Perlmutterwarenfabrik Crosinsky & Eisenack - Berlin

 

Durch mein Hobby, dem Sammeln historischer Wertpapiere aus dem Vogtland und dem daraus resultierenden Interesse für Heimatgeschichte, bin ich mit der spannenden Geschichte der vogtländischen Perlmuttindustrie in Berührung gekommen. Angeregt durch die  Aufzeichnungen von Herrn Hörr, habe ich mich in Berlin auf Spurensuche begeben.

Die Auswertung der Adressbücher für Berlin ab 1880 erbrachte folgende Fakten und Vermutungen:

 

Herkunft des Firmengründers Herr Crosinsky

 

Der Name Crosinsky war sehr selten in Berlin. Über Jahre hinweg gab es höchsten 1-3 Einträge zu diesem Namen. Im Einwohnerverzeichnis des Berliner Adressbuchs von 1875 ist ein Herr Crosinsky, J. in Berlin C, Petristr. 15, 1. Etage, eingetragen. Als Beruf ist Schornsteinfegermeister angegeben. Unter gleicher Adresse ist Herr Crosinsky, J.; jun. vermerkt. Als Beruf wird Buchhalter angegeben. Die Geschäftsräume des Schornsteinfegermeisters waren in der Petristr. 38 zu finden. Ist das vielleicht die erste Spur des Firmengründers?

In den vorherigen Jahrgängen des Adressbuches ist Crosinsky Junior nicht zu finden. Im darauffolgenden Jahrgang findet sich kein erneuter Eintrag zum Junior. Ein Indiz dafür, dass der Herr Crosinsky jun. „unser“ Mann seine könnte, ist ein Eintrag im Adressbuch 1879 als Kaufmann J. F. Crosinsky in der Petristr. 15.

 

 

 

Auszug aus Berliner Adressbuch, Ausgabe 1879, S. 139

 

Allerdings fehlen konkrete Angaben zu einer Firma, bei der er beschäftigt war oder die er selbst führte. Ich denke aber, dass es nicht zu sehr gewagt ist zu behaupten, dass es sich bei Crosinsky jun. um den späteren Perlmuttwarenfabrikanten handeln könnte.

Im Gründungsjahr 1880 (s. Ausführungen im Adorfer Teil) seiner Firma, wohnt er unter der Adresse Berlin S, Annenstr. 8, 3. Etage. Als Beruf wird weiterhin nur Kaufmann angegeben. Einen Hinweis auf seine Firma gibt es nicht. Grund dafür ist vermutlich, dass die Gründung der Firma nach Redaktionsschluss des Adressbuches erfolgte.

 

Aktuelle Recherchen im Ahnenforschungsportal MyHeritage durch Herrn Hörr ergaben, dass Johann Friedrich Crosinsky am 28. November 1845 in Berlin geboren wurde. Sein Vater Johann Gottlieb Crosinsky wird im Berliner Adressbuch des gleichen Jahres als Schornsteinfegermeister in der Friedrichsgracht 52 aufgeführt.

 

 

 

Die Herkunft von Mitinhaber Eisenack

 

Die Spurensuche nach der Herkunft von Mitinhaber Eisenack erweist sich als sehr schwer. Auch der Name Eisenack ist im Berlin der damaligen Zeit sehr selten. So ist z.B. eine Mineralwasserfabrik unter diesem Namen aufgeführt. Verbindungen zur Firma Crosinsky & Eisenack sind aber nicht zu finden.

Herr O. Eisenack ist erstmals im Berliner Adressbuch 1881 unter der Wohnanschrift Berlin SW, Kürassierstr. 12, 1. Etage, mit der Berufsbezeichnung Kaufmann vermerkt. Einen Hinweis auf die Perlmuttwarenfabrik gibt es nicht.

 

Widmet man sich anderen Quellen, so kommen aber entscheidende, neue „Mosaiksteinchen“ dazu.

 

Herr Hörr fand im Reichsanzeiger vom 17.04.1880 folgende Eintragung:

 

 

Sucht man dann im Berliner Adressbuch nach der Firma Dietzschold, stellt man erstaunt fest, dass die Herren Crosinsky und Eisenack offenbar in dieser Firma gemeinsame berufliche Wurzeln hatten und sich wohl auch erste Sporen verdienten. Die Fa. Dietzschold wird als Celluloid-, Hart-Gummi- und Perlmutterwarenfabrik geführt.

 

 

Berliner Adressbuch, Ausgabe 1880

 

Außerdem wird im besagten Adressbuch die Firma in der Rubrik „Bijouteriewaren-Fabrikanten und Händler“ geführt

 

Die Fabrik Dietzschold befand sich interessanterweise in dem Stadtgebiet, in dem später die Fa. Crosinsky & Eisenack in die Verarbeitung von Perlmutt einstieg. Ich vermute, dass Crosinsky aus der Fa. Dietzschold ausschied, um sich selbständig zu machen. Später hat er Eisenack nachgeholt.

 

Die Entwicklung der Firma an verschiedenen Berliner Standorten

 

Berlin S, PrinzessinnenStr. 18

 

Im Jahr 1881 ist J.F. Crosinsky als Inhaber einer Hartgummi- und Perlmutterwarenfabrik, Spezialität Bijouterie, im Adressbuch eingetragen. Als Adresse wird Berlin S, Prinzessinnen Str. 18, Hof, 2. Etage angegeben. Unter dieser Adresse firmiert auch die Fabrik. Anscheinend wohnt er in den Geschäftsräumen, denn in der Annenstraße ist sein Name nicht mehr zu finden.

Der Name Eisenack taucht zu dem Zeitpunkt in Zusammenhang mit der Firma noch nicht auf.

 

Offenbar hatten die Herrn Crosinsky und Eisenack die Firmengründung gut vorbereitet, denn sie begaben sich gleich im Gründungsjahr der Firma auf die Leipziger Messe. Zu diesem Zeitpunkt taucht dann auch Herr Eisenack als Mitinhaber der Firma erstmals auf.

 

Herr Hörr verwies nicht zu Unrecht auf die ungewöhnliche Kombination der Herstellung von Hartgummi und Bijouteriewaren. Aber diese Kombination gibt wohl nur auf den ersten Blick für uns Laien auf dem Gebiet der Schmuckherstellung Rätsel auf. Sie macht aber Sinn. Die Bezeichnung Hartgummi führt geradewegs zu Ebonit.

 

„Ebonit ist aus Naturkautschuk und Schwefel hergestellter besonders harter Gummi, der gut spanabhebend bearbeitet werden kann. 1851 wurde Ebonit von Charles Goodyear zum Patent angemeldet. Der Name des fast schwarzen Werkstoffs nimmt auf Ebenholz (englisch ebony) Bezug. Verwendung findet Ebonit hauptsächlich für Mundstücke an Holzblasinstrumenten (Klarinetten, Saxophonen) und Tabakpfeifen, für Klaviertasten, aber auch für Schmuckstücke und Kämme. Mundstücke guter Blasinstrumente und Pfeifen sind oft aus hochwertigem Ebonit, da diese im Vergleich zu dem ansonsten verwendeten Acryl einen angenehmeren (weicheren) „Biss“ haben. Vereinzelt wurden auch Gitarrenplektren aus Ebonit hergestellt, da es vom Klang her als Referenzmaterial galt.“ (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Ebonit, abgerufen am 24.01.2020.)

 

Crosinsky und Eisenack werden dies wohlbedacht haben, denn es ist zu vermuten, dass damit

 

·     Basis- bzw. Zubehörteile in der eigenen Firma hergestellt werden konnten und man nicht auf Zulieferer angewiesen war

·     Weitere Geschäftsfelder aufgetan werden konnten (im Umfeld befand sich eine Reihe von Musikinstrumentenherstellern (Klaviere), die man auf kurzem Wege beliefern konnte)

 

Im Nachgang der Notiz in der o.g. „Handels und Gewerbezeitung“ ist im Berliner Adressbuch des Jahrgangs 1882 nun auch die Firma Crosinsky & Eisenack, Inhaber J.F. Crosinsky und O. Eisenack, zu finden. Sie firmiert weiter in der Prinzessinnenstr. und wird in der Adressbuchrubrik „Verzeichnis der Einwohner Berlins nach ihren Beschäftigungen und Gewerben“ unter Bijouteriewaren-Fabriken und Händler geführt.

 

Im gleichen Jahr ist Herr Eisenack nach Berlin S, Alexandrinenstr. 41, 3. Etage, umgezogen. Unter seine Privatanschrift ist nun auch ein Hinweis auf die Firma zu finden und er wird als deren Mitinhaber genannt.

Durch die starken Zerstörungen während des Zweiten Weltkriegs ist es nicht einfach, noch Spuren an allen Adressen zu finden. Mir ist es aber dennoch gelungen, dass eine oder andere Gebäude ausfindig zu machen.

 

Im Falle der Alexandrinenstraße habe ich die Hausnummer 41 nicht finden können. Um einen Eindruck davon zu vermitteln, wie damals die Straße wohl ausgesehen hat, habe ich als Beispiel die Hausnummer 5 in besagter Straße fotografiert.

 

Foto D. Reinhold

 

Herr Hörr hat in seinen Ausführungen auf die breite Angebotspalette der Firma auf Messen aufmerksam gemacht.

Die Adressbucheinträge in den betreffenden Jahren lassen dies auch erkennen. Die Fabrik wird mit einer breiten Produktpalette unter den Kategorien Bijouterienwarenfabrik und Exportgeschäfte, Besatzartikel, Perlmutterwarenfabrik und Exportgeschäft geführt. Einen Verkaufsladen gab es wohl nicht, aber die Firma wird auch als Engros-Händler genannt.

 

Im Adressbuch von 1884 ist unter der Firmenadresse vermerkt, dass ein Patent zur Herstellung von „Perlmutterfournieren“ beantragt wurde. Ein Jahr später ist an gleicher Stelle erwähnt, dass Perlmutterfourniere auf der Basis des D.R.P. Nr. 65011 hergestellt werden.

 

 

 

Standort Berlin SO, Oranienstr. 22

 

Drei Jahre nach Firmengründung galt es offenbar für die junge Firma eine neue Bewährungsprobe zu bestehen. Die Firma zog um. Belege für die Gründe habe ich keine, aber betrachtet man die Gesamtentwicklung der Firma über die Jahre ihrer Existenz, so kann man schon davon ausgehen, dass die ersten Geschäftsräume schnell zu klein waren.

Dem Adressbuch für das betreffende Jahr kann man entnehmen, dass die Firma in neue Geschäftsräume in Berlin SO, Oranienstr. 22, Hof, 3. Etage umgezogen ist. Herr Crosinsky hat jetzt auch wieder eine Wohnanschrift (Berlin S, Jacobikirchstr. 4, 1. Etage)

 

Die Oranienstraße ist bis zum heutigen Zeitpunkt eine wichtige, quirlige Geschäftsstraße und ein wichtiger Verkehrsweg. Sie entstand ab Mitte des 19. Jahrhunderts in der Folge der schnellen Industrialisierung Berlins.

Die Oranienstraße ist eng mit solch berühmten Namen wie Konrad Zuse, Georg Wertheim, Julius Klausner (Gründer Schuhgeschäft Leiser) und Paul Lincke verbunden.

 

Crosinsky und Eisenack haben sicherlich nicht ohne Grund genau hier neue Fabrikräume bezogen. Gleich in der Nähe befand sich auch der „Görlitzer Bahnhof“, als wichtiger Standortvorteil für das Exportgeschäft. Die Oranienstraße wurde durch Bombenangriffe im 2. Weltkrieg stark zerstört. Es blieb aber alte Bausubstanz erhalten, bzw. sie konnte rekonstruiert werden. Das Haus Oranienstr. 22 wurde 1861 erbaut und gehört heute zum denkmalgeschützten „Bauensemble Oranienstraße“. Inwieweit der jetzige Zustand dem Zustand von 1884 entspricht, kann ich nicht sagen.

 

 

Vorderansicht Oranienstr. 22

 

Im Adressbuch von 1884 wird angegeben, dass sich die Firma im Hof, 3. Etage, angesiedelt hat. Die Hofgebäude (Klinkerbauten) sind aufwändig rekonstruiert worden und werden auch heute noch gewerblich genutzt. Da das Hofensemble aus 3 Flügeln besteht, kann ich nicht angeben, wo sich die Perlmuttwarenfabrik genau befand.

 

Heutiger Blick in die Durchfahrt von der Oranienstr. in den Hof.

 

 

 

Blick in den Hofbereich der Oranienstr. 22

 

Expansion ins Vogtland und Tod von Oskar Eisenack

 

In seinen Ausführungen belegte Herr Hörr, dass die Firma Crosinsky & Eisenack eine Filiale in Adorf im Vogtland eröffnet hatte. Der gefundene Vermerk im Reichsanzeiger brachte aber auch zu Tage, dass Herr Crosinsky mittlerweile Alleininhaber der Firma war. Bevor ich zu den Gründen komme, noch ein Hinweis auf vermutlich erste Kontakte ins Vogtland.

 

Ich fand einen Eintrag im Berliner Adressbuch, Ausgabe 1884. Die Rubrik „Perlmutterfabriken und Handlung“ hatte eine Extra-Unterrubrik mit dem Namen „Vertreter auswärtiger Häuser“. Dort wird der Kaufmann Dobriner, Kommandantenstr. 13 in Berlin genannt. Er ist dort als Vertreter der Firma Friedrich Leibrich, Adorf i. Sachsen, eingetragen. Die Kommandantenstr. ist nicht weit entfernt vom Firmenstandort. Sicherlich hat Herr Dobriner als fleißiger Vertreter auch Crosinsky & Eisenack aufgesucht. Leider verliert sich diese Spur.

 

Inzwischen haben Herr Hörr und ich in der Sache „Eisenack“ weiter recherchiert.

 

Was war passiert? Ich durchsuchte die Adressbücher des betreffenden Zeitraums. 1888 fand ich unter dem Namenseintrag Eisenack keinen Eintrag mehr, sondern den Eintrag „Eisenack, A., geb. Plümicke, Kaufmannswitwe“. Prüft man den Eintrag für die Alexandrinenstr. 41, fehlt auch dort der Eintrag von Herrn Eisenack. Dafür ist jetzt Frau Eisenack mit dem Zusatz „Ww“ für Witwe eingetragen. Vorher muss also Herr Eisenack verstorben sein.

Interessanterweise findet man unter der gleichen Anschrift den Eintrag „Plümicke, vw., Dr.“. Ist das vielleicht eine Erklärung für den damaligen Umzug von Herrn Eisenack? Dr. Plümicke könnte der Vater der Ehefrau gewesen sein, zumindest wohl aber ein Verwandter.

 

Herr Hörr fand im Reichsanzeiger vom 05.07.1887 die Bestätigung für meine Vermutung:

 

Ich vermute, dass der Name Eisenack mit der Firma verbunden blieb, da die Witwe eventuell geerbte Werte nicht herausforderte, sondern im Hintergrund  u. a. von den Erträgen der Firma lebte. Die Vermutung kommt deshalb auf, weil sie später auch mit dem Zusatz „Rentiere“ geführt wird.

Andererseits gibt man wohl einen gut eingeführten Firmennamen auch nicht so schnell auf.

 

Die Geschäfte am Berliner Standort liefen offenbar auch nach dem Tod von O. A. Eisenack gut weiter. 1897 erhielt die Firma ihren ersten Telefonanschluss.

Herr Crosinsky zog 1890 nach Berlin SO, Mariannenplatz 6,1. Etage, um. Interessanterweise sind im Adressbuch auch die Sprechzeiten, die offenbar in der Privatwohnung stattfanden, genannt. So erweiterte Herr Crosinsky seine Sprechzeit von bisher 3 bis 4 Uhr um eine weitere Stunde.

 

Der Mariannenplatz ist auch heute noch ein herausragender Ort im gesellschaftlichen Leben (Stichwort Mayfest). Das Wohnhaus ist noch erhalten und wurde wohl erst in jüngerer Zeit renoviert. Im Haus befand sich schon damals eine Apotheke. Heutige Hausbewohner erzählten, dass die Apotheke bis 1990 bestand. Jetzt wird in deren Räumen eine Bar betrieben, die das Apothekeninterieur nutzt.

 

 

Mariannenplatz 6, Berlin-Kreuzberg, Hauseingang am rechten Rand;

Fotografiert am 08.01.2020; Foto Dieter Reinhold

 

Herr Crosinsky blieb hier bis zu seinem Tod wohnen, konnte er doch seine Fabrik von hier aus, trotz wechselnder Standorte, auch gut zu Fuß erreichen.

 

Standort Berlin SO, Köpenicker Str. 154

 

1895 wurde der Standort Oranienstraße 22 aufgeben und nach Berlin SO, Köpenicker Str. 154 verlagert. Dabei muss es sich schon damals um einen großen Fabrikstandort gehandelt haben. Glücklicherweise ist er auch heute noch erhalten. Eine Tafel an einer Hauswand lässt vermuten, dass die Fabrikgebäude mit EU-Mitteln behutsam, unter Wahrung der historischen Bausubstanz, ertüchtigt wurden. An vielen Stellen findet man an den Klinkerfassaden alte Firmen- und Aufgangsbezeichnungen. Der Komplex, zu dem eigentlich auch das benachbarte Grundstück 154a gehört, verfügt über ein Vordergebäude und Aufgänge von A bis K in den angrenzenden Höfen. Leider konnten keine Hinweise auf die Firma Crosinsky & Eisenack gefunden werden. Hinter dem Firmeneintrag des Adressbuches ist die römische Zahl IV angegeben. Bisher gaben diese Zahlen immer die Etage im Haus an. Der Buchstabe H war die Abkürzung für Hof. Vor Ort war man der Meinung, dass die Zahl wohl den Aufgang meinte. Sicher ist das aber nicht.

 

 

Heutige Ansicht der Köpenicker Str. 154 in Berlin-Kreuzberg und 154 a (linkes Gebäude). Die gesamte Köpenicker Str. erlitt im 2. Weltkrieg starke Zerstörungen. Es ist zu vermuten, dass das Vorderhaus nicht mehr im Originalzustand ist. Wie die Bebauung um 1900 ausgesehen haben könnte, zeigt das Haus rechts daneben.

Fotografiert am 08.01.2020; Foto Dieter Reinhold

 

 

                

 

Einen Eindruck vom Gebäudekomplex bekommt man beim Betrachten der Infotafel, die dort zu Orientierung aufgestellt ist. Alte Firmenbezeichnungen am Standort.

 

 

 

 

 

Weitere Innovationen

 

Auf der Suche nach Spuren der Firma stößt man auch immer wieder auf Patente und Gebrauchsmuster, mit denen sich die Firma gegen die Konkurrenz schützte.

So zum Bespiel im Reichsanzeiger vom 17.12.1894:

 

 

Herr Hörr trug noch eine Reihe von Meldungen aus dem Reichsanzeiger über Gebrauchsmuster zusammen.

 

 

Reichsanzeiger 09.05.1898

 

 

Reichsanzeiger 11.11.1901

 

 

Reichsanzeiger 05.02.1903

 

 

Reichsanzeiger 2102.1910

 

 

Zur Lage der Beschäftigten der Firma Crosinsky & Eisenack

 

Die Erfolge der Firma sind nicht zuletzt der Arbeit gut ausgebildeter, geschickter und fleißiger Arbeiter geschuldet. Zur damaligen Zeit gab es seitens der Fabrikinhaber noch die Möglichkeit der grenzenlosen Ausbeutung der Arbeiter und Angestellten. Die Digitalisierung wichtiger Zeitdokumente in den Beständen der Bibliotheken machte es Herrn Hörr möglich, einige Meldungen zu finden, die Schlaglichter auf die Zustände in der Firma Crosinsky & Eisenack werfen. Die unten abgebildeten Anzeigen stammen alle aus der sozialdemokratischen Zeitung „Vorwärts Berliner Volksblatt der sozialdemokratischen Partei Deutschlands“:

 

19.01.1898

 

19.01.1898

 

Der interessierte Leser wird sich sicherlich fragen, was Perlmutterarbeiter mit Holzarbeitern zu tun haben. Zur damaligen Zeit organisierte sich die Arbeiterschaft z. B. in den Gewerkschaften und der SPD. Bis 1890 wurden solche Bestrebungen durch die Sozialistengesetze erbarmungslos bekämpft. In allen Berufen gab es die Bestrebungen, sich gegen die Willkür der Arbeitgeber zu wehren. Kleine Berufsgruppen, wie die der Perlmuttarbeiter hatten es schwer, aus eigener Kraft Zugeständnisse zu erkämpfen. Deshalb schloss man sich großen und schlagkräftigeren Organisationen an. 

In unserem Fall war das der Verband der Holzarbeiter, der durch sein Wirken einen Tarifvertrag für die Perlmutter-, Bakalith-, Steinnuß- und Hornindustrie abschließen konnte. Auch die Adorfer Perlmutterarbeiter wurden vom Holzarbeiterverband vertreten. Die „echten“ Holzarbeiter waren in Adorf den Perlmutterarbeitern zahlenmäßig weit unterlegen.

 

 

Am 11. August 1914 traf man sich in der ehemaligen Adorfer Garküche im Sand zu einer außerordentlichen Versammlung.

 

Ob nun eine Wochenarbeitszeit von 52 Stunden damals viel oder wenig war, kann an dieser Stelle nicht dargestellt werden. Wer an den Zusammenhängen Interesse hat, wird im Internet schnell fündig.

 

Im Jahre 1896 suchte die Firma neue Mitarbeiter. Aus den Anzeigen kann man entnehmen, in welchen Berufen man damals in der Firma arbeitete. (beide Anzeigen ebenda, vom 17.01.1896 bzw. 28.10.1896)

 

                                                                                        

 

Anzeigen in der genannten Zeitung geben auch Hinweise auf das soziale Leben in dieser Zeit. Dadurch werden sogar die Namen von vermutlich von in der Firma angestellten Arbeitern bekannt.

 

 

07.11.1894 bzw. 17.01.1896

 

 

Erneuter Standortwechsel - Berlin 2 59, Kottbusser Damm 25, 26

 

Den letzten Eintrag im Berliner Adressbuch zum Standort Köpenicker Str. findet man im Jahre 1906.

Ein Jahr später wird die Firma Crosinsky & Eisenack unter der Anschrift Berlin S 59, Kottbusser Damm 25, 26 geführt. Bevor ich auf den neuen Standort genauer eingehe, hat mich noch er Zusatz „Cp.“ hinter dem Adressbucheintrag interessiert. Dieses Kürzel ist die Abkürzung für „Korporiert“. Damit werden die Mitglieder der „Korporation der Berliner Kaufleute“ gekennzeichnet.

Diese Korporation entspricht den heutigen Industrie- und Handelskammern.

 

Das Fabrik- und Geschäftsgebäude mit Figurenschmuck und schönen Fassadendetails wurde 1906/1907 für Emmler’s Möbelfabrik errichtet.

Es scheint so zu sein, dass Fa. Crosinsky & Eisenack sozusagen Erstmieter war.

 

 

Kottbusser Damm 25-26, Front (2/2020) Foto: Dieter Reinhold

 

 

 

Kottbusser Damm 25-26, Blick in den Hof (2/2020) Foto: Dieter Reinhold

 

 

 

Kottbusser Damm 25-26, Fassadendetails (2/2020) Fotos: Dieter Reinhold

 

Die Firma bleibt diesem Standort bis 1925 treu. Allerdings verstarb der Inhaber Johann Crosinsky, wie im Adorfer Teil von Herrn Hörr belegt, im Jahre 1918.

 

Neuer Inhaber der Firma

 

Durch den Tod erlosch die Firma aber keineswegs. Allerdings wurde durch den neuen Inhaber die Filiale in Adorf offenbar aufgelöst.

 

Der neue Inhaber der Firma ist der Perlmutterwarenfabrikant Siegfried Abramowsky, der selbst schon eine Perlmuttwarenfabrik betrieb.

 

Durch das Ableben von Herrn Crosinsky findet man nun auch einen Vermerk zu seiner Ehefrau, die jetzt unter der Adresse Mariannenplatz 6 als Frau Anna, geb. Klein, Fabrikantenwitwe und Rentiere eingetragen ist. Sie lebt also von Kapitaleinkünften und/oder Verpachtungen. Der neue Firmeninhaber behält den gut eingeführten Namen der Firma bei.

 

 

Adressbuch Berlin, Ausgabe 1920

 

 

Standorte ab 1926 – Berlin S 14, Sebastianstr. 7;                            Berlin O17 Mühlenstr. 53, 54

 

Ab 1926 wurde die Produktion in der Sebastianstr. 7 aufgenommen. Der Telefonanschluss der Fa. befand sich immer noch am Mariannenplatz 6.

Dieser Standort ist nach heutigen Angaben ca. 10 Autominuten vom alten Standort entfernt.

 

 

Adressbuch Berlin, Ausgabe 1920

 

Die Firma Abramowsky befand sich 1899 bereits auch schon in der Köpenicker Str.

Ich habe die Firma im Adressbuch von 1934 mit Telefonanschluss in der Mühlenstr. gefunden, aber nicht im Branchenteil.

 

Die Firma Crosinsky & Eisenack als Zulieferer für die weltbekannte Billardfabrik J. Neuhusen, die einen „Riesenbillard-Tisch“ für den russischen Zaren lieferte?

 

Herr Hörr hat mir auf der Basis einer Zeitungsmeldung folgende, interessante Details aufgeschrieben, die aufhorchen lassen: 

 

„Im Jahre 1892 wird berichtet, dass die bekannte Berliner Billardfabrik von J. Neuhusen in der Kommandantenstraße 77/79 ein imposantes Billard an den Zaren Alexander von Russland fertigte und an das kaiserliche Schloss in Bialostock lieferte. Die Spielfläche betrug 3,20 m x 1,68 m und konnte für verschiedene Billardspiele variiert werden. Für ein festliches Essen ließ sich dieser Tisch zu einer Tafel mit 9,5 m Länge für 50 Personen umgestalten.

Zu diesem Billard gehörten auch prachtvolle Queues mit Perlmuttereinlagen und Holzmosaik. Wer wird diese Queues für Zar Alexander gefertigt haben? In der Oranienstraße 22 hatte zur damaligen Zeit die Fa. Crosinsky & Eisenack ihren Sitz. Die Entfernung zwischen beiden Firmen betrug ca. 2 km. Damit kann vermutet werden, dass diese prachtvollen Queues durchaus in der Nachbarschaft bei Crosinsky & Eisenack gefertigt wurden.

Die ursprüngliche Meldung fand ich in der Zeitung „Berliner Tageblatt und Handelszeitung“ vom 02.08.1892.“

 

 

Die oben von Herrn Hörr angegebenen Details stammen aus einer anderen Zeitung, die die „Notiz“ der Berliner weiter „ausschmückte“.

Leider kann ich hier in Berlin derzeit aus gesundheitlichen Gründen nur eingeschränkt recherchieren.

 

Herr Hörr fand die beiden nachfolgenden Anzeigen.

 

Anzeige 31. Oktober 1874, Damals noch am anderen Standort

 

Anzeige 18. Sept. 1875

 

Im Berliner Adressbuch von 1892 fand ich diese Anzeige, die erahnen lässt warum der russische Zar das Billard gerade bei dieser Firma in Auftrag gab:

 

 

Man fragt sich natürlich, ob so eine renommierte Firma auf die Zulieferung der Fa. Crosinsky & Eisenack angewiesen war. Warum nicht? Arbeitsteilung und Kostenbewusstsein war damals schon bei den Fabrikanten ausgeprägt. Das Viertel, in dem die Firmen agierten, hieß im Volksmund nicht von ungefähr „Exportviertel“. Behaupten konnte sich nur, wer Qualität lieferte (oder sie eben einkaufte) und gut vernetzt war.

 

Aus obigem Eintrag kann man entnehmen, dass 1892 die Inhaber der Firma mittlerweile Moritz Heß und Paul Pincus waren. Die qualitätsvollen Billards und die dazu gehörgien Queues findet man heute noch in den Internet-Katalogen der Antikhändler und Auktionshäuser. Der interessierte Leser findet dort schnell und ohne große Mühe die entsprechenden Abbildungen.

 

Was hat nun der russische Zar mit dem Billardspiel zu tun? Bisher war mir persönlich nur die Vorliebe der Russen für das Schachspiel bekannt (in neuerer Zeit natürlich auch Eishockey). Unter Zuhilfenahme einer Internet-Suchmaschine und den Suchbegriffen „Zar und Billard“ findet man zügig Antwort. Der digitale Ableger einer russischen Staatszeitung (in dt. Sprache) schreibt über die Lieblingssportarten der russischen Zaren. Und tatsächlich, Zar Peter der Große führte das Billard in Russland ein und entfachte eine regelrechte Billard Manie.

 

Ich hoffe, dass, genau wie im Falle der „Perlmutt-Trommeln“ für den König von Siam (s. die Berichte an anderer Stelle auf dieser Seite), weitere Details aus dem Dunkel der Geschichte auftauchen, die von der hohen Qualität vogtländischer Produkte künden.

 

Dieter Reinhold

23.02.2020

18.07.2021 Ergänzung