Bürgermeister Martin Wimmer

*4. Oktober 1873, † 31. Oktober 1914

 

Herr Martin Wimmer folgte  am 15. Juli 1913 dem nach 40 Jahren Dienstzeit ausscheidenden Bürgermeister Rudolf Kämnitz als Bürgermeister der Stadt Adorf. Er ging mit 10 von 18 Stimmen knapp als Sieger aus der Bürgermeisterwahl hervor. Anlässlich seiner Verpflichtung und Einweisung richtete der Stadtrat am Abend des 15. Juli 1913 im Ratskeller ein Festmahl aus. Der Preis für ein Gedeck betrug 3 Mark. Ob mit diesen 3 Mark das Gedeck komplett bezahlt, bzw. dies eine Art Selbstbeteiligung war, ist nicht bekannt.

Herr Wimmer war vor seinem Amtsantritt Bürgermeister von Schöneck. Das dortige Amt muss er nicht als seine berufliche Endstation betrachtet haben. Im Jahre 1912 hatte er sich bereits bei der Wahl zum Bürgermeister der Stadt Löbau beworben.

In Adorf wohnte Bürgermeister Wimmer die wenigen Monate in der Bismarckstraße 5.

 

 

Peter Jacob informierte mich, dass Bürgermeister Wimmer zu Beginn des Ersten Weltkrieges anlässlich erster großer Siege eine flammende Rede vom Balkon des Rathauses gehalten hat. Dieses Ereignis beschrieb der Adorfer Grenzbote vom 24. August 1914 wie folgt:

 

„Auf die Freudenbotschaft von weiteren deutschen Siegen, die wir heute früh bekannt gegeben haben, bemächtigte sich unserer ganzen Stadt eine freudevolle, zuversichtliche Stimmung. Böllerschüsse der Schützenkanone machten die Einwohner schon in der Frühe auf die machtvollen Erfolge unserer braven Soldaten im westlichen Feindesland aufmerksam. Glockengeläute folgte. Das Publikum sammelte sich auf den Straßen und besprach eifrig die neuesten Meldungen vom Kriegsschauplatz. Vom Balkon des Rathauses aus spielte die Stadtkapelle den Choral: „Nun danket alle Gott!“; dann hielt Herr Bürgermeister Wimmer vom Balkon aus eine Ansprache, in der er mahnte, dem Allerhöchsten droben zunächst innigen Dank zu zollen, dann aber auf den braven Kriegern, die zum Schutze des Vaterlandes ausgezogen sind. Mit dreifachem Hurra auf Se. Majestät dem Kaiser und auf unsere Truppen schloss der Redner, wobei die zu Hunderten anwesende Menge begeistert einstimmte, desgleichen in den Gesang des Liedes „Deutschland über alles“. Dann ordnete sich auf Veranlassung des Herrn Schützendirektors Steigenberger ein Zug, der bei prächtigstem Sonnenwetter unter Vorantritt der Stadtkapelle durch die Stadt marschierte, wobei patriotische Weisen die musikalische Begleitung boten. Erwachsene und Schulkinder beteiligten sich in langer, langer Reihe an dem Umzug, in dem auch die Stadtfahne mitgeführt wurde. In der Mittagsstunde hatte der Umzug sein Ende erreicht.“

 

Wenig später gehörte Bürgermeister Martin Wimmer mit zu den ersten Offizieren, die zum Kriegsdienst eingezogen wurden und auch zu den ersten Opfern an der Westfront in Belgien. So folgte der längsten Amtszeit des Bürgermeisters Kämnitz die kürzeste Amtszeit eines Bürgermeisters von Adorf.

 

 

Die Stadt Waldheim nahm den Sohn ihrer Stadt mit nachfolgendem Eintrag in ihr „Waldheimer Heldenbuch“ auf.

 

„Oberleutnant d. L. und Komp.-Führer im Res.-Inf.-Reg. 244, wurde am 4. Oktober 1873 in Waldheim geboren als Sohn des Apothekers Hugo Wimmer und seiner Ehefrau Helene. 1895 zogen seine Eltern nach Dresden, wo er das Wettiner Gymnasium besuchte. Dann studierte er in Kiel und Leipzig Rechtswissenschaft und arbeitete zunächst als Referendar beim Amtsgericht Pirna, darauf in den Kanzleien verschiedener Rechtsanwälte. 1904 trat er zum Kommunaldienst über und ward als Assessor beim Stadtrat Leipzig angestellt. 1908 erfolgte seine Wahl zum Bürgermeister von Schöneck, wo er viele bedeutsame Neuerungen anregte und verwirklichte. 1913 siedelte er als Bürgermeister nach Adorf über und fand hier abermals ein weites lohnendes Feld für seine rastlose Tätigkeit. 1906 hatte er sich mit Anne-Marie geb. Wolf verheiratet. Der überaus glücklichen Ehe entsprossen 3 Kinder. Seine militärische Ausbildung hatte er 1899-1900 beim Inf.-Reg. 179 genossen. 1903 wurde er zum Leutnant, 1912 zum Oberleutnant befördert. Am 27. September 1914 trat er beim Res.-Inf.-Reg. 244 in Chemnitz ein, mit der er am 13. Okt. ins Feld nach Westen zog. Am 18. Oktober kam er in Flandern an und mußte sofort gegen die Engländer kämpfen. Er nahm am Kampf um Becelaere, am Sturmangriff auf Reutel und an Gefechten bei In de Steer teil. Am 31. Oktober 1914 jedoch sollte er bereits daselbst den Heldentod sterben. Beim Vorgehen nach einer Stellung, die er besetzen wollte, traf ihn die tödliche Kugel. Die näheren Umstände über seinen Heimgang blieben lange ungeklärt, und die schwer betroffene Witwe ward in der Folgezeit von einem unehrlichen Soldaten, der angab, des Gefallenen Bursche gewesen zu sein und ihm die letzten Liebesdienste erwiesen zu haben, betrogen und ausgebeutet; erst später stellte sich heraus, daß der wirkliche Bursche mit seinem Herrn zugleich gefallen war. Ein Schreiben des Bataillonsführers an die Witwe würdigte Wimmer als vortrefflichen Offizier und ausgezeichneten Kameraden. Seine Leiche wurde am 10. September 1915 wieder ausgegraben und zusammen mit 4 weiteren gefallenen Kriegern auf dem Regimentsfriedhof in Moorslede beigesetzt, schließlich aber im Dezember desselben Jahres nach dem inneren Friedhof zu Dresden-N. übergeführt.“

                                                              

 

Im obigen Text  wird erwähnt, dass die Witwe von einem angeblichen Burschen des Oberleutnants Wimmer betrogen und ausgebeutet wurde. Für all jene, die sich mit den Burschen der Offiziere zu Kaisers Zeiten nicht auskennen, hat Herr Reinhold aus Berlin  von Dr. Gerhard Bauer aus dem  Militärhistorischen Museum der Bundeswehr in Dresden nachfolgende Erklärung eingeholt und zur Verfügung gestellt.

„Ein Bursche war in der Tat eine Art Leibdiener eines Offiziers, den dieser gewöhnlich aus dem Mannschaftsstand seines Truppenteils auswählte. Er hatte zwar Truppendienst - auch Kriegsdienst - zu leisten, musste sich aber ansonsten um die Sauberkeit der Uniformteile des Offiziers kümmern und andere Dienstleistungen erbringen. Dazu zählten Botengänge, Einkäufe oder auch Reisevorbereitungen oder der Gepäcktransport bei Verlegungen. Anstellige und verlässliche Burschen genossen gewisse Privilegien u.a. kulinarischer Natur. Literarischen Ruhm erlangte der Stand des Offiziersburschen in der Gestalt des "braven" böhmischen Soldaten Josef Schwejk im Roman von Jaroslav Hasek.“

 

Die Stadt Adorf widmete den gefallenen Soldaten aus ihren Reihen kein gesondertes Heldenbuch sondern errichtete ihnen zu Ehren im Jahre 1925 ein imposantes Kriegerdenkmal auf dem Markt der Stadt. Ob es an den verblichenen Schriftzügen liegt, dass der Anlass für die Errichtung dieses Denkmals für die damals gefallenen Söhne der Stadt Adorf scheinbar ab und zu in Vergessenheit gerät? Dieses Bauwerk wird heute gerne auch einmal für die Errichtung von Installationen oder auch als Kletterfelsen genutzt. Selbst fast 100 Jahre nach Errichtung dieses Denk- und Mahnmals sollte dieses uns vor Augen führen, dass der Anlass für seine Errichtung nicht eine Tatsache aus längst vergangenen Zeiten ist, und dieser in unserer Gegenwart leider weiterhin aktuell ist.

 

Als Nachfolger von Bürgermeister Wimmer wurde am 21. Mai 1915 der aus Falkenstein stammende Dr. Lange, davor Stadtsyndikus in Münden bei Hannover, gewählt.

 

Vielen Dank an Herrn Reinhold und Dr. Bauer für ihre Zuarbeit.

 

Klaus-Peter Hörr