Fa. Hans Wilfert, Adorf i. Vogtl.

Perlmutter- und Kunstharz- Artikel Fabrikation

 

Wenn in einem Gespräch in Adorf und Umgebung die Firmennamen F. A. Schmidt & Sohn, Louis Nicolai, Johann Rauh oder Crosinsky & Eisenack, G. u. Max Rauh und C. W. Lots fallen, dann wissen auch heute noch viele, dass es sich hier um ein Gespräch über die über hundertjährige Geschichte der Adorfer Perlmutterwarenindustrie handelt. Adorf war zum Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts das Zentrum der deutschen Perlmutterwarenindustrie und diese ein bedeutender Wirtschaftsfaktor für die Stadt und die Region. Eine Ausnahme bildete die Herstellung von Perlmutterknöpfen, die in Adorf nur in geringen Mengen gefertigt wurden. Neben den o.g. Firmen und hunderten Heimarbeitern gab es immer wieder einzelne kleine Firmen und Gewerbetreibende, die den Sprung in die Selbständigkeit wagten und ihr Glück als Unternehmer suchten.

Einer von ihnen war Arno Hans Wilfert. Er wurde am 18. Oktober 1903 als Sohn des Perlmutterarbeiters Kurt Wilfert und seiner Frau Emma in Adorf geboren. Noch heute wird trotz fehlender amtlicher Bescheinigung in den Familien seiner Nachfahren davon gesprochen, dass sein leiblicher Vater der Perlmutterunternehmer Johann Rauh gewesen sei. Dieser betrieb zuerst in der Elsterstraße in Adorf und ab 1905 in der „Muckenmühle“ in Freiberg sein Perlmutterwaren-unternehmen. Somit könnte man durchaus meinen, dass Hans Wilfert dieses Handwerk sozusagen vererbt bzw. in die Wiege gelegt wurde.

 

Das Verhältnis von Hans Wilfert zu Johann Rauh sei nach den Erzählungen seiner Nachfahren gut und eng gewesen. Damit war es nicht verwunderlich, dass Hans Wilfert bei Johann Rauh vom 1. April 1918 bis 31. März 1921 das Gürtler- und Perlmutterhandwerk erlernte. Am 10. April 1922 legte er an der Gewerbekammer Plauen seine Gesellenprüfung mit guten und sehr guten Ergebnissen ab. Sein Prüfungszeugnis zur Gesellenprüfung belegt, dass das Lehrzeugnis von Johann Rauh durchaus kein Gefälligkeitszeugnis mit einem familiären Hintergrund war.
 
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Es kann davon ausgegangen werden, dass Hans Wilfert nach Beendigung seiner Lehrzeit auch in der Sächsischen Perlmutterwarenfabrik Johann Rauh in Freiberg gearbeitet und dort seine hand-werklichen und kaufmännischen Fähigkeiten unter Anleitung von Johann Rauh weiterentwickelt hat. Dies besonders auch aus dem Grunde, da bekannt ist, dass Hans Wilfert auch mit seiner Frau und seinen Kindern in der „Muckenmühle“ in Freiberg wohnte.

In einer Zeit, als etliche der o.g. Firmen längst ihre Geschäftstätigkeit eingestellt bzw. mit sinkenden Umsätzen zu kämpfen hatten, meldete Hans Wilfert am 25. Mai 1936 ein eigenes Gewerbe als Gürtler bei Bürgermeister Huster in Freiberg  an und mietete sich bei Johann Rauh in der „Muckenmühle“  für 20 RM /Monat ein. Vermutlich hat Johann Rauh ihn bei seinem Start als Unternehmer unterstützt. Begonnen hat Hans Wilfert sein Gewerbe mit Maschinen und Werkzeugen im Wert von 275 RM sowie 500 RM Bargeld.

 

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Aus den erhalten gebliebenen Geschäftsunterlagen ist ersichtlich, wie schwer der geschäftliche Start als Unternehmer war. Dies belegt ein reger Schriftverkehr betr. des Bezugs der erforderlichen Muscheln und Schnecken aus dem Ausland. Der Einsatz von Muschelschalen aus der Elster oder andern deutschen Flüssen und Bächen war seit Jahrzehnten Geschichte. Durch den Raubbau an den Flussperlmuscheln und der Verschlechterung der Wasserqualität in den Flüssen durch die Einleitung von Industrieabwässern waren die Flussperlmuscheln so gut wie ausgestorben. Auf der anderen Seite waren die Meeresmuscheln den Flussperlmuscheln in vielen Dingen in Qualität und Vielfalt überlegen. Sowohl der Import als auch der Export aber auch die Verteilung von vielen anderen Materialien im Inland wurde zu jener Zeit immer strengeren Regeln und Genehmigungen unterworfen. Wie bekannt, war damals bereits vieles der Aufrüstung des Landes untergeordnet.

Im September 1936 wurde Hans Wilfert mit seinem Gewerbe in die Handwerkerrolle eingetragen und von der Innung für das Graveur- und Gürtlerhandwerks darauf hingewiesen, dass er für sein Gewerbe einen Meisterabschluss benötigt. Ob er diesen vor Kriegsbeginn noch in Angriff nehmen und abschließen konnte wissen wir.

 

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Hans Wilfert versuchte, seine Produkte nicht nur im Inland oder über Großhändler abzusetzen sondern suchte auch den direkten Kontakt zu Kunden im Ausland. Wie schwer das war, zeigen folgende Beispiele:

·         1936 baten Kunden aus Holland wegen der Aussicht auf günstigere Wechselkurse mit der Lieferung zu warten

 

·         Bei Hardy Brothers Limited in Alnwick/England war er 1938 mit seinen Perlmutterlöffeln erfolglos. Ihr Geschäft mit Bestecken war eher gering und sie stützten sich schon damals wie auch heute auf ein breites Sortiment an Anglerbedarf.

 

·         Ob er das Angebot für eine Vertretung seiner Produkte in Jugoslawien angenommen hat ist nicht überliefert.

 

Mit seiner Arbeit war Hans Wilfert trotz des nicht einfachen geschäftlichen Umfeldes so erfolgreich, dass er mit ihr seine Familie mit vier Kindern ernähren konnte. Das Jahr 1936 schloss Hans Wilfert noch mit einen Verlust von 259,79 RM ab. In den Jahren 1937-1939 erwirtschaftete er einen Reingewinn von  680,29 RM, 1.737,80 RM bzw. 2.505,75 RM. Das Perlmutterwarengeschäft war traditionelle ein Saisongeschäft. Aus diesem Grunde konnte er sich so kurz nach Geschäftsgründung noch keine festangestellten Mitarbeiter leisten. Bei entsprechender Auftragslage halfen seine Schwester Ilse bzw. Kurt Penzel bei der Abarbeitung der Bestellungen.

Wirft man heute einen Blick in Wilferts Musterskizzenbuch, kann man sehen, dass er vom Design her recht breit aufgestellt war. Aus seiner Firmenbezeichnung geht hervor, dass er sich nicht nur mit der Verarbeitung von Perlmutter beschäftigte. So hatte er sich mit Kunstharzartikeln ein weiteres Stand-bein geschaffen. Was verbirgt sich aber im Detail hinter diesen Erzeugnissen?

 

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In der Familien seiner Nahfahren wird davon berichtet, dass es Pläne gegeben habe, dass er sein

Gewerbe in der „Muckenmühle“ ausbauen und eventuell auch die Firma seines leiblichen Vaters fortführen sollte. Dazu sollte es aber nicht mehr kommen. Im Jahre 1944 wird Hans Wilfert an der Ostfront als vermisst gemeldet. Diese Meldung hat auch Johann Rauh, der bis zuletzt auf die Rückkehr von Hans Wilfert hoffte, sehr getroffen. Das Schicksal von Hans Wilfert ist, wie das vieler seiner Kameraden, bis heute ungeklärt.

Vielen Dank an Herrn André Haußner für die Bereitstellung der Dokumente und der Informationen aus dem Familienarchiv.

 

Klaus-Peter Hörr

April 2017