Der grausame Mord im Jahre 1905 noch immer ungeklärt

 

Ein gutes Jahr vor der Eröffnung der Eisenbahnlinie Roßbach - Adorf im September 1906 ereignete sich im Zusammenhang mit den Bauarbeiten an dieser grenzüberschreitenden Verbindung ein grausamer Mord. Am 29. August 1905 berichtete „Der Grenzbote“ aus Adorf wie folgt:

„Raubmord. Sonnabend Abend in der 8. Stunde fanden in der unweit der sogenannten Pelzmühle gelegenen Staatswaldung zwei Eisenbahnarbeiter, der eine war Heckel aus Adorf, einen Schirm und einen Hut, nahe dabei befand sich eine Blutlache. Die Arbeiter gaben die Sachen beim Gemeindevorstand Undeutsch in Obergettengrün ab und ging dieser mit den Anzeigeerstattern sofort nach der Fundstelle. Der dem Heckel gehörige Hund spürte den etwa 20 Meter von der Fundstelle liegenden Leichnam auf. In diesem erkannte man den 51 Jahre alten Maurerpolier Giovanni Ceconi. Der Leichnam wies einen bis zu Wirbelsäule reichenden Schnitt am Halse auf. Die Uhr lag zur Erde, die Kette war losgerissen. Nach den sofort angestellten Erörterungen ist der Mord kurz nach 7 Uhr auf der Straße ausgeführt worden. Die Mörder haben ihr Opfer dann in den Wald geschleppt. Es sind gegen 1.000 Kronen geraubt worden, beim Toten fand man noch 2 Heller. Der Ermordete hat gegen 1.000 Kronen Papiergeld und etwa 35 Kronen Silbergeld, seine und seines Sohnes Ersparnisse bei sich, welche fehlen. Die sofort tätig gewordene Gendarmerie unter Oberleitung des Obergendarmen aus Oelsnitz fahndet eifrig nach den Tätern. Doch konnte man diese noch nicht ermitteln. Der Leichnam wurde in die Totenhalle nach Adorf überführt. Hier wird heute in Gegenwart des Staatsanwalts aus Plauen die Sektion stattfinden. Der Ermordete war verheiratet, und ein Schwager und ein Sohn desselben sind am Bahnbau mit tätig. Bei der heutigen Sektion in der hiesigen Totenhalle waren zugegen die Herren Staatsanwalt Carpzow - Plauen, Bezirksarzt Dr. Flinzer - Plauen als Stellvertreter des beurlaubten Herrn Bezirksarzt Dr. Perthen - Oelsnitz, Dr. Geyh. Der Ermordete wird morgen Dienstag hier begraben. Der ermordete Ceconi ist Italiener, seine Frau befindet sich in Italien.“

 

Das oben angekündigte Begräbnis fand unter großer Anteilnahme der am Bahnbau Beteiligten und der Adorfer Bevölkerung statt. Über dieses wurde gleichfalls im „Der Grenzbote“ berichtet:

 

„Heute Nachmittag 3 Uhr fand im hiesigen Friedhofe die Beerdigung des ermordeten Maurerpoliers  Ceconi nach katholischem Ritus statt. Die beiden Söhne, der Schwiegersohn des Ermordeten, drei beim Bahnbau beschäftigte Ingenieure, sowie Schachtmeister und eine Anzahl italienischer Arbeiter nahmen an der Beerdigung teil. Zahlreiches Zuschauerpublikum hatte sich schon vor 3 Uhr vor dem Friedhof angesammelt, wovon ein großer Teil trotz polizeilicher Absperrung in den Friedhof eindrang, während der andere Teil Kopf an Kopf gedrängt, einer Mauer gleich, auf der Freiberger Straße längs des Gottesackers Aufstellung genommen hatte. Der Ermordete war in der Totenhalle aufgebahrt, die tödliche Halswunde war durch ein Tuch verdeckt. Nach Schließung des Sarges wurde derselbe von acht italienischen Arbeitern unter Begleitung des Trauergefolges zu Grabe gebracht, woselbst der Begräbnisakt vor sich ging. Die in Pielungo bei Udine (Norditalien) lebende Frau des Ceconi hat von dem Tode ihres Mannes und dem heute stattgefundenen Begräbnisses keine Ahnung, da die drei hier weilenden Angehörigen der Familie Ceconi bis jetzt noch nicht wagten, die Schreckensnachricht der Mutter mitzuteilen. Nach der ärztlichen Sezierung ist der Ermordete an Verblutung gestorben, die infolge der schrecklichen Halswunde eingetreten ist. Die in der Bevölkerung kursierenden Gerüchte von der erfolgten Verhaftung zweier Schuldigen bestätigten sich nicht. Bis heute Dienstag Nachmittag hat man noch keine Spur von den Raubmördern gefunden. Eine heute vorgenommene Verhaftung gab wiederum Anlaß zu solchen Vermutungen, die aber nicht zutreffen, da der Festgenommene vom Amtsgericht Gera gesucht und deshalb arretiert wurde.“

 

Pelzmühle Gettengrün, Sammlung Peter Jacob

 


 Links unten Bahnhof Freiberg, Sammlung Peter Jacob

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Im Kirchenbuch zu Adorf finden sich zu seinem Tod die Information, dass der 51jährige röm. kath. Schachtmeister und Ehemann  Giovanni Ceconi aus Italien, der zum damaligen Zeitpunkt in Untergettengrün lebte, am 26. August 1905 abends 8 Uhr im Walde bei Gettengrün (Untergettengrün) tot aufgefunden und am 29. August 15:30 Uhr nach röm. kath. Ritus in Adorf begraben wurde. Als Todesursache wird Mord durch schwere Stichwunde im Hals (Verblutung) angegeben

Ende Januar 1906 wurde darüber berichtet, dass die Brieftasche des Ermordeten in der Nähe der Mordstelle gefunden wurde. Es konnte nicht ausgeschlossen werden, dass diese erst vor kurzer Zeit dort abgelegt wurde. Trotz einer ausgelobten Belohnung von 500 M für die Ergreifung der Mörder wurden diese nach vorliegenden Informationen nie gefunden.

Im Dezember 1906 stellte P. Nordon, ein Freund des Ermordeten, an der Mordstelle ein 1,20 m hohes Kreuz aus Beton mit der Aufschrift „Andenken an Herrn Giovanni Ceconi, Maurerpolier aus Pielungo (Italien), der auf dieser Stelle in seinem 51. Lebensjahr am 26. VIII. 1905 ermordet wurde“ auf.

Laut einer Zeitungsmeldung vom 28. Januar 1908 soll eine Italienerin, die in wilder Ehe mit einem italienischen Arbeiter lebte, diesen nach einen Zwist als Mörder bei den Behörden angezeigt haben. Ob der flüchtige Arbeiter Marton gefasst und des Mordes an Ceconi überführt werden konnte, ist unbekannt.

 

Klaus-Peter Hörr

Juni 2025