Die Elsterperlmuschel als Rohstoff für die
Perlmutterwarenherstellung in Adorf |
Perlenfischer Moritz Schmerler
war es, der sich zu Beginn der 1850er Jahre die Verwendung der unter
königlichem Regal stehenden Elsterperlmuscheln für die Anfertigung verschiedener
Perlmutterwaren genehmigen ließ. Diese Genehmigung war notwendig, um weder
Ertrag noch die Perlenfischerei als Ganzes zu gefährden. Die Anzahl der für die
Perlmutterwarenfertigung verwendeten Muscheln war begrenzt und hatte somit
auch einen Einfluss auf die Entwicklung dieses neuen Handwerkzweiges im
Vogtland. Wie hoch diese Mengen tatsächlich waren, ist für die ersten Jahre
bis 1860 nicht genau bekannt. In der Literatur wird berichtet, dass sich
einzelne Handwerker wegen fehlender Muscheln aus der Elster diese aus Bayern
besorgten und damit die Perlmuschelbestände dort gefährdeten. In der Festgabe zum 25jährigen
Regierungs-Jubiläum Seiner Majestät des Kaisers und Königs Wilhelm II. aus
dem Jahre 1913 lesen wir unter „Vereinigte Perlmutterwarenfabriken Louis
Nicolai & F. A. Schmidt & Sohn, Adorf im Vogtland (Sachsen)“: „… daß die sächsische Staatsregierung im Jahre 1854 sich
bereit zeigte, ihm das Privilegium zu gewähren, ihm jährlich 10.000
Elstermuscheln gegen ein nur geringes Entgelt zur Verwertung zu überlassen,
und schon nach wenigen Jahren hatte sich das neue Kunstgewerbe - man muß es als ein solches bezeichnen – einen großen
Liebhaber- und Kundenkreis erworben,…“ 10.000 Elstermuscheln/Jahr sind für den
Anfang eine Summe, mit der auch unter Beachtung eines größeren Verschnitts
bei der Verarbeitung eine beachtliche Menge an Fertigwaren hergestellt und
verkauft werden mussten. Dass ein solcher Erfolg bei den bisherigen
Recherchen in einer Vielzahl von Quellen unentdeckt blieb, wirft Fragen auf. Warum informierte zum Beispiel im Juni 1860
die Königliche Forstverwaltung Auerbach den Oberfischer Moritz Schmerler in Oelsnitz darüber, dass Friedrich August
Schmidt aus Adorf beim königlichen Finanzministerium in Dresden nachgesucht
hat, dass ihm eine gewisse Anzahl von Flussperlmuscheln alljährlich zur
Anfertigung verschiedenen Waren zur Verfügung gestellt werden? Hierzu wurde
Moritz Schmerler um Rücksprache gebeten. Ein
solcher Brief würde keinen Sinn machen, wenn bereits 1854 ein entsprechendes Privilegium
erteilt wurde. Das Ansinnen von Friedrich August Schmidt muss 1860 positiv
entschieden worden sein. Dies belegt ein in den Archivbeständen der
Stadt Oelsnitz im HAV erhalten gebliebenes „Naturaltbuch über die zur
Perlenzucht unbrauchbar gewordenen Perlmuscheln 1861-1895“. Der Inhalt dieses Buches zeigt, dass die
Bereitstellung von Flussperlmuscheln für die Adorfer
Perlmutterwarenherstellung eher recht übersichtlich war und weit unter den o.
g. genannten 10.000 Muscheln/Jahr lag. Woran das lag, ist schwer zu sagen.
Lag es an einer geringen Nachfrage aus Adorf oder an einer geringen
Bereitstellungsmenge durch die Perlenfischer im Sinne einer Bestandssicherung der
Muschelbestände für die Perlenfischerei? Die Liefermengen von Elstermuscheln an die Perlmutterwarenproduzenten
aus dem „Naturaltbuch“ werden durch die Zahlen in den Jahresberichten der
Handels- u. Gewerbekammer Plauen ab 1861 bis auf eine Ausnahme bestätigt. In
diesen Jahresberichten wird nie ein Firmenname genannt. Aus den Formulierungen
„ältester“ oder „größter“ Firma kann man schließen, dass es sich hierbei in
der Regel um die Firma F. A. Schmidt handelte. In den genannten
Jahresberichten finden wir auch eine Vielzahl von Hinweisen über den Bezug
von Muschelwaren außerhalb Sachsens. Für 1869 wird ein Bezug von ca. 100.000
Muscheln aus Bayern/Pfalz genannt. Dies ist ein Hinweis auf eine bedeutende
Steigerung der Nachfrage und der Fertigung. Für 1870 wird über Importe aus Liverpool
berichtet. Hierbei handelt es sich um Muscheln und Schnecken aus den Meeren. Anfang der 1870er Jahre soll es kaum noch
einen Bedarf an Elsterperlmuscheln gegeben haben. Wurden die
Flussperlmuscheln nun komplett aus Bayern bezogen? Für 1876 wird über den Verkauf von ca. 2.000
Gros (1gr = 144 Stück)
Elstermuschel-Portemonnaies geschrieben. Das sind in Summe
288.000 Stück. Es ist für mich ausgeschlossen, dass die Muscheln hierfür aus
dem Vogtland kamen. Für 1882 wird wieder über die enormen
Importmengen einer einzelnen Firma berichtet und gleichzeitig, dass Bayern die
Ausfuhr von Muscheln verboten hat. In den Jahren 1884/85 lohnen die
Elsterperlmuscheln nicht mehr und die Nachfrage sinkt. In den Jahren 1891/92 wird wieder von großen
Fertigungsmengen der Elstermuschel-Portemonnaies informiert. Dies zeigt, wie schwankend
die Nachfrage war. Laut dem „Naturalbuch“ wurden von den
Perlenfischern aus Oelsnitz in 34 Jahren in Summe 9.700 Elsterperlmuscheln an
die Perlmutterwarenfirmen ausgeliefert. Dies war ein verschwindend geringer
Teil an der Gesamtsumme der in dieser Zeit in Adorf verarbeiteten Muscheln
und Schnecken. Am 27. Mai 1883 lieferten die Perlenfischer
aus Oelsnitz 200 lebende Elsterperlmuscheln an Freiherr von Stein nach Groß Kochberg. Da war doch mal etwas! Dort residierte auch
Charlotte von Stein, die eine enge Beziehung zum Dichterfürsten Goethe
pflegte. Goethe übernachtete vom 3. zum 4. Juli 1795 in Adorf. Ob er bei
seiner damaligen Fahrt von Plauen nach Adorf in Oelsnitz auch Kontakt zu den
Perlenfischern hatte? Nicht ausgeschlossen, dass sich danach eine langjährige
Beziehung bezüglich Lieferungen von echten Flussperlmuscheln nach Thüringen
entwickelte. Die Möglichkeiten solche Muscheln für die eigenen Bäche zu
bekommen, waren auch damals schon begrenzt. Eine Nachfrage im Staatsarchiv Rudolstadt
ergab, dass im
Bestand "Archiv Großkochberg" keinerlei Hinweise auf
einem Bezug von Flussperlmuscheln aus Oelsnitz bzw. deren mögliche Verwendung
gefunden wurde. Diese werden doch nicht beim Freiherren von Stein in der
Küche gelandet sein. |
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Klaus-Peter Hörr März 2025 |