Perlmutterwarenunternehmer Johann Gottlob Friedrich Leibrich, Ernst Eduard Fickelscherer und Carl Richard Stolle

 

Die Herstellung von Perlmutterwaren ist ein Prozess mit einer Vielzahl von Arbeitsschritten. Es gab mit Sicherheit Fachleute, die die gesamte Bandbreite der verschiedenen Arbeitsschritte vom Anfang bis zum Ende beherrschten. Ob dies jeweils in qualitativer wie quantitativer Beziehung ausreichte, um am Markt im mittleren und oberen Preissegment zu bestehen, ist eine andere Frage. Da entsprechende Fähigkeiten nur mit einer Spezialisierung zu erreichen waren, benötigte ein Unternehmer hierfür diverse Arbeitskräfte, Lieferanten, Geschäftspartner und Investoren. Dies mag der Grund dafür gewesen zu sein, dass wir neben den größeren Perlmutterfirmen immer wieder die Situation vorfinden, dass sich zwei oder mehrere Unternehmer zusammenschlossen. Diese Zusammenschlüsse bestanden oft nicht lange und wechselten teilweise in kurzen Zeiträumen. Ein Beispiel hierfür ist die nachfolgende Geschichte der Perlmutterwarenunternehmer Leibrich, Fickelscherer und Stolle.

 

Am 17. Januar 1881 wurde die Firma Leibrich & Fickelscherer unter Fol. 64 in das Handelsregister Adorf eingetragen. Inhaber waren Johann Gottlob Friedrich Leibrich und Ernst Eduard Fickelscherer.

 

 

Diese Firma trat gegen die bereits etablierten und erfolgreichen Firmen wie F. A. Schmidt & Sohn, C. W. Lots oder auch Louis Nicolai an. Am 27. Juni 1881 öffnete das neue Unternehmen seine Türen für eine Delegation des Plauener Gewerbevereins und übergab den Besuchern ein Sortiment der zum Einsatz kommenden Muscheln und berichtete über ein schon recht hübsches Geschäft.

Im September des Jahres 1881 schaltete man im Leipziger Tageblatt und Anzeiger eine Anzeige und informierte, dass sie Am Markt 2 in Leipzig bei P. Fenscky ein Musterlager unterhalten. In den offiziellen Messekatalogen war die Firma noch nicht aufgeführt.

 

 

Paul Fenscky unterhielt unter obiger Anschrift eine „Permanente Muster-Ausstellung sämtlicher Industrie- & Handelsartikel“. Wer dort ausstellte, war sicherlich nicht nur zu den Messen im Zentrum von Leipzig mit seinen Waren vertreten.

 

Am 19. September 1882 wurde bereits wieder die Löschung der Firma bekanntgegeben. Gottlob Friedrich Leibrich gründete die Firma „Friedrich Leibrich“ und Eduard Fickelscherer gemeinsam mit Carl Richard Stolle die Firma „Stolle & Fickelscherer“.

Die Fa. Stolle & Fickelscherer hielt sich nicht lange mit der Vorrede auf und suchte per Anzeige im November 1882 passende Zimmer zum Ausstellen von Mustern für die Messe in Leipzig. Für die Ostermesse 1884 ist ein Messebesuch im offiziellen Mess-Adressbuch eingetragen.

Das junge Unternehmen besuchte nicht nur die Leipziger Messe, sondern nahm im Jahre 1883 auch erfolgreich an einer Ausstellung in Amsterdam teil und erhielten dort eine bronzene Medaille.

Die Zeitung „Freiberger Anzeiger und Tageblatt“ vom 13. April 1883 berichtete im Vorfeld der Ausstellung in Amsterdam darüber, dass dort auch die Adorfer Perlmutterwarenindustrie mit einer Firma vertreten sei. Deren Ausstellungsstücke beschreibt das Blatt wie folgt:

 

„Eine dortige Firma hat dazu ein feines Spieltischchen, eine Schreibschatulle, eine Spieldose, einen Handschuhkasten und verschiedene Kleinigkeiten anfertigen lassen, welche aus feinster Mosaikarbeit bestehen. Das Spieltischchen hat außerordentliche Mühe erfordert, denn in dessen Platte ist ein aus Perlmutter und schwarzer Seemuschel zusammengesetztes Damenbrett eingelassen, das sich durch eine verbogene Feder leicht öffnen läßt. Viele sein gezeichnete, theilweise mit Goldfischmuscheltheilen ausgelegte Arabesken lassen das Ganze als ein wahres Kunstwerk erscheinen. Holland ist ein guter Abnehmer für diese Fabrikate.“

 

Ob hier die Messeexponate der Firma Stolle & Fickelscherer beschrieben werden kann nur vermutet werden. Es ist nicht eindeutig beschrieben, dass  nur diese eine Firma die Adorfer Perlmutterwarenindustrie dort vertreten hat. Die beschriebenen Produkte belegen, dass man versucht hatte, auch im gehobenen Segment die Märkte zu erobern und nicht nur die preiswerten Massenprodukte anzubieten.

 

Im gleichen Jahr war das Unternehmen im Fabrikantenadressbuch des Königreiches Sachsen unter der Rubrik Perlmuschelwarenfabriken aufgeführt. Die Auszeichnung in Amsterdam war kein Garant für eine weitere erfolgreiche Entwicklung des Unternehmens. Am 8. Februar 1884 wurde die Firma im Handelsregister gelöscht und beide Unternehmer gingen mit den Firmen „Richard Stolle“ bzw. „Ed. Fickelscherer“ getrennte Wege.

 

Der Weg von Eduard Fickelscherer führte nach Oelsnitz im Vogtland. Dort wurde am 11. Mai 1886 die Firma „Eduard Fickelscherer“ in das dortige Handelsregister eingetragen. Laut Adressbuch von Oelsnitz für die Jahre 1889 und 1891 war Eduard Fickelscherer dort in der Falkensteiner Straße 126 Materialwaren- und Perlmutterwarenhändler. Das war eine Zeit, in der das Wort „Ware“ noch mit zwei a geschrieben wurde. Ob Eduard Fickelscherer noch selber Perlmutterwaren fertigte oder nur noch mit ihnen handelte, kann nicht mit Bestimmtheit gesagt werden.

Am 9. Juli 1895 wurde im Handelsregister Oelsnitz eingetragen, dass Anna Pauline verw. Fickelscherer geb. Wunderlich neue Inhaberin der Firma Eduard Fickelscherer ist.

 

Wie ging es mit den anderen Herren bzw. deren Perlmutterwarenfirmen weiter?

 

In den Adressbüchern zu den Leipziger Messen wird Friedrich Leibrich zur Oster- und Michaelismesse 1884 sowie auch 1886 aufgeführt. Ob er dort auch tatsächlich teilgenommen hat? Dem entgegen stehen verschiedene Zeitungsmeldungen von Mitte April 1884. In diesen wird von einem  Konkurs von Friedrich Leibrich berichtet. Er soll seit 1. April abwesend sein. Es wird vermutet, dass er zu seinem in Amerika lebenden Schwiegervater geflüchtet sei. Ein Jahr später wird das Konkursverfahren gegen Gottlob Friedrich Leibrich mit unbekanntem Aufenthalt eröffnet. Am 9. September 1886 berichten die „Dresdener Nachrichten“, dass das Konkursverfahren gegen Gottlob Friedrich Leibrich, Perlmutterwarenfabrikant, früher in Adorf, jetzt in Gohlis, aufgehoben ist. Ob der Schwiegervater aus Amerika für ihn die Verbindlichkeiten beglichen hat?

Am 5. März 1887 wurde die Firma Friedrich Leibrich im Handelsregister Adorf gelöscht.

 

Welchen Weg nahm Carl Richard Stolle?

 

Richard Stolle wird als Aussteller auf der Michaelismesse in Mess-Adressbuch von 1884 in Leipzig geführt. Die Abschlüsse müssen sehr übersichtlich gewesen sein. Am 22. Februar 1885 berichtete das Leipziger Tageblatt und Anzeiger aus Adorf über die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Muschelwarenfabrikanten Richard Stolle. Man spricht von ungedeckten Forderungen in Höhe von 40.000 Mark. Eine weitere Zeitungsmeldung vom April 1885 erwähnt, dass Richard Stolle in diesem Verfahren seine Verbindlichkeiten mit 35% bedienen kann. Am 4. September 1886 informiert das Königliche Amtsgericht, dass das Konkursverfahren über das Vermögen des Perlmutterwarenfabrikanten Carl Richard Stolle, Inhaber der Firma Richard Stolle in Adorf nach erfolgter Abhaltung des Schlusstermins aufgehoben wird.

 

Am 14. Juli 1918 wird in einer Zeitungsmeldung berichtet, dass der Privatmann Carl Friedrich Richard Stolle aus Jessen (Prov. Sachsen) im Alter von 67 Jahren bestattet wurde. Er hinterließ eine Witwe sowie je zwei Söhne und Töchter.

 

In einem Zeitungsbericht über den Stand der Adorfer Perlmutterwarenfabrikation im Jahre 1886 wird vermerkt, dass der eingetretene günstige Umschwung in diesem Bereich vor allem durch das Verschwinden einiger Schleuderkonkurrenten positiv beeinflusst wurde. Ob damit auch diese drei Perlmutterwarenfabrikanten gemeint waren?

 

Die Geschichte der drei Perlmutterwarenfabrikanten mit ihren Firmen zeigt mir deutlich, dass die Herstellung und der Vertrieb der Perlmutterwaren in Adorf kein einfaches Geschäft war. Viele Unternehmer versuchten, in diesem Bereich ihre Nische zu finden. Wer nicht genügend Kapital, marktfähige Produkte und eine hohe Flexibilität besaß, war schnell zum Scheitern verurteilt.

 

Klaus-Peter Hörr

Mai 2022

Aktualisierung August 2024