Gärtnerische
Produktionsgenossenschaft Viola /Adorf (GPG Viola) |
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Die
33jährige Geschichte der GPG Viola in Adorf endete am 30. Juni 1991 mit der
Einstellung der Produktion. Nach
langen und intensiven Diskussionen musste der Vorstand zu dem Schluss kommen,
dass es unter den veränderten wirtschaftlichen Bedingungen nicht mehr möglich
war, die in der DDR für Investitionen aufgenommenen Kredite vertragsgemäß zu
tilgen. Die zur Diskussion stehende Summe betrug damals ca. 3 Mio DM. Diese resultierte hauptsächlich aus der
Finanzierung des neuen Heizhauses, welches für eine geplante Erweiterung der
Gewächshausanlage benötigt wurde. Gespräche mit der finanzierenden Bank über
einen größeren Schuldenerlass waren erfolglos. Bei
einer Herauszögerung des Insolvenzantrages bestand die Gefahr, dass einzelne
Vorstandsmitglieder später auch persönlich für eine eventuell festgestellte
Insolvenzverschleppung haftbar gemacht worden wären. |
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Die Geschichte der GPG
Viola begann streng genommen bereits vor dem 1. Oktober 1958. Der Adorfer Stadtrat Gottfried Heidrich hatte die Idee, die
einzelnen kleinen Gärtnereien in Adorf zu einer größeren wirtschaftlichen
Einheit zusammen zu schließen. Eine Idee, die damals wie auch heute oft
sinnvoll war bzw. ist, aber im Detail nicht einfach umzusetzen ist. Mitte der
1950er Jahre war die Zeit, in der die nicht überall mit Freude aufgenommene
Kollektivierung der Landwirtschaft begann und im Handwerk und Industrie viele
ihr Glück in die eigenen privaten Hände nehmen wollten. Verstaatlichungen
bzw. erzwungene staatliche Beteiligungen oder auch Zusammenschlüsse hatten
bei den betroffenen Personen oft einen faden Beigeschmack. |
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Zuerst war als neuer
gemeinsamer Standort eine Fläche in der Markneukirchner Straße hinter dem
alten Milchhof angedacht. (Heute Standort der neuen Rettungswache). Diese
Idee musste wegen möglicher Hochwassergefahren aufgegeben werden. Als
nächster Standort wurde dann das Areal am Wolfsgässchen mit einer Fläche von
6.000 qm gefunden. Am 1. Oktober schlossen
sich alle fünf Adorfer Gärtnereibetriebe mit 12
Mitgliedern und einem Lehrling zur GPG Viola zusammen. Die Namensgeberin für
die Genossenschaft war keine gemeinsam bewunderte Sängerin oder Schauspielerin.
Dieser bezieht sich auf die Pflanzengattung der Familie der Veilchengewächse.
Gärtnermeister Herbert
Puchta wurde erster Vorsitzender der GPG. |
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Nachfolgende fünf Adorfer Gartenbaubetriebe schlossen sich damals zusammen: ·
Reinhard Waldow, Herrschaftsgärtnerei Jugelsburg,
Lt. Adressbuch 1942
Jugelsburg Nr. 4 ·
Gärtnerei
Kolbe, Wolfsgässchen ·
Gärtnerei von
Georg Walter (GEWA), Pächter H. Puchta ·
Gärtnerei Willy
Rahmig, Forststr. ·
Gärtnerei Paul
Gabler, Schützenstr. |
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Obige
Anzeige stammt aus dem Adorfer Grenzboten vom 23.
Oktober 1923 Ob
eine der oben genannten Gärtnereien bzw. deren Vorläufer damals die Gärtnerei von Dr. Emil Claviez gepachtet hatte? |
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Für die Gärtnereien
Alfred Kolbe und Rahmig sind längere Firmengeschichten bekannt. Alfred Kolbe übernahm
laut Anzeige vom 29. März 1914 die ehemalige Sonntag’s
Gärtnerei am Wolfsgässchen /Friedhof und führte ein breites Sortiment. Im
Adressbuch von 1914 wird als Anschrift „Vor dem Tore 35 C“ genannt. Im Jahre
1925 lautete die Anschrift Johannisstraße 4.
Im Juli 1927 eröffnete Alfred Kolbe in der Bergstraße ein eigenes
Geschäft. |
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Alfred Kolbe ca. 1918 mit Frau Paula geb. Schink |
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Willy Rahmig gab am 6.
November 1930 mit einer Anzeige die Eröffnung seines Gärtnereibetriebes
inklusive einer Blumenhalle neben der Friedhofskirche bekannt. Im Adressbuch
von 1942 ist als Anschrift die Dietrich-Eckart Str. 18, heute Forststraße,
genannt. |
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Die Blumenhalle aus dem Jahre 1988. Foto Siegfried
Brückner |
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Seit 1990 ist die
Gärtnerei Rahmig wieder in Familienbesitz. |
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Laut Adressbuch von 1914
gab es zu jener Zeit neben der Gärtnerei Alfred Kolbe auch noch die Gärtnerei
von Paul Gabler unter Schützenstraße 33Y und Heinrich Päßler
in der Elsterstraße 3. |
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Wer einmal ein
Unternehmen aufgebaut hat, weiß, dass dies kein Selbstläufer ist. Ständig
musste geschaut werden, wie mit den vorhandenen materiellen, finanziellen und
personellen Ressourcen ein positives Ergebnis erwirtschaftet wird. Die Aufgaben der GPG
Viola waren umfangreich. Es mussten die zu produzierenden Sortimente
abgestimmt, ihr Verkauf organisiert und der Standort an der Hanglage
Wolfsgässchen hergerichtet werden. Beim Gemüse begann man
mit Gurken aus selbst gezogenen Pflanzen. Voraussetzung für eine
erfolgreiche Entwicklung bei begrenzten Kapazitäten war fachliches Können,
Organisationstalent und regelmäßige Überprüfung des aktuellen
Geschäftsmodells. Die Nutzung von
Jungpflanzen war günstiger als eine Selbstaufzucht. Um diese zu bekommen,
musste man sich kümmern. Diese über das Internet zu bestellen war damals noch
nicht möglich. Nicht jedes Sortiment war kaufmännisch gleich interessant und
viele Materialien standen nicht immer in ausreichender Menge zum gewünschten
Zeitpunkt zur Verfügung. Da war Improvisation gefragt. Als die
Gewächshausanlage im Jahre 1961-1962 errichtet wurde, wurde dafür das
Material in Adorf per Waggon angeliefert. In der Regel mussten die Waggons am
nächsten Morgen der Deutschen Reichsbahn wieder leer übergeben werden. Das
bedeutete oft eine Nachtschicht für die Entladung. Heute stehen hierfür
Gabelstapler bzw. Autokräne zur Verfügung. Damals lautete das Motto: „Vier
Mann-vier Ecken“. Waren die Waggons leer, musste der Transport zur GPG
organisiert werden. Mitunter fehlten hierfür eigene Kapazitäten. War das
Material dann an Ort und Stelle, wurden die Gewächshäuser mit eigenen Kräften
montiert. Diesen Ablauf kann sich heute kaum noch jemand vorstellen. Auf nachfolgenden
Bildern von Siegfried Brückner aus dem Jahre 1968 können Sie sehen, wie es in
den Gewächshäusern grünte und blühte. Der Kollege auf dem Foto
ist nicht wie im Adorfer Stadtboten vom August 2021
geschrieben Uli Stein, sondern Rainer Schanz aus Rebersreuth. |
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Die
Gesamtproduktionsfläche unter Glas und Folie betrug ab 1980 15.000 qm. |
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Der
Verkauf der eigenen Erzeugnisse erfolgte über die eigenen Geschäfte in Adorf
(2x), Markneukirchen, Schöneck, Bad Elster, Bad Brambach,
Schneeberg, Klingenthal (2x) bzw.
Kooperationspartnern, mit denen die Sortimente und Mengen vertraglich
festgelegt waren. Für
die hohe Qualität ihrer Sortimente sprechen die auf der Internationalen
Gartenbauausstellung (iga) in Erfurt erhaltenen
Diplome für: · 1968 Pflanze Anthurium andreanum (Silber) · 1969 Pflanze Anthurium scherzerianum (Bronze) · 1969 Pflanze Anthurium andreanum (Silber) · 1978 Pflanze Anthurium andreanum (Gold) Für diese
Leistungsbewertung wurden die Pflanzen nach einer Vielzahl von Kriterien
bewertet. |
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Neben
der Produktion von Gemüse und Blumen gab es mit dem Kranzbinden ein weiteres
Standbein. Dieser
Bereich war in der ehemaligen Fabrik „Habermann“ konzentriert. Hier wurden
alle Kranzbindearbeiten für die eigenen Geschäfte ausgeführt, die diese
Dienstleistung im Sortiment hatten. Die hohe Meisterschaft dieser Mitarbeiter
zeigte sich in Auszeichnungen bei Blumenbindeleistungsschauen in Karl-Marx-Stadt,
Zwickau, oder auf der iga in Erfurt. |
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Foto Wolfgang Weigert Die
markante Fassadengestaltung ist heute noch zu erkennen. |
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Anlässlich
des 25jährigen Firmenjubiläums im Jahre 1983 veranstalteten die GPG Viola
zusammen mit den GPG’s aus Falkenstein, Oelsnitz
und Plauen in der Wandelhalle von Bad Elster eine viel beachtete Blumenschau.
Der Bericht über das 25jährige Firmenjubiläum nennt für die Monate Januar bis 31. Juli
1983 folgende Produktionszahlen: ·
36.000 Anthurien ·
59.000 Nelken ·
55.500 Freesien ·
43.000 Gerbera ·
34.000 Rosen ·
50.000
Alpenveilchen ·
15.000
Orchideen ·
über 100.000
Topfpflanzen Im gleichen Zeitraum wurden 52,5 Tonnen
Gemüse geerntet. Weitere 10 Tonnen sollten noch folgen. Das sind schon
beeindruckende Mengen. Damit relativiert sich die oft geäußerte Behauptung,
dass es in der DDR nichts bzw. nicht viel gab. Diese Mengen standen im vollen
Umfange für die eigenen Geschäfte und Kooperationspartner der Region zur
Verfügung. Kontingente für Berlin bzw. den Export mussten nicht zur Verfügung
gestellt werden. Neben den bereits
beschriebenen Bereichen wurden auch Leistungen im Bereich Landschaftsbau
angeboten und ausgeführt. Begrünung bei Wohnungsneubauten, Industrieanlagen,
NVA Kasernenanlagen und Pflegedienstleistungen sowie Neupflanzungen im
Bereich der Staatsbäder Bad Brambach und Bad
Elster. |
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Wie oben bereits kurz
erwähnt, wurde Ende der 1980er Jahre mit dem Bau eines neuen Heizhauses mit
einem 60 m hohen Schornstein begonnen. Mit diesem sollte die
Produktionsfläche um weitere 5.000 qm erhöht werden. Dazu kam es nicht mehr. Nachfolgend
ein Blick aus dem Jahre 1977 über die Gewächshausanlage am Wolfsgässchen mit
Wasserturm bzw. Kirche im Hintergrund. |
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Foto Siegfried Brückner |
Foto Siegfried Brückner |
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Wie
eingangs erwähnt, musste am 18. Februar 1991 der Antrag auf Eröffnung des
Konkursverfahrens gestellt werden. Dieses wurde dann auch durchgeführt. Per
30. November 1991 schieden die letzten Mitarbeiter aus dem insolventen
Unternehmen aus. In
den 33 Jahren ihres Bestehens wurden 80 Lehrlinge im Bereich Gartenbau und
Blumenbinderei ausgebildet. Die Mitarbeiterzahl betrug im Durchschnitt 75-80
Personen. Vorsitzende
der GPG Viola waren: · Herbert Puchta Gärtnermeister 01.10.1958 - 31.12.1961 · Heinz Rahmig, Gärtner 01.01.1962 - 31.12.1963 · Gottfried Heydrich, Gärtner, Stadtrat i. Adorf,
01.01.1964 - 20.12.1967 · Dieter Lange, Meister, Dipl. Ing.(FH) 01.01.1968 -
31.12.1980 · Joachim Piepenburg, Dipl.
Agrar-Ing. 01.01. 1981 - 31.10.1986 · Dieter Lange, 01.11.1986 - 30.06.1991 Dieser
Betrieb brauchte aber nicht nur Gärtner und Blumenbinder, sondern auch
Handwerker wie: Maurer,
Hochdruckheizer im 3- Schicht- System, Elektriker, Kraftfahrer, Kranfahrer
und Traktoristen. |
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Bei
den Recherchen zu diesem Text bin ich auf Erklärungen für die Bezeichnungen
wie „Habermann“ bzw. „Hefenfabrik“ von älteren
Bürgern der Stadt für das Gebäude der Blumenbinderei gestoßen. Wann
und durch wen das Gebäude errichtet wurde, ist mir aktuell nicht bekannt.
Laut Adressbucheintrag von 1925 befand sich dort eine Preßhefe-
und Spiritusfabrikation W. H. Geipel mit aktuellen Inhaber Gust. Tietze. |
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Die Geschichte der Fa. W.H. Geipel
kann mindestens bis in das Jahr 1878 zurückverfolgt werden. Ob sie auch
damals eine Presshefe- und
Spiritusfabrikation war, ist fraglich. |
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Foto
Sammlung Jens Geipel |
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Obiges Foto von der Spiritus- &
Presshefe-Fabrik muss laut Firmenbezeichnung zwischen 1920 und 1929
entstanden sein. Auf dem Dachgiebel ist die Jahreszahl 1908 angebracht. Ob
dies das Datum der Errichtung des gesamten Gebäudes war? Die etwas hellere
Fassade im rechten Teil lässt vermuten, dass zur Zeit der Aufnahme ein Anbau
errichtet wurde. Wer werden die beiden Herren sein, die im Vordergrund im
Grase liegen und auf die Fabrik schauen. |
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Zum
1. Oktober 1929 wurde die Firma, die zu diesem Zeitpunkt bereits eine
Färberei und Wäscherei war, von Gustav Tietze an die Gebrüder Habermann aus
Schönbach in Böhmen verkauft. Wie oben informiert, sind die Herren Tietze
nach Dresden gegangen und dort ab 1931 im Adressbuch zu finden. Im Adressbuch
von Adorf 1942 ist die Färberei Habermann & Co. weiterhin in der
Freiberger Str. 10 zu finden. Laut
Bestandsliste des Staatsarchivs in Chemnitz befindet sich dort die Handelsregisterakte
der Firma W. H. Geipel mit den nachfolgenden Umfirmierungen in Gustav Tietze
und Gebr. Habermann. Sie beginnt 1887 und endet 1970 mit der Löschung beim
Rat des Kreises Oelsnitz. Im
Jahre 1931 betrieb laut Telefonbuch von Adorf Fritz Bang in der Lange Str. 11
unter der Firmierung Geipel Nachf., Gustav eine
Presshefegroßhandlung. Wer gab ihm die Hefe für seinen Großhandel? |
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Vielen
Dank an Herrn Dieter Lange für die vielen Informationen zur Geschichte der
GPG Viola. Klaus-Peter
Hörr Oktober
2021 |
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