Perlmutterwarenfabrik C. W. Lots |
||||||
Die im Jahre 1868 durch
Carl Lots gegründete Perlmutterwarenfabrik war nach der Fa. F. A. Schmidt
eine der ersten und mit dieser und der Fa. Louis Nicolai eine der
bedeutendsten Perlmutterwarenfirmen in Adorf, die sowohl den Aufstieg dieser
Branche vom Gewerbe zur Industrie mitgestaltete als auch deren Abstieg bis
zum Nischenprodukt erlebte. Die ersten Produkte der
Fa. C. W. Lots waren wie bei den anderen Firmen die aus polierten
Elstermuscheln bestehenden Portemonnaies, die ein begehrter Artikel bei den
Kurgästen im Badeort Bad Elster waren. In einem Bericht der
Handels- und Gewerbekammer zu Plauen auf das Jahr 1871 lesen wir, dass es
neben der Fa. F. A. Schmidt mit der Fa. C. W. Lots noch ein zweites größeres
Unternehmen mit 15 – 20 Arbeitern gibt. Diese sollen sich hauptsächlich in
Mühlhausen befinden und nur in geringem Maße belegte Sachen fabrizieren. Seit dem Jahre 1875 ist
die Firma C. W. Lost regelmäßig in den einschlägigen Fabrikanten- und Lieferantenadressbüchern des
Königreiches Sachsen aufgeführt. 1875 waren 10 Arbeiter im Unternehmen
beschäftigt. Bei der Fa. F. A. Schmidt waren es zu diesem Zeitpunkt bereits
40 Arbeiter. Das Perlmutterwarengeschäft war immer ein Saisongeschäft. Aus
diesem Grunde wurde regelmäßig eine mehr oder weniger große Anzahl von Heimarbeitern
beschäftigt. Nach unterschiedlichen Angaben in der Literatur betrug der
Anteil der Heimarbeiter zw. 100 - 200% der fest beschäftigten Arbeiter. Für
viele Einwohner von Adorf und der Umgebung dürfte dies eine willkommene
Gelegenheit für einen Nebenverdienst gewesen sein. Damals wie auch heute
hatten Industrie und Gewerbe oft ein Arbeitskräfteproblem. Für die
Perlmutterwarenfertigung wurden geschickte und kreative Hände benötigt. In
Zeiten einer guten Auftragslage wurden diese händeringend gesucht und in
auftragsschwachen Monaten mussten sie entlassen werden. Mitte der 1880er
Jahre griff man gerne auf qualifizierte böhmische Arbeiter aus dem Raum
Graslitz zurück. So mancher von ihnen hatte seine Fertigkeiten auf der
Drechslerschule in Tachau / Tachov nahe der bayrischen Grenze erworben. Ein Beleg für die Suche
nach qualifizierten Arbeitskräften über die Grenzen des Vogtlandes hinaus
sind Anzeigen der Firma im „Leipziger Tageblatt und Anzeiger“ vom 18. Februar
1869 bzw. 20. Oktober 1870 oder auch nachfolgende Anzeige im Prager
Abendblatt vom 17. Mai 1876. |
||||||
|
||||||
Nicht selten warben sich
die Adorfer Firmen gegenseitig die Arbeitskräfte ab. Dies führte dazu,
dass mit diesem Thema auch der
Stadtrat bzw. der Bürgermeister von Adorf beschäftigt war. Mit der
sprunghaften Entwicklung der Textilindustrie in Adorf ab dem Ende des 19.
Jahrhunderts war diese eine echte Konkurrenz um die Arbeitskräfte. Die
Perlmutterwarenfirmen unterlagen oft in diesem Wettbewerb. Zu jener Zeit
waren regelmäßig Stellenanzeigen im Adorfer Grenzboten zu finden. |
||||||
|
||||||
Dass qualifizierte
Fachkräfte durchaus auch fast ihr gesamtes Berufsleben in einer
Perlmutterwarenfabrik verbringen konnten, beweist nachfolgender Artikel aus
dem Adorfer Grenzboten vom 3. Juli 1940. |
||||||
Ab dem Jahre 1873 finden
wir die Fa. C. W. Lots über viele Jahre als Aussteller auf den Leipziger
Messen. Eine Messe bzw. die Leipziger Messe, wie viele diese noch von früher
kennen, fand in Leipzig zu jener Zeit nicht nur 2x im Jahr sondern öfter
statt. Im „Adressbuch aller
Länder der Erde“ für das Königreich Sachsen
aus dem Jahre 1893 sehen wir, dass sich das Sortiment der
Perlmutterwarenfirmen sehr erweitert hat. Neben den klassischen Portemonnaies
bietet die Fa. C. W. Lots nun auch Beuteltäschchen,
Broches, Nadeln, Agraffs, Bronce-Fantasien sowie Artikel mit Perlmutter Carré
belegt auch für den Export an. Gleichfalls wird darauf verwiesen, dass
man auch eine Filiale in Bad Elster besitzt. Das breite Sortiment der Fa. C.
W. Lots sehen wir auch in der Anzeige im Adorfer Adressbuch von 1904. |
||||||
|
||||||
Der Export war für die
sich entwickelnde Adorfer Perlmutterindustrie ein wichtiges Standbein. Der
deutsche Markt allein hätte für die Saisonware keine ausreichende Auslastung
der Kapazitäten garantiert. Das Exportgeschäft war wie der Absatz auf dem
heimischen Markt ständig größeren und kleineren Schwankungen unterworfen.
Grund hierfür waren sich ständig ändernde und verschärfende Importzollbestimmungen,
die den Adorfer Kunden oft schwer zu schaffen machten. Auch ein verregneter
Sommer konnte das gesamte Geschäft in den Badeorten verderben. Dass auch die
Firma C. W. Lots auf internationalen Märkten tätig war, belegen die beiden
nachfolgenden Postkarten aus dem Bestand des Perlmuttter- und Heimatmuseums
Adorf aus Dänemark und England. |
||||||
|
||||||
Am 13. September 1898
wurde das Gewerbe vom damaligen Inhaber Carl Wilhelm Lots abgemeldet. Die
Firma wurde am 19. September von Georg Hermann Weisker übernommen und
erstmalig in das Handelsregister von Adorf eingetragen. Dieser verschmolz
seine am 13. August 1898 gegründete Firma mit der Fa. C.W. Lots. 1904
übernahm Louis Eduard Heinrich Weisker, ein Bruder von Georg Hermann Weisker
das Unternehmen. Im Handelsregister wurde der Inhaberwechsel per 21.12.1905
vollzogen. Zu dieser Zeit nahm die Fa. C. W. Lots in Bezug auf die
beschäftigten Fabrik- und Heimarbeiter den dritten Platz unter den Adorfer
Perlmutterwarenfirmen ein. Nachfolgend eine
Darstellung der Mitarbeiterentwicklung in der Fa. C. W. Lots aus „Die
Geschichte der sächsischen Knopfindustrie“
von Ulrich Hahnemann aus dem Jahre 2001. Jahr : 1900
1904 1908 1910
1912 1914 1915
1916 1917 Fabrikarbeiter: 17 26
40 51 42
41 7 4 5 Auch bei diesen Zahlen kann davon ausgegangen
werden, dass die Gesamtbeschäftigtenzahlen durch die Heimarbeiter um 100 -
200% höher lagen. Wie auch andere große
Adorfer Perlmutterfirmen hatte die Fa. C. W. Lots einen eigenen
Angebotskatalog mit einer Vielzahl von Produkten, der an Kunden verschickt
bzw. von Vertreten der potentiellen Kundschaft vorgestellt wurde. |
||||||
|
||||||
Katalog aus Sammlung
Perlmutter und Heimatmuseum Adorf |
||||||
Dass die Adorfer
Perlmutterwarenfirmen auch eine Verbindung zum Musikinstrumentenbau gehabt
haben, belegen die Einträge der verschiedenen Firmen in den
„Welt-Adressbüchern der gesamten Musikinstrumenten-Industrie“ der Jahre
1906/1912/1925. Die Fa. C. W. Lots finden wir hier mit dem Angebot von
„Verfertigung von Perlmutter-Einlagen“. Ob die Aufträge aus diesem Bereich
umfangreich waren? Die oben aufgeführten
Beschäftigtenzahlen zeigen deutlich den Einbruch in den Jahren des 1.
Weltkrieges. In dieser Zeit kam der Import der so wichtigen Meeresmuscheln
und Meeresschnecken als Hauptrohstoff fast vollständig zum Erliegen. Neben
der Inlandsnachfrage brach auch der Export der Erzeugnisse durch den Krieg
erheblich ein. Von diesem Einbruch erholte sich die Perlmutterwarenindustrie
in Adorf in den Folgejahren nie wieder
auf das Vorkriegsniveau. Dies zeigt sich auch daran, dass der Jahresbericht
der Handels- und Gewerbekammer Plauen auf das Jahr 1913 nach 50 Jahren
letztmalig auf den Bereich Perlmutter-, Muschel- und Bijouteriewaren eingeht.
Dort lesen wir folgende nicht sehr optimistische und recht kurze
Einschätzung: „Für die Adorfer Perlmutterwarenfabrikation war das Geschäftsergebnis im
Berichtsjahr wenig erfreulich. Das Auslandgeschäft ließ sehr zu wünschen
übrig, und wegen des schlechten Sommers war auch der Absatz in den Ost- und
Nordseebädern nur gering. Von den Rohmaterialien gab weißes Perlmutter im
Preise etwas nach, umso teurer aber wurden Goldfisch- und Burgos-Schalen, das
die amerikanische und japanische Konkurrenz die Nachfrage nach diesen
Rohstoffen erhöhte. Auch die Löhne stiegen weiter, sodaß die deutsche
Industrie in ihre Konkurrenzfähigkeit gegenüber der ausländischen abermals
geschwächt wurde. Da trotz allem die Lagervorräte ziemlich geräumt werden konnten,
dürften für das neue Jahr bessere Ergebnisse zu erwarten sein.“ Einige Jahre früher
wurde noch ausführlich über ein bis zwei Seiten über diesen Industriezweig
berichtet. Auch zu Beginn des 20.
Jahrhunderts nutzen Unternehmen bereits eingetragene Warenzeichen für ihre
Produkte im Wettbewerb um Kunden und Aufträge. So beantragte am 13. Juli 1914
die Fa. C. W. Lots beim Reichspatentamt die Eintragung des nachfolgenden
Warenzeichens für den gesamten Bereich der Galanteriewaren. Dieser Antrag nur
wenige Tage vor Beginn des 1. Weltkrieges dürfte seine positive kommerzielle
Wirkung zumindest bis zum Ende des Krieges nicht erfüllt haben. |
||||||
|
||||||
Die Firma C. W. Lots verkaufte ihre Erzeugnisse ab
1914 nicht nur unter einer eigenen Marke sondern ließ sich verschiedenen
Artikel auch im Musterregister beim Königlichen Amtsgericht in Adorf
eintragen und für drei Jahre schützen. Diese Eintragungen wurden regelmäßig
im Deutschen Reichsanzeiger veröffentlicht. Den ersten Antrag auf Eintrag in
das Musterregister fand ich vom 14. November 1879. Hier war es „ein in
Uhrform gearbeitetes, mit Muschelcachests versehenes Portemonnaie“ mit der
Fabriknummer 5. Im Jahre 1894 waren es Mundharmonikadecken in Celluloid mit
Perlmutterplatten, Perlmutterunterlagen und Perlmuttereinlagen mit der Fabriknummer
90 und 91. Im Jahre 1902 wurde eine Schale mit erhabenen Schiffstheilen aus
Muscheln (Fabriknummer 281) und 1909 weitere 19 Artikel wie Thermometer,
Kleiderbürste, Kopfbürste, Konsole oder auch Kruzifixe eingetragen. Bei den
Eintragungen im Jahre 1909 wurde vermerkt, dass hierbei Perlmutterabfall zum
Einsatz kam. Heute würde man sagen, dass man ressourcenschonend arbeitet. Am 3. August 1927 wurde die Firma von Clemens Max
Lederer übernommen. |
||||||
|
||||||
Wann die Fa. C. W. Lots
wo in Adorf ansässig war, konnte ich
bisher nicht zweifelsfrei ermitteln.
In der Vergangenheit war es nicht notwendig, eine genaue
Straßenbezeichnung und Hausnummer anzugeben. Nicht selten kamen diese auch
erst viel später auf und wurden öfter geändert. Schauen Sie sich die beiden
Postkarten oben aus England oder Dänemark an. Von Kopenhagen nach Adorf
dauerte es laut Poststempel einen Tag, von London bis Adorf zwei Tage. Wie
war das damals nur möglich? Ansichtskarten aus dem Ausland dauern heute nicht
selten 2-3 Wochen. Als Anschrift war lediglich Adorf bzw. Adorf/ Voigtland
vermerkt. Weder eine fehlende Länderbezeichnung, eine noch nicht eingeführte
PLZ noch eine fehlende Straßenbezeichnung inkl. Hausnummer verzögerte die
Zustellung. In den Adressbüchern der
Stadt Adorf wird die Fa. C. W. Lots in
den Jahren 1896 -1925 in der Elsterstraße bzw. Elsterstraße 29/31 aufgeführt.
|
||||||
Foto Andrea Hörr |
||||||
Auf dem Bild unten bzw.
auf alten Firmenbriefbögen können wir den Firmennamen an der Giebelseite des
Hauses erkennen. Ob sich die Firma seit 1868 dort befand, ist noch ungeklärt.
In einer Bauakte fand sich der Hinweis, dass die Perlmutterfirma Crosinsky &
Eisenack ihr Mietverhältnis zum 30. Juni 1909 nach 16 Jahren bei Herrn Eduard
Schink in der Elsterstraße kündigte (Mittelhaus). Er wollte die
Räumlichkeiten an die Fa. C. W. Lots weitervermieten. Dem wollte die
Gewerbeinspektion aber erst nach Erledigung diverser Auflagen/Umbauten
zustimmen. Dieser Umbau muss nicht nur positiv verlaufen sein, sondern es
scheint auch zu einem Kauf des Mittelhauses durch Herrn Louis Weisker,
damaliger Eigentümer der Fa. C. W. Lots, gekommen zu sein. Auf einem Plan im
Zusammenhang mit dem Bau einer Turbinenanlage ist nun das mittlere und das
rechte Haus als Eigentum von Herrn Louis Weisker gekennzeichnet. Wohin genau in Adorf
bzw. in der Elsterstraße die Fa. Crosinsky & Eisenack anschließend
gezogen ist, ist wegen der unterschiedlichen Hausnummern noch ein kleines
Geheimnis. |
||||||
|
||||||
In der
Handelsregisterakte der Fa. C. W. Lots findet sich unter dem Datum 20.11.1969 ein Aktenvermerk mit dem Inhalt,
dass der Geschäftsinhaber
Clemens Max Lederer am 10.09.50 sein
Gewerbe abgemeldet hat und sein jetziger Wohnort nicht bekannt ist. Am
25.11.1969 wurden nachfolgende Adorfer Firmen im Handelsregister von Amts wegen gelöscht: |
||||||
|
||||||
Laut Angaben des Rates der Stadt Adorf bestanden alle diese Firmen
bereits seit längerer Zeit nicht mehr. Die Geschäftsinhaber waren zum Teil
verstorben bzw. war über den Verbleib der jeweiligen Erben nichts bekannt. Wer sehen möchte, was für wunderschöne Erzeugnisse die Fa. C. W. Lots und
die anderen Adorfer Perlmutterwarenfirmen vor über 100 Jahren gefertigt
haben, dem empfehle ich eine Besichtigung der umfangreichen Sammlung im
Perlmutter- und Heimatmuseum in Adorf. Klaus-Peter Hörr Februar 2019 |