Gaststätte Talschlösschen

 

Im Adorfer Stadtboten vom Januar 2021 wird Frank und Elionore Martin zum 40jährigen Geschäftsjubiläum gratuliert und ein kleiner Abriss ihrer Gaststättengeschichte, die eine Familiengeschichte ist, gegeben. Ich möchte diese kurze Geschichte mit einigen Fakten und Dokumenten aus den ersten Jahren der Gaststättengeschichte ergänzen.

 

Sammlung Perlmutter u. Heimatmuseum Adorf

 

Als am 4. Oktober 1908 Max Riedel zusammen mit seiner Frau das Talschlösschen eröffnete, bezeichneten sie es als Restaurant. Wer kennt den Unterschied zwischen einem Restaurant und einer Gaststätte? Für Wikipedia ist der Übergang von einer Gaststätte zum einem gehobenen Hotel oder Restaurant fließend und regional unterschiedlich. Wichtig ist für beide, dass das Bier immer gut fließt und nicht sauer wird.

In späteren Anzeigen spielte die Bezeichnung keine Rolle mehr. Da war es „nur“ noch das Talschlösschen.

 

 

Wie üblich, wurde kurz nach Eröffnung zu einem Einzugsschmaus geladen. Da hatten Küche und Keller zu beweisen, was sie ihren Gästen so alles bieten können.

Immer wieder interessant ist der damalige Sprachgebrauch. Der Wirt wandte sich mit einer gefälligen Nachricht an eine geehrte Einwohnerschaft und bat um gütige Berücksichtigung seines Restaurants und grüßte hochachtungsvoll oder ergebenst.

 

 

Max Riedel und Frau stellten sich auf eine breite Schicht von Gästen ein. Sie luden zum Kaffeekränzen, zur Kirmes oder auch zum Bockbierfest ein. Während der Zeit des ersten Weltkrieges luden Frau Riedel bzw. Laura Riedel ein. Das könnte ein Beleg dafür sein, dass Max Riedel im Felde war. Da zum 1. Januar 1919 annonciert wurde, dass der Schankbetrieb wieder aufgenommen wird, muss dieser vorher unterbrochen gewesen sein. Das deckt sich mit der Tatsache, dass eine Schankerlaubnis zu jener Zeit nur einen begrenzten Zeitraum von einer anderen Person in Vertretung ausgeübt werden konnte als von der, der diese erteilt wurde.

 

 

Das Schlachtfest war immer ein Höhepunkt. Da wurde deftige Kost mit gebackenen Klößen serviert. Unsere Ahnen waren hart im Nehmen. Wer kann heute ab 8 Uhr Schweinsknochen mit Meerrettich und gebackenen Klößen und als Nachtisch um 9 Uhr Wellfleisch essen?  Steffen du?

 

 

Der Bierverkauf in den Jahren 1908-1914 war gegenüber anderen Gastwirtschaften recht stabil.

Überwiegend wurden von den Gästen das „Einfache“ getrunken. Was wird der Grund für den drastischen Wechsel der Verkaufsmengen zwischen dem „Einfachen“ und dem „Lager“ in den Jahren 1910/1911 gewesen sein? Ob Max Riedel 1914 mit dem „Böhmischen“ eine neue Sorte einführen wollte? Wir wissen es nicht. Vielleicht hat Max Riedel einem Biervertreter unter dem Motto „Leben und leben lassen“ auch einige Fässer vom „Böhmischen“ abgenommen.

 

Jahr

Wirt

Einfach in l

Lager in l

Böhmisch in l

Gesamtsumme in l

1908

Riedel, Max

6.260

3.784

0

10.044

1909

Riedel, Max

9.094

10.016

0

19.110

1910

Riedel, Max

2.131

16.221

0

18.352

1911

Riedel, Max

13.946

4.262

0

18.208

1912

Riedel, Max

13.721

4.228

0

17.949

1913

Riedel, Max

12.318

5.983

0

18.301

1914

Riedel, Max

11.079

3.691

413

15.183

 

Da das Talschlösschen in Adorf außerhalb der Ortschaft liegt, könnte ich mir vorstellen, dass der Anteil der Laufkundschaft begrenzt war und man dort eine zufriedene Stammkundschaft aus Schadendeck und der näheren Umgebung hatte.

Spätestens ab 1931 konnte man unter der Nr. 152 auch telefonisch einen Tisch bestellen bzw. sich über die aktuelle Speisekarte informieren.

 

Im Jahre 1939 erhielt Laura Riedel nach dem Tode ihres Mannes die Schankgenehmigung. Aus den Akten der Stadt Adorf über die Erteilung von Schankkonzessionen ist ersichtlich, dass sich Riedels intensiv um die Ausrichtung von Tanzveranstaltungen bemühten. Das wurde ihnen jedoch nicht erlaubt. Gab es dort früher keinen entsprechenden Saal?

 

Das Talschlösschen gehörte zu den Gastwirtschaften, die nach dem Ende des II. Weltkrieges ihre Tätigkeit fortführen konnten. Im Sächsischen Landesadressbuch des Jahres 1948 wird das Talschlösschen unter der Anschrift Schadendeck 8 aufgeführt.

 

Klaus-Peter Hörr