Perlmutterknopf-Fabrik „Zweig, Frankfurter & Co.“
aus Graslitz in Böhmen
Die Perlmutterknopf-Fabrik „Zweig, Frankfurter & Co.“ aus Graslitz in Böhmen gehörte wie auch der Perlmutterwarenfabrikant Heinrich Adler aus Tachau in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu den bedeutenden Perlmutterwarenfabriken in Böhmen. Beide hatten sich auf die Fertigung von Perlmutterknöpfen spezialisiert. Damit waren sie keine direkten Konkurrenten der Adorfer Perlmutterfirmen bzw. ein Grund dafür, dass diese Pruduktgruppe in Adorf trotz mehrfacher Anläufe nicht heimisch wurde.
T. Adler berichtete 1992 in seiner Familien- und Firmengeschichte darüber, dass sein Großvater Heinrich Adler die im Jahre 1871/72 von Wien nach Tachau verlegte Firma Zweig-Frankfurter & Co. im Jahre 1888 nach ihrer Liquidation kaufte. Das ist bisher mein einziger Hinweis, dass es diese Firma auch in Tachau gegeben haben soll. In allen anderen mir bekannten Quellen wird diese Firma immer als aus Graslitz stammend beschrieben. Das bedeutet nicht, dass sie in Tachau auch einmal eine Niederlassung/ Produktionsstätte besessen haben kann.
Der älteste meiner Hinweise auf diese Firma war lange Zeit die nachfolgende Anzeige aus dem Jahre 1879. Dies könnte erklären, warum eine enge Zusammenarbeit der Musikinstrumentenbauer zwischen Markneukirchen und Klingenthal mit den Perlmutterfirmen aus Adorf bisher nicht nachgewiesen werden konnte. Sie bezogen anscheinend ihr Material für die Perlmutterintarsien von den dortigen Perlmutterknopffirmen und ließen ev. auch gleich in Böhmen die entsprechenden Arbeiten ausführen.
„Der Grenzbote- Wochenblatt für Adorf und Neukirchen“ 15.10.1879
Das obige Foto aus dem Perlmutter- und Heimatmuseum Adorf lässt erkennen, wie aus den Muscheln und Schnecken die Knöpfe herausgeschnitten wurden und wie der angebotene Perlmutterabfall ausgesehen haben könnte.
Am 30. September 1882 wurde eine Zweigniederlassung der Firma Zweig-Frankfurter & Co. in Schöneck/Vogtl. in das Handelsregister eingetragen. Inhaber waren Ludwig Zweig und Jonas Frankfurter aus Wien sowie Arthur Korompay aus Graslitz.
Der Handelsregistereintrag bezüglich der Zeichnungsberechtigung für diese Firma sollte ein Hinweis dafür sein, dass die Firma mit der Firma Zweig & Frankfurter aus Wien bzw. mit deren Eigentümern in Verbindung stand. Laut nachfolgendem Adressbucheintrag aus Wien, bestand die Firma in Wien bereits seit 5. Februar 1874. Ob sie damals bereits im Knopf- bzw. Perlmutterknopfgeschäft tätig war, lässt sich aus dem Geschäftsfeld „Cmsnshdl. in Rohproducten“ (Kommissionshandlung in Rohprodukten?) nicht zwingend ableiten.
Nach meiner Auffassung muss die Firma „Zweig, Frankfurter & Co.“ um 1880 bereits eine fest etablierte Firma gewesen sein. Laut der nachfolgenden Anzeige vom 24. Januar 1883 im Mährischen Tageblatt wurde sie 1881 mit dem Staatspreis in Eger und jeweils einer golden Medaille 1881 in Linz und 1882 in Triest ausgezeichnet. In dieser Anzeige wird die Firma als 1. Graslitzer Perlmutter-Knopf-Fabrik bezeichnet, die in Wien ein Depot besitzt und 1.250 Arbeiter beschäftigt.
Die Wiener Vorstadt-Presse vom 8. September 1881 berichtet wie folgt über den Firmenauftritt auf der Linzer Ausstellung:
„Die Erste Graslitzer Perlmutter-Knopffabrik Zweig, Frankfurter & Comp., bringt hier ihre Erzeugnisse zur Ausstellung. Diese Firma hat durch die Einführung des genannten Industrie-Zweiges sich ein großes Verdienst um die Bevölkerung des Erzgebirges erworben. Obwohl kaum 2 ½ Jahre bestehend, hat es die Firma trotz immenser Schwierigkeiten, welche zu überwinden waren, verstanden, für ihren Artikel einen großartigen Export zu erzielen und ist so in der Lage versetzt, 1.200 Arbeitern lohnenden Erwerb zu schaffen. Wenn man bedenkt, was es heißt, einer eingebürgerten und mit großen Mitteln arbeitenden Concurrenz, wie es in diesem Artikel die englische und französische ist, zu begegnen und in kurzer Zeit in solcher Weise gewissermaßen den Sieg davonzutragen, so wird man einerseits die seltene Thatkraft, die fruchtbare und weitblickende Energie bewundern müssen, welche dies zu Stande gebracht und andererseits anerkennen, daß die Herren Zweig, Frankfurter & Comp. durch Errichtung dieser Industrie eine patriotische That geübt, als so manche großmäuligen Helden, deren Brust hohe Orden zieren. Und was den wahren Menschenfreund, den Freund der vaterländischen Industrie am meisten freuen muß, ist, daß diese Industrie eine große Zukunft hat und haben muß. Damit sich unsere Leser einen beiläufigen Begriff von der Großartigkeit des Etablissements machen können, sei erwähnt, daß wöchentlich 10.000 Groß Knöpfe (1 Groß= 144 Stück) fertig werden, die fast sämmtlich im Export verwendet werden. Wir können der rührigen und einsichtigen Firma, welche auf der Egerer Ausstellung den Staatspreis davontrug, nur wünschen, daß ihre junge Industrie gedeihen und blühen möge, zum Nutzen der Bevölkerung des brodlosen Erzgebirges, zum Nutzen des Vaterlandes, das durch diesen Export von national –ökonomischen Standpunkt den größten Vortheil hat.“
Dieser Artikel beinhaltet interessante Fakten. Der Gründungszeitpunkt für den Betrieb in Graslitz müsste um März 1879 gelegen haben. Somit wäre die obige Anzeige bezüglich des Verkaufes von Perlmutterabfall ein sehr frühes Dokument bezüglich der Firmengeschichte in Graslitz. Es waren sicherlich die ersten größeren Mengen an Perlmutterabfällen, für die eine Verwertung gesucht wurde. Die ca. 1.200 Arbeiter fertigten pro Woche in einer strukturschwachen Region ca. 1.440.000 Knöpfe. Eine recht beachtliche Zahl. Diese Menge an Knöpfen wurde hauptsächlich über den Export verkauft. Geht man davon aus, dass ein Kleidungsstück 10 Knöpfe besaß, wurden Woche für Woche Knöpfe für 144.000 Kleidungsstücke gefertigt. In welche Länder werden diese Mengen exportiert worden sein? War der Markt in Oesterreich–Ungarn gesättigt oder waren die Exporterlöse lohnenswerter?
In den ersten Monaten des Engagements in Graslitz galt es, genügend Mitarbeiter zu finden. Mitte 1880 wurden in Prag mehrere Anzeigen nach Perlmutter-Knopf-Drechsler-Gehilfen für Graslitz geschaltet.
Ein Grund für den schnellen Erfolg der Firma scheinen geringere Kosten gewesen zu sein. Laut nachfolgender Anzeige vom 1. März 1882 im Prager Abendblatt warb man mit bedeutend billigeren Preisen als die Mitbewerber aus Wien und Frankreich. Mit Sicherheit waren die Lohnkosten im böhmischen Erzgebirge viel geringer als in Wien.
Um die enormen Mengen an Knöpfen zu verkaufen, wurde regelmäßig an Ausstellungen und Messen im Ausland teilgenommen. Für nachfolgende gibt es entsprechende Quellen.
· 1883 Amsterdamer Colonial-Ausstellung mit Verleihung einer Goldmedaille
· 1883 Bostoner Ausstellung mit erstem Preis (Medaille und Diplom)
· 1888 Weltausstellung Barcelona mit Medaille mit Silberkrone
· 1889 Weltausstellung in Melbourne mit Goldmedaille
Ich gehe davon aus, dass es weitere Beteiligungen an internationalen Messen und Ausstellungen gegeben hat.
Die Firma „Zweig, Frankfurter & Co.“ beschäftigte sich nicht nur mit der Knopfproduktion, sondern entwickelte auch neue innovative Produkte. Das Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 15. April 1885 berichtete darüber, dass die Firma 1882 ein Verfahren erfand, mit dem man eine Verbindung von Cement und anderen Kalksorten mit Perlmutter zur Erzeugung von Platten, Gesimsen, Stufen, Mosaik und anderen Gegenständen herstellen konnte. Es waren sicherlich sehr dekorative Elemente möglich. In welchen Treppenhäusern oder Wohnungen werden noch Beispiele für diese Produkte existieren?
Auf eine Frage aus dem Jahre 1890 nach exportfähigen Fabriken von Perlmutterknöpfen aus Böhmen wurde in der Zeitschrift „Neueste Erfindungen und Erfahrungen auf dem Gebieten der praktischen Technik, Elektrotechnik, der Gewerbe, Industrie, Chemie, der Land- und Hauswirtschaft“ lediglich die Firma „Zweig, Frankfurter & Comp.“ aus Graslitz genannt.
In der gleichen Zeitschrift aus dem Jahre 1904 wurde u. a. nach österreichischen Permutterknopffabriken und Lieferanten für entsprechende Maschinen hierfür gefragt. In der entsprechenden Antwort sind nun mehrere Firmen genannt, dies sicherlich auch deshalb, weil nicht nur nach Firmen aus Böhmen gefragt wurde.
Das langjährige Engagement der Firma in und um Graslitz wurde von allerhöchster Stelle anerkannt und gewürdigt. Die Egerer Zeitung berichtet hierzu am 17. November 1888 wie folgt:
„Dem hiesigen Fabrikanten Herrn Arthur Korompay, offenen Gesellschafter der Firma „Zweig, Frankfurter & Comp.“, Perlmutterknopf-Fabrikanten hier, wurde in Anerkennung seiner Verdienste um das Wohl und die Milderung der Noth der Bevölkerung des Erzgebirges durch Einführung der Perlmutterknopf-Industrie von seiner Majestät dem Kaiser das Ritterkreuz des Franz Josefs-Ordens verliehen.“
Warum wurde nur ihm und nicht auch den Herren Zeig und Frankfurter diese Auszeichnung verliehen?
In der Zeitung „Sokolovsko 2/2019“ finden wir unter der Überschrift „Die Herstellung von Perlmuttknöpfen und ihre Tradition in Graslitz“ nicht nur eine interessante Abhandlung zur Geschichte der Perlmutterwarenindustrie in Böhmen, sondern auch weitere Informationen zur Firma Zweig, Frankfurter & Co. und ihrer Nachfolger.
Laut dieser Quelle soll bereits 1865 die Fa. Zweig, Frankfurter & Co in Graslitz gegründet worden sein. Mit der Fa. Ignaz Meindl 1880 und Carl Rölz 1885 folgten weitere.
Die Presse 18. Mai 1888
Laut der Zeitung „Sokolovsko 2/2019“ produzierte die Fa. Zweig, Frankfurter & Co. seit dem 17. August 1889 unter der Firmierung Bondy & Korompay in Graslitz. Der Firmensitz war Prag. Es gab auch eine Niederlassung in Klingenthal. Eine weitere soll 1891 in Amerika gegründet worden sein. Viele ehemalige Mitarbeiter der Firma nutzten diese Gelegenheit und gingen mit nach Amerika um dort ihren Traum von Amerika zu leben. Im gleichen Jahr änderte sich die Firmierung in Arthur Korompay & Co.
Die Niederlassung in Klingenthal wurde 1893 im Handelsregister gelöscht und als Nachfolger dort die Fa. August Rimpel eingetragen.
August Rimpel war ehemals Buchhalter bei Fa. Bondy & Korompay. Nach seinem Tod im Jahre 1893 wurde die Firma von Daniel Fuchs übernommen.
Im Handelsregister Klingenthal findet sich obiger Eintrag, der informiert, dass Bertha, verw. Rimpel jetzt Inhaberin ist. Im Handelsregister wurde diese Firma mit Standort Klingenthal erst 1896 gelöscht. Demnach könnte die Witwe Bertha Rimpel nur den Standort Klingenthal weiterbetrieben haben und nur der Standort Graslitz an Daniel Fuchs gegangen sein.
Im „Führer durch die sächsisch-thüringische Export-Industrie“ aus dem Jahre 1897 findet sich obige Anzeige der Fa. Daniel Fuchs aus Graslitz mit einer Filiale in Klingenthal. Diese beweist, wie schwer es ist, die exakte Firmengeschichte auf Basis von Handelsregistereintragungen oder Adressbüchern zu ermitteln. Nicht jede Firma, die im Handelsregister gelöscht wurde, hörte auf zu existieren. Gleichfalls muss ein Eintrag in einem Adressbuch bedeuten, dass diese Firma bei seinem Erscheinen noch existierte.
Im Jahre 1914 gab es in Graslitz insgesamt sechs Perlmutterknopffirmen. Im Jahre 1923 war es nur noch die Firma Anton Junker.
Die Recherchen zur Firma „Zweig, Frankfurter & Co.“ aus Graslitz haben gezeigt, dass noch einige Fragen offen geblieben sind. Zum Beispiel:
Ø Bestand diese Firma vor 1879 bereits in Tachau.
Ø Was ging 1888 laut T. Adler in Liquidation? Der Standort Tachau oder die gesamte Firma?
Ø Laut obigen Anzeigen wird sich noch 1890 bzw. 1904 auf die Firma „Zweig, Frankfurter & Co.“ bezogen.
Ø Über einen Zeitraum von mehreren Jahren wurde keine Quelle zur Firma gefunden. Warum nicht?
Vielen Dank an Herrn Hladik für die Unterstützung bei den notwendigen Übersetzungen.
Klaus-Peter Hörr
März 2023