Fragte
man vor 1990 Einwohner aus Adorf nach ihrer Arbeitsstelle, gab es in der
Regel nur zwei Antworten, entweder beim „Uebel“/ “Baumwolle“ (später Vowetex)
bzw. beim „Claviez“/der „Halbmond“.
In
beiden Betrieben arbeiteten oft Familienmitglieder mehrerer Generationen
inklusive der gesamten Verwandtschaft.
Im
Bild unten der ehemalige Haupteingang für die Mitarbeiter gegenüber der
Tankstelle an der B92 mit dem großen Verwaltungsgebäude. Rechts daneben eine
Aufnahme von Wolfgang Weigert aus dem Jahre 2020. Auf dem ehemaligen
Werksgelände warten riesige Freiflächen auf neue Investitionen.
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Die zu fertigenden
Teppichmuster wurden über die oben an den Maschinen befindlichen Lochkarten
gesteuert. Für manche Muster- bzw. Farbwechsel reichte meist eine Schicht
nicht aus, um die Spulen mit der Wolle bzw. synthetischen Garnen zu wechseln.
Gleiches traf für den Wechsel des Kettbaumes zu. Trotz der relativ langen
Fertigungszeit eines Webteppichs hatten die nachfolgenden Fertigungsprozesse
durch die Anzahl der vorhandenen Webstühle gut zu tun. Ich vermute, dass die
Webstühle auf diesen Fotos noch die Vorgänger der modernen aus dem ehemaligen
Webstuhlbau Karl-Marx-Stadt waren.
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Die
in Adorf gefertigten Doppelteppiche waren in der DDR und in der Welt wegen
ihrer hohen Qualität sehr begehrt. Im Inland waren sie relativ teuer und im
Ausland wegen der Exportförderungen preiswert. Nach 1990 musste sich auch die
„Halbmond“ in diesem Sortiment in relativ kurzer Zeit dem internationalen
Wettbewerb stellen und kostendeckende Preise fordern. Dies gelang nicht im
erforderlichen Umfange und es begann der Anfang vom Ende der
Teppichproduktion in Adorf.
Die
hochwertigen Teppiche von damals liegen noch heute in so mancher guten Stube.
Nur im ehemaligen Interhotel Merkur in Leipzig, heute Hotel The Westin
Leipzig, wird kein Doppelteppich aus Adorf mehr liegen. Ich erinnere mich
gerne daran, wie ich ca. 1987 zur Leipziger Messe mit dem damaligen stellv. Absatzdirektor
dort kurz einen Kunden besuchen musste, um ihm zu sagen, dass wir die am
Messestand abgebrochenen Verhandlungen mit ihm am Abend nicht im Hotel
weiterführen durften. Die Kontakte zu
Kunden aus dem westlichen Ausland sollten am Messestand des Unternehmens
erfolgen. Da gab es mehr Augen und Ohren, die darauf achteten, dass alles
seine Ordnung hatte. Wir baten an der Rezeption des Hotels den Kunden zu
informieren, dass wir auf ihn in der Lobby warteten. Es dauerte nicht lange
und wir wurden von einem netten Herrn freundlich aber nachdrücklich gefragt,
was wir denn im Hotel wollen und auf wen wir warten. Dem stellv. Absatzdirektor war das zu dumm.
Er fragte den wissbegierigen Herrn, was sie denn mit dem Teppich, der die
Lobby „zierte“, gemacht hätten? Er sähe aus wie ein alter Waschlappen und
behindere unsere Verkaufsaktivitäten. Er möge sich schleunigst einen neuen
besorgen und die Pflegehinweise beachten. Der nette Herr war irritiert,
redete etwas von einem Reinigungspulver und zog sich zur Rezeption zurück.
Unser Kunde aus Kuwait quittierte die Gesprächsabsage mit einem verständnisvollen Lächeln. Mit einem neuen Termin für den nächsten Tag
verließen wir das Hotel, in dem Bürger aus dem eigenen Land argwöhnisch
beobachtet wurden. Ob man den Teppich aus Adorf ausgetauscht hat, ist mir
nicht bekannt.
Bleiben
Sie immer schön auf dem Teppich
Klaus-Peter
Hörr
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