Als alle Adorfer Millionäre waren

 

Am 24. August 1923, vor gut 100 Jahren, informierte der Stadtrat von Adorf darüber, dass die Stadt Adorf wegen anhaltender Zahlungsmittelknappheit in Abstimmung mit dem Reichsfinanzministerium Gutscheine über 100.000 M, 500.000 M und 1.000.000 M herausgeben wird. Diese waren nur für den Bezirk der Stadt Adorf und für eine begrenzte Zeit gültig.

Für die Lieferung diese Gutscheine (Notgeld) hatte die Fa. August Geilsdorf aus Adorf dem Stadtrat von Adorf am 14. August 1923 Muster entsprechend Absprache übermittelt.

 

 

Wie der Bezirk der Stadt Adorf genau definiert war, wurde in der Ankündigung nicht näher bezeichnet. Das Ende der Gültigkeitsdauer der Gutscheine sollte zu einem späteren Zeitpunkt im Adorfer Grenzboten mitgeteilt werden.

 

Die Inflation zur damaligen Zeit verlief so rasant, dass bereits am 21. September 1923 darüber informiert wurde, dass es auch Gutscheine im Wert von 5 und 10 Millionen Mark geben wird.

Das Inflationsgeschehen entwickelte sich zu dieser Zeit so rasant, dass die Stadt-Girokasse Adorf am gleichen Tage darüber informierte, dass sie wegen Arbeitsüberlastung nun dienstags geschlossen hat und an diesem Tage nur noch eilige Überweisungen ausführen wird. Gleichzeitig wurde dort ab 28. September nur noch Notgeld aus Adorf und Markneukirchen angenommen.

 

 

Am 2. November 1923 sah sich der Stadtrat zu Adorf veranlasst, Gutscheine im Wert von 1, 5, 50, und 100 Milliarden Mark in den Verkehr zu bringen.

 

 

Wirft man einen Blick in die entsprechenden Akten der Stadt Adorf, kommt man zu dem Schluss, dass die Finanzbeamten in den Kommunen, Banken und Ministerien im zweiten Halbjahr 1923 vergeblich damit zu tun hatten, die Hyperinflation in den Griff zu bekommen. Laufend mussten neue Geldscheine nachgedruckt und neue Werte herausgegeben werden.

 

Mit der am 15. November 1923 herausgegebenen und an den Goldpreis gebundenen Rentenmark war die Hyperinflation in Deutschland praktisch beendet. Der Wechselkurs zur alten Papiermark betrug 1:1 Billionen Papiermark bzw. 1 US-Dollar = 4,20 Rentenmark.

 

Ich erinnere mich an Berichte darüber, dass die Arbeiter bzw. ihre Ehefrauen nach der Lohnauszahlung im Laufschritt vom Werktor in die Geschäfte rannten, um für die mit großen Zahlen bedruckten Geldscheine noch das Brot für den Abend und den nächsten Tag zu bekommen.

Am 15. Dezember 1923 wurde informiert, dass die vom Stadtrat  Adorf ausgegebenen Gutscheine im Einzelwert bis zu 500 Milliarden Mark zur Einlösung bis zum 15. Januar 1924 aufgerufen sind.

 

 

Es war damals nicht nur der Stadtrat von Adorf, der solche Gutscheine ausgegeben hat. Es gibt auch Meldungen darüber, dass solche von den Firmen Gebr. Uebel über 100.000 M, 500.000 M 1.000.000 M. 2.000.000 M und 3.00.000 M mit einer Gültigkeit von drei Wochen und die  Textilosewerke u. Kunstweberei Claviez AG am 2. Nov. 1923 im Wert von 20 Milliarden Mark ausgegeben wurden.

 

 

Weiterhin reagierte die Gasversorgung Obervogtland G.m.b.H auf die galoppierende Inflation mit nachfolgender Anzeige. Analog verfuhren die Kraftwerke Westsachsen, AG Betriebsdirektion Bergen i. V. für ihre Stromlieferungen.

 

 

 

 

Interessant ist die Tatsache, dass die mir bekannten Gutscheine des Stadtrates von Adorf über 100.000 M bis 5 Milliarden Mark alle das Datum 25. August 1923 tragen. Es ist davon auszugehen, dass man bei der Erstellung der Druckvorlagen die Inflationsentwicklung vorausgesehen und lediglich den Druck und die Ausgabe der entsprechenden Gutscheine nach Menge und Termin gesteuert hat.

 

 

Ein weiterer Gutschein über 500 Milliarden Mark datiert vom 1. November 1923. Die graphische Umsetzung war dort schon viel einfacher ausgeführt.

 

Ich bin mir sicher, dass die Gutscheinmillionäre bzw. -milliardäre nicht zwingend darüber glücklich waren, sie zu besitzen und sich an ihnen lange erfreuten. Sie hatten damit zu tun, für dieses Papiergeld so schnell wie möglich die Waren des täglichen Bedarfs zu erhalten bzw. ihre Verbindlichkeiten zu bezahlen.

Ich wünsche allen, dass wir von einer solchen inflationären Geldentwertung verschont werden. Die aktuelle Inflation bereitet schon so manchen von uns ernste Probleme alle seine Ausgaben zu steuern.

 

Wer mehr über dieses Kapitel deutscher und Adorfer Geschichte erfahren will, dem empfehle ich die ergänzenden Informationen von Johannes Lenk in seinem Buch "Adorf im Vogtland", "Die Münzstätte Adorf/V. am Ende des 13. Jahrhunderts" von Dieter Oettel sowie die Akte 1910 im Bestand Adorf im HAV in Oelsnitz.

 

Klaus-Peter Hörr

Oktober 2025