Ernst Süßdorf Auszug aus der Geschichte der Leipziger Heilstätte
bei Adorf/Vogtl. |
Ernst Süßdorf beschäftigte sich viele Jahre mit der
Geschichte der Leipziger Heilstätte in Adorf/Vogtl.,
die auch ein Teil seiner
Familiengeschichte ist. Einen ersten Auszug aus seinem bis dahin
zusammengestellten Material veröffentlichte er im Jahre 2018 im Buch „Adorf/Vogtl. Lesebuch zur Stadtgeschichte“. Leider war es ihm nicht mehr möglich,
sein gesamtes Material inkl. der noch laufenden Recherchen und des breiten
noch nicht dokumentierten persönlichen Wissens wie geplant als Buch
herauszugeben. Eine Sichtung seines Materials zur
„Leipziger Heilstätte“ ergab, dass es ohne seine persönliche Mitwirkung kaum
gelingen wird, dieses Projekt in seinem Sinne zu vollenden. Deshalb habe ich
mich in Absprache mit seiner Witwe entschlossen, seinen ersten „Auszug aus
der Geschichte der Leipziger Heilstätte bei Adorf/Vogtl.“
in nachfolgender Form sehr nah am Original und mit Unterstützung des „Perlmutter
und Heimatmuseums Adorf“ für die
Homepage des Gewerbevereins aufzuarbeiten. Klaus-Peter Hörr März 2024 |
Leipziger
Heilstätte mit den Vorwerk (Gut) im Vordergrund |
Im Adorfer
Ortsteil Sorge eröffnete die Stadt Leipzig 1906 eine Lungenheilstätte. Die mehrmonatigen Aufenthalte in der
waldreichen Gegend taten den Lungentuberkulosekranken gut. Den meisten konnte
geholfen werden. Ein Blick hinter die Kulissen zeigt aber auch: Die Geschichte des
Hauses ist eine Geschichte des ständigen Bauens und Modernisierens gewesen. |
Feierten gekrönte Häupter einen runden
Geburtstag oder ein Regierungsjubiläum, wurde das gern zum Anlass genommen,
soziale Wohltaten über dem Volk auszuschütten. So auch, als der 70.
Geburtstag und das 25. Jahr der Thronbesteigung König Alberts von Sachsen
bevorstanden. Im Oktober 1897 beschloss der Stadtrat von Leipzig, eine
Heilanstalt für Lungentuberkulose-Kranke der Messestadt zu bauen. In einer
Gegend, in der die Luft reiner, das Wasser klarer und die Wälder grüner
waren, als in dem Flachland, das die Großstadt mit ihren rund 400.000
Einwohnern vor der Haustür hatte. Es gab im Erzgebirge, im Vogtland, an der
Nord- und Ostsee sowie in Schlesien viele Interessenten. In die engere Wahl kamen das Erzgebirge mit Lößnitz sowie Adorf im Vogtland.
Letztlich viel die Entscheidung auf Adorf im Vogtland. Neben den klimatischen
Bedingungen war wohl das Entgegenkommen des Adorfer Stadtrates unter Bürgermeister Kämnitz entscheidend. So kaufte die Stadt Leipzig das
Gelände der Sorge
von der Stadt Adorf (143 Quadratrute Wald, 69 Quadratrute Feld)
und von Privat (266 Qh Wald, 29 Qh Feld) insgesamt also 54,99 Hektar*. Aber bis zu dem Kaufvertrag und den
Genehmigungen zur Investition vergingen noch viele Monate. So verliefen die
Preisverhandlungen: |
Verkaufspreisvorstellung
der Stadt Adorf 66.772,55
M Privatbesitz
15.750,00 M Sonstiger
Besitz
9.200,00 M |
Dies ergab eine Summe von 91.722,55 M.
In den Verhandlungen erreichte die Stadt Leipzig, dass von der Adorfer Seite 4.772,55 M Preisnachlass gewährt
wurde. Somit ergab sich ein Gesamtpreis von 86.950,00 M. |
Die Kostenaufteilung zeigt folgendes Bild des Vorwerkes
vom 09.07.1902: Wohnhaus 4.900,00
M Stallungen
6.250,00
M Remise
und Scheune 2.850,00 M Scheune
1.950,00 M
Hof incl.
Be- und Entwässerung 5.700,00 M Sonstiges 2.350,00
M Summe 24.000,00 M |
Im Vergleich zu Leipzig sind im
Vogtland die Löhne, das Material, die Anfuhr teurer. Dies bedingen die
unwegsamen Wegeverhältnisse zu dieser Zeit. Im Ergebnis gab das Hochbauamt
eine Einschätzung ab, das hier ca. 24.110,00 M aufzuwenden seien, um aus
damaliger Sicht vertretbare Wegeverhältnisse zu schaffen. |
Leipziger
Heilstätte 1908 |
Hustenanfälle mit blutigem Auswurf,
Atemnot, Schweißausbrüche, bleiche Haut, dazu Gewichtsverlust – wenn sich ein
Kranker mit diesen Symptomen zum Doktor schleppte, wusste er meistens selber
schon, woran er litt: an Lungen-Tuberkulose. Mit fortschreitendem Verlauf
baute der Körper stark ab, er schien dahinzuschwinden, weshalb Lungen-Tbc landläufig
als Schwindsucht bekannt war. Die
hochansteckende Krankheit wird in der Regel durch Tröpfchen-Infektion aus der
Luft weitergegeben. In den meisten Fällen
nisten sich die Bakterien(Bazillen) in der Lunge ein. Besonders
Untergewichtige, körperlich Schwache und chronisch Kranke haben den
Erregern wenig entgegenzusetzen.
Unsere Vorfahren fürchteten die „weiße Pest“ als eine der schrecklichsten
Seuchen. Um die Wende zum 20. Jahrhundert stand die Volkskrankheit in den
Mortalitäts-Statistiken auf dem ersten Platz. Die Entwicklung der Tbc ab
1890, die aus der Statistik bekannt ist, gilt auch in etwa für Deutschland. |
Entwicklung der
Tuberkulose in Österreich von 1890 – 1970**** Quelle: Wikipedia
„Tuberculose“ |
Tuberkulosekranke
in Europa**** |
Quelle:
Wikipedia „Tuberculose“ |
Besonders beeindruckend ist der Erfolg in
der DDR infolge der Konsequenz mit BZG- Schutzimpfung und Schirmbildreihenuntersuchung. Jeder achte bis zehnte Tote ging bis dahin
auf das Konto der Schwindsucht. Der „typische“ Tuberkulose-Kranke war
männlich, zwischen 20 und 30 Jahre alt und Industriearbeiter. Um 1900
vermerkten die Mediziner bei vier von zehn Menschen, die in diesem Alter
verstarben, als Todesursache Tuberkulose auf dem Totenschein. Ausgerottet ist die Krankheit bis heute
nicht, weltweit rafft sie jährlich immer noch 1,5 Millionen Menschen dahin,
wobei die armen Länder dieser Erde deutlich stärker betroffen sind. Doch zurück zu den Anfängen der
systematischen Tbc-Behandlung. In Deutschland gründete 1854 der Arzt Hermann
Brehmer in Görbersdorf im Waldenburger Land*****
die erste Lungenheilanstalt. Während bisher Lungen-Tuberkulose-Kranke als
schwindsüchtige Todeskandidaten in schlecht gelüfteten Viel-Bett-Räumen der
Hospitäler bis zu ihrem Ende gepflegt wurden, verfolgte Brehmer einen neuen
Ansatz: Frische Luft, so viel wie möglich. Die Patienten brachten den ganzen
Tag aktiv im Freien zu, geschlafen wurde bei offenem, vorhanglosem Fenster.
Der Medizin-Pionier erzielte aufsehenerregende Erfolge mit seiner Methode, Görbersdorf wurde zu einer Art Wallfahrtsort für
Tbc-Erkrankte – zumindest solche, die es sich leisten konnten. Brehmers Assistent Peter Dettweiler
erweiterte in seinem 1876 in Falkenstein im Taunus gegründeten Sanatorium die
Behandlungsmethoden durch sogenannte Freiluft-Liegekuren. Sein Rezept: Ruhe
statt Bewegung. Lungen-Tbc-Heilstätten eröffneten auch im
Schwarzwald, im Vogtland (Reiboldsgrün und Carolagrün), in Thüringen und im Harz; vorerst hauptsächlich für
Privatpatienten, die mit gutem Essen,
Ruhe und sauberer Luft wieder fit gemacht werden sollten. Der breiten Masse
der Tuberkulose-Kranken, den wirtschaftlich Schwachen, die in ihren
Arbeiterwohnquartieren hausten, nützten solche Initiativen erstmals
allerdings herzlich wenig. Der Sinneswandel hin zur Therapie für alle
setzte erst ein, nachdem Robert Koch 1882 den Tuberkel-Bazillus entdeckt
hatte und Conrad Röntgen 1895 seine unsichtbaren Strahlen, mit denen man die
Krankheit sichtbar machen konnte. War bislang nur bekannt, dass die
Schwindsucht, an der jährlich ca. 80.000 Deutsche starben, heimtückisch und
ansteckend war, so wusste man nun, welcher Feind zu bekämpfen war. Es mehrten
sich die Stimmen, die Volkssanatorien forderten, in denen die Kranken zu
niedrigen Preisen nach den neuesten medizinischen Erkenntnissen behandelt
werden sollten. Ein solches Gesundheitsprogramm brauchte Geld. Die
finanziellen Mittel flossen ab Mitte der 1880er-Jahren von den neu
gegründeten Versicherungsanstalten (später Landesversicherungsanstalten), einer
sozialen Errungenschaft des jungen Kaiserreiches. Auch private
Wohlfahrtsverbände und kommunale Organisationen ließen sich die
Volksgesundheit verstärkt angelegen sein, so dass um die Wende zum 20.
Jahrhundert in den deutschen Mittelgebirgen schon etliche Lungenheilstätten
in Betrieb waren. Mit der bei Adorf/Vogtland kam eine weitere hinzu. Um die
Investition zu stemmen, richtete der Leipziger Stadtrat 1898 eine
gemeinnützige Stiftung über 400.000 Mark ein. Anlass für die zweckgebundene
Schenkung waren, wie eingangs erwähnt, des Königs runde Zahlen: Albert wurde
70 und saß seit 25 Jahren auf dem Thron. Den Löwenanteil des
Stiftungskapitals, 300.000 Mark, steckte die Stadt sogleich in die geplante
Heilstätte für lungenkranke Männer. Als weiterer Geldgeber beteiligte sich
das Leipziger Johannis-Hospital am Bau. Die Finanzierung war somit unter Dach
und Fach, doch wo sollte das Heilanstalt stehen? Um das lukrative Objekt
hatten sich zahlreiche Kommunen beworben, Eine Deputation des Leipziger Stadtrates
machte sich auf zur Ortsbesichtigung in die sächsischen Mittelgebirge. Unter allen Kandidaten
sammelte ein Standort in Südhanglage im oberen Vogtland die meisten
Pluspunkte – das zu Adorf/Vogtland gehörende Vorwerk Sorge. Im Februar 1901
kaufte
die Stadt Leipzig das drei Kilometer von
Adorf entfernt liegende Anwesen für 86.960 Mark. In der
Stadtratssitzung der Stadt Leipzig einigte
man sich auf den Bau der Lungenheilstätte mit einem Betrag von 665.450 M,
wobei der Kompromiss darin lag, dass die Bettenkapazität auf 85 Betten (ursprünglich waren 100 Betten
vorgesehen) reduziert wurde. Der trotzdem noch offene Differenzbetrag sollte
durch das Johannishospital aufgebracht werden, da es die Aufgabe hatte,
Menschen zu unterstützen, die nicht im Vollbesitz Ihrer Kräfte sind. Vorwerk Sorge Daraufhin wurde am 31.5.1901 eine
Ausschreibung als Wettbewerb durchgeführt. Der Sieger, die Fa. Reichelt und
Kühn aus Leipzig erhielt den Auftrag zur Projektierung. Es wurden folgende Adorfer
Betriebe und aus dem Umland beim Bau mit einbezogen: Amtsstraßenmeister Hiller, Ratsförster
Lohse, Tiefbau A. Mothes, Maurer und
Zimmererarbeiten A. L. Friedrich, Oberes Rittergut Freiberg Herr Rückart zur Gesteinsgewinnung, Lohnfuhrunternehmer
Zeidler, Lohnfuhrunternehmen und Bauunternehmen W. Martin und viele andere
mehr. Am 21. Mai 1906 wurde die Leipziger
Heilstätte eröffnet. Der Leipziger Stadtrat hatte eine Entscheidung mit
Weitblick getroffen. Noch ein halbes Jahrhundert später lobte der damalige
Ärztliche Direktor Dr. med. Erich Süßdorf in einer
Jubiläumsrede deren Emissäre: „Wir können heute aus den 50-jährigen
Erfahrungen bestätigen, dass diese Kommission einen glücklichen Griff getan
hat, da die Anstalt nach Lage und Klima auch heute noch allen Anforderungen
entspricht.“ Den ersten Durchgang in der
Leipziger-Heilstätte bei Adorf/Vogtland belegten 86 Männer. Für die
schwindsüchtigen Großstädter muss sich der Aufenthalt wie ein Abstecher ins
Paradies angefühlt haben: Gutes, reichhaltiges Essen, dazu Behandlungen wie:
Freiluft-Liegekuren, beschränkte Spaziergänge und abgestimmte
Wasseranwendungen. Küche 1913 Um das Personal dürfte es seinerzeit nicht
grundsätzlich schlechter als bei der heutigen stationären Krankenpflege
bestellt gewesen sein**. An der Seite des Chefarztes Dr. med. Ludwig Thieme
und des Verwaltungsinspektors Römer mühten sich 18 Beschäftigte um das Wohl
der Genesungssuchenden – auf der Krankenstation,
in Küche, Wäscherei, Werkstatt und Heizung sowie Gärtnerei. Weitere fünf
Arbeiter bewirtschafteten das frühere Vorwerk mit seinen 10 Hektar Felder, 11
Hektar Wiesen und 34 Hektar Wald. Für die Verpflegung kalkulierte die Küche
mit 3,50 bis 4,25 Mark pro Tag und Patient – mehr, als ein Arbeiter daheim
täglich für Essen und Trinken seiner gesamten Familie ausgeben konnte! So wie
die Heilstätte
1906 in Betrieb genommen wurde, bestand sie keine zehn Jahre. Noch vor dem
Ersten Weltkrieg wurden die Liegehalle um eine Holzliegehalle erweitert und die größeren
Krankensäle unterteilt in Drei-Bett-Zimmer. Die Bettenzahl stieg auf 94, auch
hatte die Acetylen-Gasanlage, mit der für Licht im Haus gesorgt wurde,
bereits wieder ausgedient. Sie wurde abgelöst durch moderne Elektrizität aus
der „Überland-Zentrale“. Gerade in den Kriegs- und den anschließenden
Inflationsjahren bis 1924 war es für die Anstalt sehr hilfreich, sich mit
wichtigen Lebensmitteln selber versorgen zu können. Der angeschlossene
Gutsbetrieb mästete 25 Schweine, zudem standen zwölf Kühe und zwei Pferde im
Stall. 140 Hühner (anfänglich waren es 48) lieferten die Eier fürs Frühstück
und das Fleisch für die Suppe. Gemüse, Gewürze und Blumen wuchsen in der
eigenen Gärtnerei. Diese Autarkie setzte Haushaltsmittel frei, so dass sich
die Heilstätte just in dieser entbehrungsreichen Zeit daran
machen konnte, Außenanlagen und Spazierwege anzulegen. Hatte der Aufenthalt in der Leipziger
Heilstätte, in die nur leichter Erkrankte eingewiesen wurden, bis dahin viel
von einer Kureinrichtung, so änderte sich dies in den 1920er-Jahren. Die
Wissenschaft war inzwischen weiter, statt lediglich Liegekuren und
Spaziergänge zu verordnen, setzten die Mediziner inzwischen, wenn nötig, auch
das Skalpell an, um die Krankheitsherde in der Lunge herauszuschneiden. In
der Sorge wurden nun auch schwerere Lungen -Tbc-Fälle behandelt, die
Heilstätte machte einen Schritt in Richtung Fachkrankenhaus. Dementsprechend
verlangte die Diagnostik ein deutlich höheres Niveau.
1925/26 wurden ein Laboratorium eingerichtet und ein neuer Röntgenapparat
angeschafft. Durch die akuteren schweren Erkrankungen starben auch
einige
Patienten, so dass in dieser Zeit und zwar
1928 im Wald eine Leichenhalle gebaut wurde. Wesentlich für die Profilierung des Hauses
vor allem aber war: eine zusätzliche Abteilung, eine
Kinder-Station mit 60 Betten. Bereits 1918
hatte Chefarzt Dr. Thieme eine solche Station als dringend notwendig
angemahnt, da während des Krieges die Tuberkulose unter den abgemagerten
Großstadtkindern dramatisch um sich griff. In Betrieb genommen werden konnte
sie aber erst zehn Jahre später, im März 1928. Ursprünglich vorgesehen war
eine Holzbaracke, die das Leipziger Hochbauamt aber abgelehnte. Stattdessen
setzte die Behörde ihr eigenes Projekt durch, einen Massivbau. Wobei sie die
Planvorlagen so weit zusammenstrich, dass die veranschlagten Kosten von
800.000 Mark für Gebäude und Einrichtung eingehalten wurden. 60 Kinder zusätzlich aufzunehmen – mit einer
Bettenstadt pro Kopf war das nicht getan. Die Wasserversorgung musste
stabilisiert werden, dafür brauchte es ein Pumpenhaus in der Schwarzbach-Aue
um eine Erweiterung der Wasserversorgung zu erreichen. Dann mussten die
schwindsüchtigen Kinder, denen der Wind durch die Rippen blies, kräftige und
gesunde Kost bekommen. Milch, Fleisch, Eier, Gemüse – die Anstaltsleitung
setzte weiterhin auf das bewährte Prinzip Eigenversorgung und vergrößerte den
Nutztierbestand des Gutes auf 35 Schweine, 23 Rinder, 200 Hühner, weiter Gänse,
Puten und vier Pferde. Die erweiterten Ställe entsprachen den modernsten
Anforderungen: Der Kuhstall war unter anderem komplett mit Klinkern versehen. Nach 22 Jahren an der Spitze der
Lungenheilstätte verstarb Stadtmedizinalrat Dr. med. Ludwig Thieme im
Dezember 1928. Als seinen Nachfolger berief der Leipziger Stadtrat Dr. med.
Erich Süßdorf. Der neue Chef begann seinen Dienst
im Februar 1929, er sollte die Funktion 33 Jahre lang, bis zu seinem Tod 1962
bekleiden. Dr. med. Süßdorfs Amtsantritt fiel in eine denkbar
ungünstige Zeit, im Oktober 1929 begann die Weltwirtschaftskrise. Der
Rotstift regierte. So wurden •
Pläne, Adorf zu einer Tuberkulose-Klinik mit allen Einrichtungen der großen
Lungen-Chirurgie auszubauen – gestrichen. • Anregungen, wenigstens damals gängige
kleine chirurgische Eingriffe durchzuführen – Dr. Süßdorf nannte
in seiner 1956er Festrede Pneumothoraxbehandlung,
Kaustik und Phrenicusausschaltung*** – auf Eis gelegt. Öffentliche und private Kostenträger
schränkten ihre Zahlungen ein, die einspringenden Wohlfahrtsämter fuhren die
täglichen Verpflegungssätze herunter auf 5 Mark für Erwachsene und 3,50 Mark
für Kinder. Letzten Endes ging es nur noch darum, den Betrieb durch die
Krisenjahre zu bringen. Was gut gelang. 1934 war die Rezession überstanden. Die
Leistungsträger zahlten wieder angemessen, Sorgen um die Belegung mussten
sich Heilstätten-Chef
Dr. Süßdorf und seine Mitarbeiter
keine mehr machen. Zudem belasteten die Tilgungsraten für den Bau der
Kinder-Abteilung den Etat nicht mehr, die Kredite waren abbezahlt. In Deutschland regierte nun Hitler, das Land
war ein anderes geworden. Unmittelbare Auswirkungen des neuen politischen
Systems auf die Lungenanstalt beschrieb Dr. Süßdorf
in seiner Jubiläumsansprache von 1956 aber nicht, da keiner von den
Mitarbeitern in der KPD war, denn diese mussten nach einer Verfügung der
Regierung vom 19.3.1933 entlassen werden. Stattdessen rekapitulierte er eine
Phase, in der es mit der Heilstätte unübersehbar aufwärts
ging. Die sozialistischen Kader im Publikum werden diesem Teil der
Rede mit Missmut gelauscht haben. Die Nationalsozialisten mit irgendetwas
Fortschrittlichem in Zusammenhang zu bringen, war im DDR-Geschichtsbild
tabuisiert. Aber der Obermedizinalrat listete nichts anderes
als Tatsachen auf, und man erfährt aus dieser Aufzählung interessante
Einzelheiten über Sanatoriums-Ausstattung und Patienten-Unterbringung in den
1930er-Jahren: • 1934 – „Die Rundfunkanlage mit Kopfhörern
für Bett und Liegestuhl ausgestattet, nachdem sie bereits seit 1927 mit
Lautsprecheranlage in bescheidener Form eingerichtet gewesen war.“ • 1935 – „Die Männer-Abteilung erhielt einen
neuen Anstrich, wobei für die Innenräume hellere Farbtöne gewählt und neue
Beleuchtungskörper beschafft wurden. Ferner wurde der Speiseaufzug
ins 1. Stockwerk hochgeführt zur leichteren
Versorgung der wachsenden Zahl der Bettkranken.“ • 1936 – „Die Ausbauarbeiten wurden
fortgesetzt mit Beschaffung von Schlaraffia-Matratzen für alle Krankenbetten,
ferner durch Verbesserung der Einrichtungen der technischen Abteilung und des
Gutsbetriebs, in dem unter anderem ein großer Schweineauslauf und 1938 ein
Schweinepilz- ein
Stall für 40 Schweine - geschaffen wurde.“ Speisesaal 1910 • 1937 – „Die Bettenzahl der Kinder wurde
auf 80 erhöht. Für die
Männer-Abteilung wurden Wärmedecken und Wärmekruken
beschafft anstelle der dauernd reparaturbedürftigen Wärmflaschen. In Küche
und Waschküche wurden die maschinellen Einrichtungen verbessert, im
Gutsbetrieb ein neuer Hühnerstall gebaut und im übrigen
die Spazierwege um die Anstalt und die Zufahrtsstraße von Adorf verbessert,
die zwar erst im Jahre 1925 neu gebaut worden war, aber durch den inzwischen fast
ausschließlich motorisierten Verkehr stark abgenutzt wurde.“ • 1938 – „Das Jahr brachte den längst
notwendigen Umbau der Waschräume in der Männer-Abteilung mit Einrichtung von
Einzelwaschbecken in den Waschräumen und kleinen Krankenzimmern, den Umbau des
Kranken- und des Personalbades und vor allem – wenn auch in bescheidenerer
Form als ursprünglich geplant – den Ausbau der ärztlichen Untersuchungs- und
Behandlungs-Abteilung mit Operationsraum. In der Kinder-Abteilung wurde eine
neue Mittelhalle errichtet und damit die Möglichkeit geschaffen, während der
Sommermonate die Belegung auf 95 Kinder zu steigern. Im Gutsbetrieb wurde
eine Scheune mit Wagenremise gebaut.“ Ein Jahrfünft Umbau und Erneuerung – die
Mittel erwirtschaftete das dauerhaft voll belegte Haus größtenteils selbst.
Nach dem Abschluss der Modernisierung verfügte das Sanatorium über insgesamt
180 Betten (im Sommer 190), auf der Lohnliste standen 73 Mitarbeiter. Und die Nachfrage riss nicht ab, ganz im
Gegenteil. Ein Platz in der Adorfer Genesungsstätte
war damals äußerst begehrt. Investieren und bauen blieb daher ein Dauerthema
auf den
Dienstbesprechungen der Heilstättenleitung.
Kesselhaus, Infektionshaus für die Kinder- Abteilung, Ärztehaus … – die Vorhaben gingen
nicht aus. Doch dann kam der Zweite Weltkrieg und
machte diese Pläne zunichte. Jäh änderten sich nun die Prioritäten der
Kranken-Anstalt. Mehr Schweine zu mästen - hierzu wurde an den Kuhstall ein
Schweinezuchtstall 1941 angebaut, als Beitrag zur Volksernährung lautete nun
das Gebot der Stunde. Statt in medizinisches Know-how floss also 1941
frisches Geld in größere Stallungen für die Sauen. Immerhin: Ein lange
erwarteter Röntgen-Apparat traf 1944 endlich ein, allerdings ohne das
mitbestellte Schichtgerät. Und es war auch möglich, die Kühlanlagen auf
Strombetrieb umzurüsten. Das Eishaus wurde 1944
teilweise abgetragen. Den Teich, aus dem die Gutsarbeiter bis dahin die
Eisblöcke herausgesägt hatten, gibt es noch heute. Dort konnten die Kinder
der Angestellten Schlittschuh laufen. Speisesaal als
Veranstaltungsraum 1930 In den Kriegsjahren war die
Lungen-Heilstätte andauernd über die Kapazitätsgrenze belegt. Die
Männer-Abteilung mit immer mehr Schwerkranken, die eigentlich ins Krankenhaus
gehörten, die Kinder-Abteilung mit vielen Prophylaktikern,
die oftmals nur Kräftigungskuren nötig hatten. Für solche Fälle wurde ab 1943
zeitweilig in ein ehemaliges Zollhaus in Bad Elster ausgewichen. 25 Mädchen
und Jungen konnten sich dort für vier bis sechs Wochen erholen. Von der Überbelegung und materiellen
Einschränkungen abgesehen, ließ der Krieg die abgelegene Heilstätte in den obervogtländischen Wäldern ansonsten in Ruhe. Und es
schien, als sollte die Anstalt eine Insel der Verschonten bleiben. Bis kurz
vor Ultimo. In der letzten Kriegswoche tauchten Soldaten
auf dem Heilstätten-Gelände auf. Sie gehörten einer Einheit des berüchtigten
Wehrmachtsgenerals Ferdinand Schörner an und
wollten sich in der Heilstätte einquartieren. Chefarzt Dr. Süßdorf widersetzte sich, verwies auf die Genfer Konvention, auf das Rote Kreuz auf dem Dach.
Der Anführer lenkte daraufhin ein und zog mit
seiner Truppe ab ins Gut. Von dort setzte
der Funker eine verhängnisvolle Meldung ab: Hier ist Stützpunkt Heilstätte! Die Amerikaner standen auf der Arnsgrüner Höhe, fingen diesen Funkspruch auf, richteten
ihre Artillerie auf das Haupthaus und eröffneten das Feuer. Beim Angriff am
4. Mai 1945 gegen zwölf Uhr kam der Kassierer der Heilstätte ums Leben.
Mehrere Menschen erlitten Verletzungen. Ein glücklicher Zufall verhinderte
eine noch viel größere Katastrophe: Ausgerechnet an diesem Tag war das
Mittagessen etwas später fertig geworden und der Speisesaal noch leer. Genau
in den krachte eine Granate durchs Dach! Dennoch: Der Beschuss hatte den
Anstaltsbetrieb zeitweilig lahmgelegt. Volltreffer hatten in den Ostflügel
des Männerhauses eingeschlagen, wo sie den Speisesaal und die Personalräume
zerstörten, ebenso in Waschhaus und Schlosserei. Außerdem waren die Stein-
und die Holz-Liegehalle schwer beschädigt und alle elektrischen Freileitungen
zerfetzt worden sowie sämtliche Fenster zu Bruch gegangen. Diese Schäden zu
beheben, dauerte bis 1947. Das Kinderheim war den amerikanischen
Kanonieren zum Glück verborgen geblieben. Nicht auszudenken, wenn der Wald
den Blick darauf nicht versperrt hätte …. Nach dem Waffenstillstand 8.Mai 1945 galt es
die Heilstätte wieder funktionsfähig zu gestalten. Im Vogtland waren die
Amerikaner bis zum Juni stationiert. Danach wurde das Gebiet von der Roten
Armee der Sowjetunion besetzt. Die
Stadt Leipzig gehörte sofort nach Kriegsende zur sowjetischen Besatzungszone.
Mitte Mai hat die Stadt Leipzig eine LKW-Ladung Dachpappe in Brandis für die
Heilstätte geordert. Nachdem die Fahrgenehmigung der Fa. Scherbaum durch die
Militäradministration der US Armee erteilt wurde, konnte der Maschinenmeister
Freytag mit der Fa. Scherbaum(5 t LKW Krupp mit
Holzvergaser) nach Leipzig fahren. Als sie in Brandis ankamen, wurde ihnen
mitgeteilt, dass die Dachpappe durch die sowj. Militäradministration
beschlagnahmt sei. Es gab keine Möglichkeit an diese
Ladung zu kommen. So fuhren die beiden unverrichteter Dinge
wieder nach Hause. Wegen der Beschädigungen konnte der Heilstätten-Betrieb
nach dem Krieg zunächst nur eingeschränkt weitergehen: mit 60 Betten in der
Männer- und 40 in der Kinder-Abteilung. Für ein Jahr schickte das Leipziger
Gesundheitsamt auch Frauen nach Adorf. Für sie wurde ein Seitenflügel des Kinderhauses
mit 25 Betten freigezogen, den ab Sommer 1946 aber schon wieder minderjährige Patienten
belegten. Und dann war da auch noch der Extremwinter
1946/47 zu überstehen, in dem in Deutschland hunderttausende Menschen
verhungerten oder erfroren. In Adorf musste die Kinder-Abteilung fast
komplett geschlossen werden, weil es keine Kohle mehr zum Heizen gab. Danach
endlich begann sich die Lage wieder zu bessern. Das Land Sachsen hatte im Februar 1947 ein
Tuberkulose-Gesetz erlassen, das zu einigen Erleichterungen für den
Heilbetrieb führte. Die kriegsbedingte Überfüllung mit aussichtslosen
Pflegefällen wich einer geordneten, planvollen Belegung. Vor allem mussten
die Patienten nach dem Ende ihres Durchgangs nicht mehr prinzipiell
heimgeschickt werden, sondern die Ärzte konnten nun von Fall zu Fall den
Aufenthalt verlängern, wenn es medizinisch notwendig schien. Die Patienten
bezogen dann auch länger Krankengeld. Um aber den verstärkten Anforderungen
bei der Ausmerzung der Lungentuberkulose gerecht zu werden, wurde die
Bettenzahl erhöht. Das Kurheim Adorf, das besonders schwerstkranke
Patienten aufnahm, wurde in die Heilstätte am 1. Juli 1946 integriert. Im
Kurheim, dass bislang die Villa des Fabrikanten Emil Claviez
war, wurden anfänglich 50 Patienten von ca. 15 Mitarbeitern versorgt. Ab 1948
stabilisierte sich die Patientenzahl auf 32 und auch die Mitarbeiterzahl ging
auf 14 zurück. Damit keine Tristesse aufkam im
Genesungsheim etwas abseits der Zivilisation, kümmerte sich die Heilstättenleitung um kulturelle Angebote. Einmal in der
Woche rückte der Filmvorführer (Landfilm) an. Jeden
Monat wurden ein „künstlerisches Gastspiel“ und „belehrende“ Vorträge
geboten. Und die Eltern minderjähriger Patienten waren endlich von der Sorge
befreit, ihre Sprösslinge könnten durch die Heilkur den schulischen Anschluss total verpassen. Die
Kinder-Abteilung erhielt 1949 endlich die schon vor dem Krieg genehmigte
Heimschule mit zwei Lehrkräften. Sozialleistungen ließ die neue Ordnung auch
der Belegschaft angedeihen. Der achtstündige Arbeitstag wurde auf
siebeneinhalb Stunden reduziert, es gab mehr Urlaubstage. In der Heilstätte
waren mittlerweile 95 Mitarbeiter u. Mitarbeiterinnen beschäftigt, was
wiederum die Frage aufwarf, wo denn die Mitarbeiter alle unterzubringen
wären. Dieses Problem lag lange auf dem Tisch. Das 1953 eingerichtete
Personalhaus bezeichnete Dr. Süßdorf in seiner
Ansprache von 1956 schon wieder als einen „Notbau“.
Interessant ist auch zu erwähnen, dass der Bau von der Fa. Alfred Wohlrab
Adorf komplett geplant wurde und diese Firma sollte den Bau auch realisieren.
Aber in einem sozialistischen Staat darf so etwas eben nicht gemacht werden,
und daher war der
Ausführende Betrieb der VEB KWU Bad Elster.
Die Raumnot wäre sogar noch größer gewesen, hätte der leidige
Arbeitskräftemangel in der DDR einen Bogen um die Adorfer
Heilstätte gemacht. Das tat er aber nicht. Gerade im Fachkräftebereich waren
zeitweilig nur zwei Drittel der Stellen besetzt. Der Anstaltsbetrieb mit
voller Belegung stand so mitunter auf der Kippe. Am Ende seiner Rede fasste der Chefarzt die
Bilanz „unserer Sorg“ in wenigen Zahlen zusammen: Mehr als 20.000 Kranke
suchten in dem halben Jahrhundert Heilung von ihrem Lungenleiden. 90 Prozent
konnten als „gebessert“ entlassen werden, davon zwei Drittel als wieder
arbeits- beziehungsweise schulfähig. Als das Jubiläum gefeiert wurde, hatte die
Stadt Leipzig schon nichts mehr mit dem Heim zu tun. 1951 war die Einrichtung
auf den Kreis Oelsnitz/V. übergegangen, sie hieß fortan „Tbc-Heilstätte
Adorf“. Ein Jahr nach der Übernahme ließ der neue Träger den Hof des
Sanatoriums pflastern, in werthaltigen Mosaik-Granit Pflaster. Weniger
langzeitorientiert wurde die Heizung in Gang gehalten. Im Männerheim strömte
Dampf durch die Rohre (abends um zehn waren die kalt). Im Kinderheim heizte
Warmwasser die Räume, das über eine 200 Meter lange Leitung in die Heizkörper
gepumpt wurde. Da der Wald wuchs und den Abzug des Rauchs behinderte, mussten
die vier Schornsteine alle paar Jahre ein Stückchen aufgemauert
werden. Erst bei der kompletten Erneuerung der Kesselanlage 1969 wurde ein
zentraler, 30 Meter hoher Schornstein gesetzt.
Der Heizer war um seinen Job übrigens nicht
zu beneiden: Statt Steinkohlenkoks, ein knappes Gut in der DDR, verfeuerte er
minderwertige Rohbraunkohle. Im Winter schürte der unverdrossene Mann nachts
um zwei die Kessel an, da hatte er aber schon einen Fußmarsch durch den Wald
hinter sich, denn er lief aus Wohlbach quer durch
den Wald. Den Beruf zu wechseln kam
für Arno Renz trotzdem nie in Frage, er hielt seinem Arbeitgeber von 1922 bis
zur Rente im Jahr 1962 die Treue. Mehrere andere Heimangestellte waren
ähnlich altgedient. Die Spitze hielt die Näherin Frieda Zeiner,
die 47 Jahre für die Patienten steppte, ehe sie 1965 mit 74 Jahren in Rente
ging. 1953 wurde im Rahmen des Kreises Oelsnitz
eine Planung unter anderen für das Gesundheitswesen erstellt. In diesem Plan
finden wir auch Planungen aus dem Jahr 1939 wieder. Es sollte ein Kesselhaus
gebaut werden – Investitionssumme 750 TM, eine Infektionsabteilung für Kinder
für 250 TM, Personalhausanbau –
im damaligen Zustand waren in 35 Zimmern 50 Mitarbeiterinnen
untergebracht. Desweiteren musste für die
Kläranlage eine Chlorierungsanlage aufgebaut werden. Hierzu fehlte die
Stromzuführung. Als man endlich das Kabel für 400 Meter hatte, fehlten 5
Strommaste, die in Eigenleistung von der Anstalt letztlich hergestellt
wurden. Diese Maßnahmen wurden später gestrichen bzw. verschoben. Vom eigenen
Gut musste sich die Heilanstalt Anfang 1958 trennen, gegen ihren Willen. Die Oelsnitzer SED-Kreisleitung und der Rat des Kreises
schanzten den Landwirtschaftsbetrieb der LPG „Vereinte Kraft“ Adorf zu, um
deren Bilanz zu frisieren. In einer anderen Sache dagegen konnten sich
die Kreis-Politiker nicht durchsetzen: Die monatlichen Gottesdienste in der Heilstätte
waren der Kreisleitung der SED sowie dem Rat des Kreises Oelsnitz/V. ein Dorn
im Auge und sollten unterbleiben. Chefarzt Dr. Süßdorf
hielt sich aber nicht an diese Anweisung. Konsequenzen hatte das – keine. Der
Doktor wurde gebraucht und deshalb die Betstunde stillschweigend geduldet. Unterdessen war es seit Ende der 1950er
Jahre gelungen, in der DDR die Lungentuberkulose stark zurückzudrängen. Die
DDR-Gesundheitspolitik setzte auf die Impfpflicht und die Schirmbildaktion
(Röntgen-Reihenuntersuchungen). Die Erfolge der Prophylaxe zeigten sich vor
allem bei Heranwachsenden. Behandlungsbedürftige Kinder trafen kaum noch ein.
Kinderabteilung 1962 wurde das Kinderhaus deshalb noch eine
Zeit lang als Abteilung für junge Männer betrieben. Das Haus 1, das
Männerheim, blieb noch bis 1975 geöffnet, dann hatte es als Heilanstalt für
Lungenkranke ebenfalls ausgedient. Die Tuberkulose war weitgehend reduziert. Somit konnte das Kurheim, das für TBC
Kranke eingerichtet war, im Jahr 1961 als erstes geschlossen werden. Hier
wurde ein Altersheim eingerichtet. Aber auch und dies bedarf der Erwähnung:
neben der wöchentlichen Landfilmvorstellung im Kinderheim, sowie im
Männerheim und mindestens einer weiteren Kulturveranstaltung wurde für das
Personal ein Bus geordert, der ca. 40 Angestellte nach Bad Elster ins Theater
brachte. Aus der geschlossenen Heilstätte machten der
Kreis Oelsnitz ein „Feierabend- und Pflegeheim“, die frühere Kinder-Abteilung
nahm schulbildungsunfähige Kinder und Jugendliche auf. Es wurde auch noch
Geld in diverse Modernisierungen gesteckt, den Einbau eines Personenaufzugs
und die Vergrößerung der Waschräume etwa. Dennoch, nach der Wende teilte das
Objekt das Schicksal zahlloser DDR-Immobilien: Abwicklung, 1992 gingen die
Lichter aus. Die Stadt Leipzig bekam ihren ehemaligen
Besitz mit Wald und Immobilien, bis auf das Gut mit Wiesen und Feldern,
zurückübertragen, schenkte das Land unterhalb des Kinderheims und das
Männerheim mit allen Gebäuden aber wiederum dem Kreis Oelsnitz. Auf der
Fläche neben dem verfallenen Vorwerk baute der Kreis ein Krankenhaus, das im
Oktober 1996 den Betrieb aufnahm und 2003 an die Paracelsus-Kliniken
Deutschland GmbH verkauft wurde. Von der einstigen Heilstätte stehen heute
noch das Männerheim, die Holzliegehalle, das Maschinenhaus, die Werkstatt mit
Garagen und Kohlenbunker, einige weitere Wirtschaftsbauten sowie die
komplette Wasserversorgung mit zwei Pumpstationen und einem Hochbehälter
sowie die Leichenhalle - Kalter Otto - genannt. Der Antrag zum Abriss des
Gutes wurde im September 1996 genehmigt, das Kinderheim und das Personalhaus
mussten 2011 weichen. Das Kinderheim war ein Energiefresser, sodass man keine
Verwendung finden konnte. Ernst Süßdorf dankt für die freundliche. Unterstützung von
Herrn Dr. Krone, Frau Gsik vom Kreisarchiv des
Vogtlandkreises, dem Stadtarchiv der Stadt Leipzig, Frau Christine Stark
(Schöneck) und für
die Anregung Oberschwester Inge Gimm
(Zehren), Bernd Hiller für einige
Postkarten aus der Vergangenheit sowie seiner Frau Christine Süßdorf. |
Sterntexte: * Quadratrute ist ein altes sächsisches
Flächenmaß 225 Quadratrute entsprechen 19.223 Hektar ** Die Internationale Pflegestudie RN4Cast
von 2011 etwa gibt für deutsche Krankenhäuser einen Personalschlüssel von 10 : 1 an. Allerdings differenziert der in den einzelnen
Einrichtungen erheblich, von 6 Patienten pro Pflegekraft bis zu 15. *** Krankhafte Luftansammlung im Brustkorb,
Zerstörung von Gewebe durch Hitze oder Ätzmittel, Durchtrennen des Phrenicus, eines Nervs. **** Entwicklung der Lungentuberkulose in
Europa ***** Göbersdorf
in Schlesien (Waldenburgerland) - heute Sokolowsko in Polen. |
Auflistung der baulichen Aktivitäten Bau des Männerheimes mit
Wirtschaftsgebäuden, Kläranlage und Wasserversorgung und Aerogasanlage 1904-1906 Straßenbau 1903 Aufbau einer Gärtnerei 1907 Straßenbau 1910 Gutshofpflasterung 1911 Stallerweiterung 1911-1914 Holzliegehalle 1913 Straßenbau 1925 Stallerweiterung 1925-1928 Lautsprecheranlage 1927 Kinderheimbau 1928 Heizungsanpassung (Kinderheim) 1928
Pumpenhausbau(Schwarzbach) 1928 Wäschereigebäude Umbau 1928 Röntgenapparat 1925-1928 Leichenhalle 1928 Neue Rundfunkanlage 1934 Speiseaufzug manuell 1935 Messstation am Hochbehälter 1935 Kompl. Renovierung 1935 Schlaraffiamatratzen 1936 Großer Schweineauslauf 1936 Neuer großer Hühnerstall 1937 -1939 Wärmeschränke 1937
Straßenbau 1938 Umbau der Waschräume 1938 Ausbau der OP Abt. 1938
Kinderheim-Mittelhalle 1938 Gut-Scheune mit Wagenremise 1938 Schweinestall ausgebaut 1941 Zollhaus als Kinderstation 1943 Elektrifizierung der Kühlanlage 1943 Röntgenapparat 1944 Abriss des Eishauses 1944 Kriegsschädenbeseitigung
1945-1948 Personalhausbau 1949-1952 Ganze Plätze und Wege Mosaikpflaster 1952 Straßenbau 1953 Ausbau des Kühlhauses 1954 Ausgliederung des Gutes 1958 Bau des Kartoffelkellers Kinderheim 1959 Schließung des Kinderheims für TBC
kranke Kinder 1962 Bau des neuen Schornsteins 30m hoch 1968 Abriss der 4 Schornsteine
1969 Außenarbeiten mit Blitzschutz und
Dachreparatur 1971 Kartoffelkellerneubau
1974 Umprofilierung des Männerheims zum Feierabend-und Pflegeheim 1975…1977 Schließung der gesamten Anstalt
1992 |
Anlage 2: Aufstellung der langjährigen
Mitarbeiter der Lungenheilstätte 1.Chefärzte Dr. med. Ludwig Thieme 21.05.1906
- 14.12.1928 (geb.1873…..1928) Dr. med. Erich Süßdorf 15.02.1928 - 24.03.1962 (geb.1893…..1962) Dipl.med. Wieglep 01.11.1962 - 15.12.1964 Dr. med. Walther Spieß 01.12.1964 - 1975
2.Verwaltungsleiter(Inspektoren):
Berg 1906 Richard Römer 15.12.1906 -
03.03.1917 (1862
- ) Jungandreas 08.03.1017 -
31.03.1924 Richard Loos 02.04.1924 -
21.12.1934 (1884
- ) Curt Tag
20.11.1933 - 31.01.1939 (1887 - 1970) 01.10.1945
- 31.05.1946
Espenhain 02.01.1939 - 15.06.1945 Johannes Aurich 06.06.1945 -
12.11.1945 (1902
- 1945) Johann Paul Jungandreas
01.06.1946 - 31.03.1949 Herbert
Grunewald 01.03.1949 - 1951 Max Höfler 1951 -
01.11.1963
Birnbaum 1964 - 1971 Eckerhard
Wagner 1971 - Ende
3.Maschinenmeister Max Gläser 01.04.1906 -
01.10.1913 Georg Gentsch
11.03.1912 - 13.08.1920 Max Freytag 17.07.1920 - 14.09.1959 (1899-1959) Alfred Bauer 01.09.1959 -
31.01.1972 seit 1929 Schlosser (1905-1980) Gerhard Wolf 01.02.1972- Ende
4.Langjährige Mitarbeiter Frieda Zeiner Näherin 1918-1965 (1891-1980) Arno Renz Gutsarbeiter/Heizer 1922-1960 Erna Meiler Beiköchin 1932-1962 Martha Becker Oberschwester 1928-1948 Elly Kindermann Oberschwester 1930-1971 Karl Becker Gärtner 1928-1967
Helfried Adler Tischler/Heizer 1955-1986 Gudrun
Adler Küchenleiterin 1956-1992 Max Lenk Bademeister 1948-1972 Herbert Huster Hausmeister 1949-1972 Inge Glass MTA 1957-1972 Grete Koska Krankenschwester 1948-1972 Gerhard
Heil Lehrer 1948-1964 Paul Petrikowskie Gehilfe 1948-1972 Herbert Riedel Maurer 1950-1967 Helmut Barth Postangestellter 1954-1970 Elfriede Freytag
Teeküche Kind. 1937-1959 Wally Bauer Wäschereileiterin 1949-1972 Friedrich Bezold
Gutsleiter 1918-1945 Otto Lippmann Gutsleiter -1958 Martin Horstalka Kraftfahrer 1951-1972 |
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