Am Raisonnirtische
(Lokal.
Wirtshausgespräche)
· Lobel: Konnte ich doch heute, den ganzen Tag über, durchaus
nicht ein gewisses Lied aus dem Kopf bringen.
· Grobel: Was denn für eins?
· Lobel: Die Mädchen in Deutschland sind lieblich und schön, Zum
Küssen laden sie ein; Und wenn sie im wogenden Tanze sich derh’n, So rühren
sie Herzen von Stein. Und so weiter.
· Simpel: Aha, Erinnerungen von dem
gestrigen Ballabend.
· Lobel: So ist’s.
· Grobel: Wie ist denn der Ball ausgefallen?
· Lobel: Recht gut!Geordnetes Arragement, schöne Mädchen, holde
Frauen, elegante Herren – alles vereinigt zu einem interessanten, lieblichen
Bilde.
· Simpel: Ist viel getanzt worden?
· Lobel: Warum nicht? Können wir als Unkundige daran nicht Theil
nehmen, so schauen wir doch recht gern zu.
· Grobel: Ja, aber nur dann, wenn sie auch
regelrecht vor sich gehen.
· Simpel: Ist denn das nicht immer der Fall?
· Lobel: Freilich nicht. Es herrscht bei der jungen Männerwelt
leider eine Manier, den vorgeschriebenen Tanztouren ihre eigenen Erfindungen
oder Angewohnheiten einzuflechten und dadurch störend auf Sinn und Geschmack
einzuwirken.
· Simpel: Bei den neuen Tänzen.
· Lobel: Nicht nur bei diesen allein, sondern durchaus. Auch die
alten, auf festen Regeln der Tanzkunst ruhenden Rundtänze werden jetzt
verballhornt.
· Grobel: Gerade, als ob der Tanzsaal eine
Reitschule oder Turnhalle zugleich mit wäre.
· Simpel: Aber wie denn so?
· Lobel: Darüber will ich sprechen – Da bleibt nämlich mitten im
einfachsten Rundtanze, bei einer Walzer- oder Polkatour, ein Tänzerpaar plötzlich
stehen, hält sich fest aneinander, wiegt sich hin und her, streckt die Arme
aus und zieht sie ein, zieht die Füße auf und läßt sie nieder, - gerade als
könnte es nicht weiter –
· Grobel: Und hätte die Kolik bekommen.
· Simpel: Ach, du mein Gott!
· Lobel: Oder es trampelt auf einer Stelle herum. Trippelt
einige Schritte vorwärts, wieder zurück, dreht sich auf einem Punkte und
kommt in dieser Abwechslung zu einer Stellung der Füße, als, als –
· Grobel: Als ging vom Ufer
eine Gans in den Bach –
· Simpel: Oder wollte Kaffee mahlen. –
· Lobel: Dann scheint zuweilen ein Tänzer
des Tanzes müde zu werden, enthebt sich des Umdrehens und unternimmt zu
seiner Erholung einen Dauerlauf durch den Saal, indem er seine Tänzerin,
deren rückwärtige Fronte natürlich den Zuschauern zukehrend, festhaltend vor
sich hertreibt, als als ob - -
· Grobel: Ob er einen Kastenrabber vor sich
her schöbe –
· Simpel: Ha, ha!
· Lobel: Vielleicht auch, daß er sich zur Unterhaltung auch
umdreht, rückwärts läuft und seine Dame mit sich zieht, als als wie - -
· Grobel: Wie ein Seiler die Pfockenwolle.
· Simpel: Gehorsamer Diener!
· Lobel: Auch sucht mancher Tänzer ein Kunststück in der
plötzlichen Umdrehung seiner Tänzerin von rechts nach links. Es ist
begreiflich, daß er dadurch seine Dame in eine Situation bringt, die, die - -
· Grobel: Die nur noch dem Sturmwinde zu
gute gehalten werden kann –
· Simpel: Und der Mode.
· Lobel: Was Mode! Soll denn die Mode so weit gehen, daß die
französischen leichtfertigen Tanzfiguren in unsere Tänze sich einschleichen,
daß der frivole Cancan unseren ehrbaren deutschen Walzer verpestet? – Bei den
gewandten Franzosen hat solcher sinnliche Tanz noch Methode, bei uns
deutschen wird dessen Nachahmung aber zur
· Grobel: Zur Ungeschicklichkeit, zur
Tölpelhaftigkeit, zur Unverschämtheit!
· Simpel: Servus!
· Lobel: Soll eine geregelte, zur wirklichen Freude und Lust
bestimmte Tanzkunst zuletzt nicht ausarten, so wird es endlich Zeit, solchen
Ausschreitungen und zugekommenen Unsitten zu steuern.
· Grobel: Wie könnte dieses denn geschehen?
· Lobel: Dadurch, daß die Damen selbst sich dazu fest verbinden,
daß sie nicht in Tanztouren einwilligen, die von den für die Tanzart
festgestellten Regeln abweichen und lieber selbst vom Tanze abtreten, als
sich zu Unformen gebrauchen und sich zu Zerrbildern gestalten lassen.
· Grobel: Das Beste wär’s.
· Lobel: Sollte sich eine Dame nur selbst sehen, in welche
tragisch-komische Stellung sie gerathen kann, wenn sie in solchen
unschicklichen Extratouren mitwirkt. Sie würde kaum ihren Augen trauen, wie
die lächerlichen Tanzbewegungen jede Illusion für Grazie und Liebreiz
abstreifen und – und ich möchte sagen –
· Grobel: Sie unschön machen können.
· Simpel: Servus!
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