von Richard Bellmann übernahm sein Sohn Erich Bellmann den Staffelstab von seinem Vater. Ob er mit seinem „Urtyp Hollerbock“ aus der Adorfer Holler-Brauerei den Geschmack seiner Gäste getroffen hat? Seine Preise für den Sieger des Skatturniers waren auf alle Fälle nach dem Geschmack der Spieler und eventuell eine gute Erklärung gegenüber den Ehefrauen für die vielen Trainingsabende.
Aufnahme Archiv Werner Pfretzschner
Ansicht ca. 1938
Laut den städtischen Unterlagen wurde der Schankbetrieb im Jahre 1939 eingestellt. Dies erklärt, dass wir die „Staffel“ im Adressbuch von 1942 nicht mehr finden. Im Einwohnerteil wird Erich Bellmann aber noch als Gastwirt der „Staffel“ in der umbenannten und neu nummerierten Straße geführt.
Nach dem Kriege wurde die „Staffel“ als Wohnhaus genutzt und in die Bausubstanz kaum etwas investiert.
Am 19. Mai 1950 wird die Zwangsversteigerung des Grundstückes für den 29. August 1950 angezeigt. Der Verkehrswert wurde auf 8.000 DM geschätzt. In dem Haus befanden sich damals drei Wohnungen und das Gasthaus zur Staffel.
Der Betrag des höchstzulässigen Gebotes wurde vom Kreisrat Oelsnitz auf 6.525,00 DM festgelegt. Interessant, dass diese Festlegung unterhalb des geschätzten Verkehrswertes lag. Bekam derjenige den Zuschlag, der als erstes diesen Betrag bot?
Wer den Zuschlag bei der Versteigerung im Jahre 1950 erhalten hat, ist mir z. Z. nicht bekannt. Bevor die Stadt Adorf Eigentümerin des Hauses wurde, soll die „Staffel“ der VEB Gebäudewirtschaft Oelsnitz gehört haben. Eventuell hatte diese das Haus 1950 ersteigert und später an die Stadt Adorf verkauft.
Zu Beginn der 1990iger Jahre suchte Werner Pfretzschner eine Alternative für seine Gartenkantine „Volksgesundheit“ und fand sie zum Glück für Adorf in der alten „Staffel“. Mit viel Phantasie, Geld und Nerven wurde aus der Ruine wieder ein Schmuckstück für die Stadt Adorf und seine Gäste. In Archiv von Herrn Pfretzschner befinden sich so manches Fotos vom damaligen Zustand des Hauses und den umfangreichen Umbau- und Sanierungsmaßnahmen. Zum Jahreswechsel 1993 wünschten er und seine Frau all ihren Gästen, Freunden und Bekannten ein gesegnetes Weihnachtsfest.
Sammlung Peter Jacob
Nach über 20 Jahren harter Arbeit für seine Gäste wurden diese von Jahr zu Jahr weniger. Der Kunde forderte neue Konzepte und Veränderung.
Seit 01.10.2016 ist das Hotel und Restaurant „Zur Staffel“ unter dem neuen
Namen „Zum Griechen“ wieder zum Leben erweckt worden. Es ist nicht übertrieben, wenn man heute sagt, dass dem „Griechen“ ein blendender Start gelungen ist. Wer heute bei Theofanis Tzatzakis einkehrt, geht zum Griechen und nicht mehr in die Staffel. Anteil daran haben sicherlich auch die zufriedenen Griechenlandurlauber, die bei den ortsansässigen Reisebüros gut beraten wurden und bei Theofanis Tzatzakis von den schönen Sonnentagen und blauen Stränden längst vergangener Urlaubstage träumen oder sich dort auf den nächsten Urlaub einstimmen. Möge Theofanis Tzatzakis so viele zufriedene Gäste haben, dass er sagen kann:
„Die verkauften Biermengen von Guido Lots und Richard Adler habe ich längst
wieder erreicht“.
Genießen Sie die original griechischen Gerichte, die das Küchenteam für Sie
frisch zubereitet und lassen Sie sich in den gemütlichen Gasträumen
verwöhnen.
https://www.zumgriechenadorf.com/
Klaus-Peter Hörr
März 2017